1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift, die am 1.1.1954 (Sozialgerichtsgesetz v. 3.9.1953, BGBl. I S. 1239) im Gebiet der alten Bundesländer und am 3.10.1990 (Gesetz v. 23.9.1990, BGBl. I S. 895) in den neuen Bundesländern in Kraft getreten ist, stellt klar, dass die Sozialgerichtsbarkeit als eine der in Art. 95 GG genannten Gerichtsbarkeiten von unabhängigen Gerichten ausgeübt wird. Diese Klarstellung ist von besonderer Bedeutung, da die Rechtsprechung auf dem Gebiet der Sozialversicherung sowie der Kriegsopferversorgung über fast 70 Jahre von Behörden wahrgenommen wurde. Erst mit dem Inkrafttreten des SGG v. 3.9.1953 (BGBl. I S. 1239) wurden die im Grundgesetz enthaltenen Postulate der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) vollständig realisiert.

Die Sozialgerichtsbarkeit besteht damit selbständig neben der ordentlichen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, der Arbeitsgerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit und der Finanzgerichtsbarkeit. Dabei gehören die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit zu den Verwaltungsgerichten, denen gemeinsam ist, dass sie über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art entscheiden und deren jeweilige Zuständigkeit sich aus speziellen Bestimmungen in den Verfahrensordnungen (VwGO, FGO, SGG) ergibt. In Abgrenzung zur allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit gelten die Finanz- und Sozialgerichte als besondere Verwaltungsgerichte. Durch das 7. SGGÄndG v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3302) wurde mit Wirkung zum 15.12.2004 die Vorschrift um Satz 2 erweitert. Die darin eingeräumte Möglichkeit der Wahrnehmung von (einzelnen) Aufgaben der Sozialgerichtsbarkeit durch Verwaltungsgerichte und Oberverwaltungsgerichte ist allerdings gemäß Art. 3 Nr. 4, Art. 4 Nr. 4 des 7. SGG-ÄndG bis zum 31.12.2008 begrenzt. Folglich ist S. 2 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft getreten. § 50d ist mit Wirkung v. 1.1.2006 aufgehoben (Art. 4 des SGG-ÄndG v. 9.12.2004, BGBl. I S. 3302). §§ 50a bis 50c sind mit Wirkung zum 31.12.2009 aufgehoben.

2 Rechtspraxis

2.1 Sozialgerichtsbarkeit

 

Rz. 2

Die Ausübung der Sozialgerichtsbarkeit, also die Rechtsprechung in den in § 51 genannten oder gesetzlich zugewiesenen Sachgebieten, wird gemäß § 1 den Sozialgerichten als besonderen Verwaltungsgerichten anvertraut. In der Revisionsinstanz bleibt jedoch allein das Bundessozialgericht zuständig. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind Gerichte i. S. v. Art. 92 ff. GG, in denen die Gewaltenteilung gemäß Art. 20 Abs. 2 GG vollendet durchgeführt wird. Die Gerichtsbarkeit ist damit die Dritte Gewalt, die den Richtern allein anvertraut ist und durch das Bundesverfassungsgericht, die Bundesgerichte und die Gerichte der Länder ausgeübt wird. Die Sozialgerichte werden jedoch nur einzelfallbezogen auf Klage tätig, soweit die Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht wird. Die Verletzung objektiven Rechts reicht nicht aus, da sich aus der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht ableiten lässt (BSG, Urteil v. 11.5.1999, B 11 AL 45/98 R; BSG, Urteil v. 21.10.1999, B 11/10 AL 8/98 R). Die Übertragung der Rechtsprechung allein auf Gerichte als elementarer Ausfluss des Prinzips der Gewaltenteilung wird abgesichert durch die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter sowie die Trennung von den Verwaltungsbehörden.

2.2 Unabhängigkeit

 

Rz. 3

Die Unabhängigkeit der Gerichte kann nur dann gegeben sein, wenn eine Unabhängigkeit der Richter besteht, die in persönlicher und sachlicher Hinsicht garantiert sein muss (Art. 97 Abs. 1 und 2 GG). Die sachliche Unabhängigkeit sichert Art. 97 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem DRiG und den Richtergesetzen der Länder sämtlichen an der Rechtsprechung beteiligten Personen zu. Das sind die Berufsrichter (Richter auf Lebenszeit – § 10 DRiG, auf Zeit – § 11 DRiG, auf Probe – § 12 DRiG, kraft Auftrages – § 14 DRiG, die abgeordneten Richter – § 37 DRiG sowie die ehrenamtlichen Richter). Sie besteht für Richter auf Landes- und Bundesebene und für alle Zweige der Gerichtsbarkeit. Die persönliche Unabhängigkeit (primär: Unabsetzbarkeit, Unversetzbarkeit, Lebenszeitstellung, angemessene Alimentation) schützt gemäß Art. 97 Abs. 2 GG nur die hauptamtlichen und planmäßig endgültig angestellten Richter. Sie besteht umfassend damit – auch für alle Gerichtsbarkeiten – nur zugunsten der Richter auf Lebenszeit (§ 10 DRiG) und auf Zeit (§ 11 DRiG). Bei Richtern auf Probe und kraft Auftrages ist die persönliche Unabhängigkeit nur insoweit eingeschränkt, als eine Entlassung gemäß §§ 22, 23 DRiG erfolgen kann.

 

Rz. 4

Da die Richter allein dem Gesetz unterworfen sind, sind sie weder an Weisungen des Gesetzgebers gebunden, soweit sie nicht in Gesetzesform ergehen, noch unterliegen sie Weisungen der Exekutive. Die Bindung an das Gesetz verbietet aber nicht die Auslegung gesetzlicher Normen und die damit verbundene (richterliche) Rechtsfortbildung. Ihre Grenzen findet sie jedoch da, wo der geäußerte oder mutmaßl...

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