1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 192 betrifft das Verhältnis zwischen dem Staat und den Beteiligten sowie das Verhältnis zwischen den Beteiligten. Die Vorschrift ordnet eine Ausnahme des Grundsatzes der Gerichtskostenfreiheit an und stellt eine Sonderregelung zu § 193, insbesondere zu § 193 Abs. 4, dar. Durch die Möglichkeit der Verhängung von Verschuldenskosten soll ein Beteiligter von einer missbräuchlichen kostenfreien Inanspruchnahme der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit abgeschreckt und ggf. entstandene Kosten auf einen Beteiligten abgewälzt werden. Bei den Verschuldenskosten handelt es sich nicht um eine Prozessstrafe, sondern um einen Schadensersatzanspruch für die durch einen Beteiligten verursachten Aufwendungen des Gerichts und der übrigen Beteiligten (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R). § 192 ist grundsätzlich nicht in Verfahren nach § 197a anwendbar. In diesen Verfahren gilt § 38 GKG und § 155 Abs. 5 VwGO. Hinsichtlich eines Beigeladenen in einem Verfahren nach § 197a, der zu den kostenprivilegierten Personen des § 183 zu rechnen ist, ist § 192 anwendbar (§ 197a Abs. 2 Satz 2).

Durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) ist die Vorschrift des § 192 neu gefasst worden. Die Überleitungsvorschrift ist in Art. 17 des 6. SGGÄndG geregelt. Mit Wirkung zum 1.1.2007 wurde Abs. 1a (seit dem 1.4.2008 Abs. 2) durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) v. 22.12.2006 (BGBl. I S. 3439) eingefügt. Durch das SGGArbGÄndG v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) ist die Vorschrift des § 192 geändert und Abs. 4 neu eingefügt worden. Die Änderungen gelten ab dem 1.4.2008 (vgl. zum intertemporalen Prozessrecht die Komm. zu Art. 17. 6. SGGÄndG Rz. 7).

2 Rechtspraxis

 

Rz. 2

Das Gericht kann einem Beteiligten ganz oder teilweise die durch eine Verzögerung oder den Missbrauch verursachten Kosten auferlegen (§ 192 Abs. 1). Die Vorschrift gilt in allen nach § 1983 gerichtskostenfreien Verfahren, einschließlich der Beschlussverfahren (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 15.12.2010, L 19 AL 285/10 B ER zu Verfahren nach § 86b), in denen § 197a nicht anwendbar ist

2.1 Kostenschuldner

 

Rz. 3

Kostenschuldner kann ein Beteiligter des Verfahrens (§ 69) sein. Das Handeln seines gesetzlichen Vertreters (§ 72) oder seines Bevollmächtigten (§ 73) muss sich ein Beteiligter zurechnen lassen (§ 192 Abs. 1 Satz 2), er hat für die Prozessführung seines Vertreters einzustehen (vgl. Rz. 8). Die Auferlegung der Verschuldenskosten erfolgt gegen den Beteiligten, ggf. hat dieser einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Vertreter.

Gegen einen Beteiligten, der nach § 184 Abs. 3 von der Zahlung der Pauschgebühr befreit ist, können Kosten nach § 192 verhängt werden. Dies gilt auch für den Bund und die Länder, wenn sie Träger der Gerichtshaltungskosten sind (LSG Bayern, Urteil v. 15.3.2005, L 18 SB 93/04). Einem gesetzlichen Vertreter, besonderen Vertreter, Bevollmächtigten sowie einer unbeteiligten Person am Verfahren (Zeuge, Sachverständiger) können keine Verschuldenskosten auferlegt werden. Gegen einen vollmachtslosen Vertreter ist die Verhängung der Verschuldenskosten möglich.

2.2 Kostengläubiger

 

Rz. 4

Kostengläubiger kann der Staat oder ein anderer Beteiligter sein. Nach dem Wortlaut der Neufassung des § 192 kann zweifelhaft sein, ob im Rahmen einer Entscheidung nach § 192 einem Beteiligten Kosten auferlegt werden können, die er einem anderen Beteiligten durch sein Verhalten verursacht hat. In § 192 a. F. war eindeutig geregelt, dass einem Beteiligten neben den Kosten, die er einem Gericht verursacht hat, auch die Kosten eines anderen Beteiligten auferlegt werden können. Bei der Neufassung der Vorschrift ist aber kein abändernder Wille des Gesetzgebers erkennbar gewesen (a. A. LSG Thüringen, Beschluss v.16.2.2015, L 6 SF 1636/14 E).

2.3 Verzögerungsgebühr

 

Rz. 5

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 können einem Beteiligten Kosten auferlegt werden, wenn durch sein schuldhaftes Verhalten oder das seines Vertreters ohne Mitverschulden des Gerichts eine mündliche Verhandlung vertagt oder ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden ist. Die Vorschrift ist an § 38 GKG angelehnt (BT-Drs. 14/5943 S. 28; vgl. Komm. zu § 197a Rz. 63 f.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 30.11. 2017, L 4 P 4479/17 B). Der Begriff der Vertagung setzt voraus, dass eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist und das Verfahren nicht zum Abschluss gebracht werden konnte; die Anberaumung eines neuen Termins ist nicht erforderlich. Es genügt, dass ein neuer Termin geplant ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 30.9.2003, L 4 B 6/03 SF; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 5.1.2005, L 4 B 10/04 U; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 14.6.2007, L 7 B 42/07 AS: Erlass des Beschlusses erst nach Beendigung des Verfahrens).

Als Verhalten kommt in Betracht:

  • das Nichterscheinen zum Termin, insbesondere bei Anordnung des persönlichen Erscheinens,
  • die Stellung eines offensichtlich unbegründeten Ablehnungsantrages (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 5.1.2005, L 4 B 10/04 U; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.6.1984, 18 U 203/83),
  • ein verspäteter Ve...

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