Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Auferlegung außergerichtlicher Kosten. Sozialhilfe. Untätigkeitsklage. Sechsmonatsfrist. Kenntnisgrundsatz. Kostenentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vor Erhebung einer Untätigkeitsklage muss der Antragsteller eine konkrete Leistung verlangen.

2. Die Anrufung des Gerichts wegen Untätigkeit des Leistungsträgers setzt auch im Sozialhilferecht die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist voraus, obwohl nach dem Kenntnisgrundsatz des § 18 Abs. 1 SGB XII angemessene Hilfe auch ohne vorangehendes Antragsverfahren im Interesse einer schnellen Bedarfsdeckung gewährleistet werden soll.

 

Normenkette

SGG §§ 73a, 88 Abs. 1 S. 1, § 193; SGB XII § 18 Abs. 1

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 19.10.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Sozialgericht hat es mit dem angefochten Beschluss zu Recht abgelehnt, dem Kläger für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren und der Beklagten außergerichtliche Kosten des Klägers aufzuerlegen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des Klägers hat es mit Beschluss vom 23.10.2006 zu Recht nicht abgeholfen.

Denn das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die am 19.06.2006 erhobene und nach Erteilung des Bescheides vom 14.07.2006 für erledigt erklärte Untätigkeitsklage zum einen vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist des § 88 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden ist, und das zum andern die Erteilung des Bescheides vom 14.07.2006 noch innerhalb dieser Frist erfolgt ist.

Dies ist für den mit Schreiben vom 23.01.2006 (bei der Beklagten eingegangen am 25.01.2006) seitens des B.hofes N für den Kläger gestellten Antrags auf Fortführung der Eingliederungsmaßnahmen offensichtlich. Gleiches gilt für den mit Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 20.01.2006 formulierten Antrag.

Wenn der Kläger hiergegen mit der Beschwerde auf ein Schreiben von Frau H T vom 23.12.2005 (Eingang bei der Beklagten am 27.12.2005) verweist, mit dem bereits der Antrag auf Fortsetzung der Leistungen gestellt worden sei, so setzt er sich damit zum einen in Widerspruch mit seiner eigenen Klageschrift vom 16.06.2006, in der er sich auf seinen Schriftsatz vom 20.01.2006 bezog, der einen entsprechenden Antrag formulierte. Auch inhaltlich handelt es sich bei dem Schreiben vom 23.12.2005 jedenfalls nicht um einen Antrag, der im Rahmen des § 88 Abs. 1 SGG die Sechs-Monats-Frist in Gang setzen konnte. Denn Frau T hat in diesem Schreiben lediglich mitgeteilt, ihr Mann habe sich im Dezember 2005 beim B.hof nach dem Ergebnis der Beratungen des Fachausschusses vom 06.12.2005 erkundigt und die Auskunft erhalten, der Fachausschuss habe die Förderung des Klägers bis zum 31.12.2006 befürwortet und eine Verlängerung der bisherigen positiven Entwicklung im Berufsausbildungsbereich für sinnvoll erachtet. Eine Mitteilung darüber, was ein Fachausschuss für sinnvoll angesehen habe, mag zwar einen vagen Hinweis darauf geben, was künftig von der Beklagten erwartet werde. Ein konkretes, unmissverständliches Leistungsverlangen ist dies jedoch nicht. Jedenfalls im Rahmen des § 88 SGG ist ein solches Leistungsverlangen jedoch zu fordern, um der Behörde unmissverständlich zu machen, dass ggf. prozessuale Möglichkeiten nach § 88 SGG vom Betroffenen eingeleitet werden können. Dementsprechend hat auch der Bevollmächtigte des Klägers mit seinem Schriftsatz vom 20.01.2006 ausdrücklich die Weiterbewilligung von Eingliederungshilfe beantragt. Vage Äußerungen wie die vom 23.12.2005 für den Beginn der Frist des § 88 Abs. 1 SGG als "Antrag" ausreichen zu lassen, um nach Ablauf von sechs Monaten ohne weitere Erinnerung der Behörde eine Untätigkeitsklage zu begründen und eine entsprechende Kostenfolge nach § 193 SGG auszulösen, erscheint zum Schutz von Leistungsempfängern weder notwendig noch für eine verständige Prozessführung, die ein prozessual angemessenes Verhalten von beiden Beteiligten verlangt, erforderlich.

Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus dem in § 18 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten sog. "Kenntnisgrundsatz". Zwar hat danach der Sozialhilfeträger Leistungen - auch ohne Antrag - zu erbringen, sobald ihm das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen bekannt wird. Hiervon zu trennen ist jedoch die Frage, ab wann eine auf die Untätigkeit des leistungsverpflichteten Trägers gestützte Klage nach § 88 Abs. 1 SGG zulässig erhoben werden kann. Eine solche Untätigkeitsklage setzt schon nach dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG einen Antrag voraus. Hiervon für die Fälle der Sozialhilfe abzuweichen, ist auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht erforderlich. Die Anrufung des Gerichts wegen Untätigkeit des Leistungsträgers setzt stets die Einhaltung der Sechs-Monats-Frist voraus, während der Kenntnisgrundsatz des § 18 Abs. 1 SGB XII angemessene Hilfe auch ohne vorangehendes Antragsverfahren im Interesse einer schnellen Bedarfsdeckung gewährleisten soll. Sind die Zeckrichtungen des Kenntnisgru...

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