Keine rechtsradikalen Richter

Das Richterdienstgericht am LG Leipzig schickt einen Richter und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten zur Abwendung einer schweren Beeinträchtigung der Rechtspflege in den vorzeitigen Ruhestand.

Medial hat der Fall für einiges Aufsehen gesorgt. Ein ehemaliger Richter und AfD-Bundestagsabgeordnete hatte sich politisch mehrfach in  menschenverachtender Weise geäußert. Dennoch wollte er in den Richterdienst zurück. Das Richterdienstgericht verwehrt ihm nun die Rückkehr wegen erheblicher Zweifel an seiner Fähigkeit und seinem Willen zu einer künftig unvoreingenommenen und unabhängigen Richtertätigkeit.

Ehemaliger AfD-Bundestagsabgeordneter strebt Rückkehr in Richteramt an

Bei der Bundestagswahl 2021 hatte der ehemalige Richter am Landgericht, der bis dahin für die AfD im Bundestag saß, sein Bundestagsmandat verloren. Er beabsichtigte die Rückkehr in die sächsische Justiz. Die sächsische Landesjustizministerin wollte diese Rückkehr verhindern und beantragte beim zuständigen Richterdienstgericht des LG Leipzig die Versetzung des Richters in den vorzeitigen Ruhestand sowie die vorläufige Untersagung der Dienstgeschäfte, nachdem der Richter mit Wirkung zum 14.3.2022 einem sächsischen Amtsgericht als Richter zugewiesen worden war. Außerdem wurde ein Disziplinarverfahren mit dem Ziel des Verlustes der Dienstbezüge gegen den Richter eingeleitet.

Menschenverachtende Tweets in sozialen Netzwerken

Grund der eingeleiteten Maßnahmen waren Äußerungen des AfD-Politikers sowie eine Reihe von Posts bei Facebook und Twitter, in denen er sich herablassend über bestimmte Personen oder Personengruppen geäußert hatte. In einem Tweet äußerte bezogen auf seinen Richterberuf: „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘ fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Aufgrund dieser und anderer Äußerungen wird der AfD-Politiker vom sächsischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft.

Richtertätigkeit wurde bereits Ende März 2022 untersagt

In einer Eilentscheidung hatte das angerufene Richterdienstgericht bereits am 24.3. 2022 die vorläufige Untersagung der Dienstgeschäfte gemäß § 35 DRiG verfügt. Gegen diese Entscheidung sowie gegen die beabsichtigte Versetzung in den Ruhestand wendete sich der Richter und AfD-Politiker im Hauptsacheverfahren.

AfD-Politiker stellt Unterschied zwischen Politik und Richteramt heraus

Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass sämtliche beanstandeten Äußerungen in seiner Funktion als Politiker außerhalb seiner Richtertätigkeit gefallen seien und deshalb Rückschlüsse auf eine künftige unabhängige Ausübung des Richteramts unzulässig seien. Außerdem seien einige der ihm vorgeworfenen Äußerungen nicht in dieser Form gefallen und von den Medien aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden. Als Politiker habe er bewusst überspitzt formuliert, einige seiner Äußerungen seien auch einfach nur ironisch gemeint gewesen und damit von der allgemeinen Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG gedeckt.

Entscheidend für Gericht: Gefahr einer schweren Beeinträchtigung der Rechtspflege

Das Richterdienstgericht stellte in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Vorschrift des § 31 DRiG ab. Gemäß § 31 DRiG kann ein Richter auf Lebenszeit sowie ein Richter auf Zeit in den einstweiligen Ruhestand oder in den Ruhestand versetzt werden, wenn „Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art dringend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.“

Juristisches Neuland für das Richterdienstgericht

Die Vorschrift des § 31 DRiG kam bisher äußerst selten zur Anwendung. Mit der Entscheidung darüber, ob die getätigten Äußerungen des AfD-Politikers und Richters die Besorgnis der Gefahr einer schweren Beeinträchtigung der Rechtspflege begründen und seine Versetzung in den Ruhestand zwingend gebieten, betrat das angerufene Richterdienstgericht weitgehend juristisches Neuland.

Grundsatz der Indemnität schützt nur parlamentarische Äußerungen

Nach der Auslegung des Richterdienstgerichts setzt die Anwendung von § 31 DRiG ein außerdienstliches Verhalten des Richters voraus, welches das Vertrauen in seine Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gefährdet. Dabei dürfe nach dem verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Indemnität gemäß Art. 46 Abs. 1 GG ein Abgeordneter zu keiner Zeit wegen einer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestag getätigt hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt werden oder sonst außerhalb des Bundestags zur Verantwortung gezogen werden. Eine Ausnahme gilt gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 2 GG nur im Fall der Erfüllung des Straftatbestandes der verleumderischen Beleidigung.

Viele Äußerungen waren schlicht menschenverachtend

Da sämtliche von der Landesjustizministerin gerügten Äußerungen nicht im Bundestag, sondern außerhalb des Abgeordnetenmandats des AfD-Politikers gefallen waren, stand einer Prüfung dieser Äußerungen nach den Maßstäben des § 31 DRiG nach Auffassung des Richterdienstgerichts nichts im Wege. Das Gericht bewertete eine ganze Reihe von Aussagen des Klägers als rassistisch und menschenverachtend.

Gefahr einer schweren Gefährdung der Rechtspflege

Entscheidend für die Annahme einer schweren Gefährdung der Rechtspflege war aus Sicht des Richterdienstgerichts aber die ausdrücklich mit Bezug zur Ausübung des Richteramts getätigte Äußerung, man habe alles richtig gemacht, wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘ fürchten. Damit habe der Kläger den Eindruck erweckt, dass ‚AfD-Richter‘ besondere Verfahrensmodalitäten und/oder Strafzumessungsregeln verfolgen und anwenden, mit denen Rechtssuchende oder Angeklagte bei einer entsprechenden Besetzung des Gerichts unweigerlich konfrontiert würden. Das Inaussichtstellen solcher besonderer Methoden sei mit einem funktionierenden rechtsstaatlichen Justizwesen und mit einer glaubwürdigen, unabhängigen Rechtsprechung nicht zu vereinbaren.

Versetzung in den Ruhestand zwingend erforderlich

Im Ergebnis führen die außerdienstlichen Äußerungen nach Einschätzung des Richterdienstgerichts zu einer schweren Beschädigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Person dieses Richters und seiner möglichen künftigen Urteile. Dies begründe die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtspflege und erfordere zwingend seine Versetzung in den Ruhestand.

Die Entscheidung des Dienstgerichts ist noch mit der Revision anfechtbar.

(LG Leipzig, Urteil v. 1.12.2022, 66 DG 2/22)

Hintergrund:

Unter Anwendung des Grundsatzes der Indemnität hatte das Richterdienstgericht des Landes Berlin die Versetzung einer der AfD angehörenden Richterin und ehemaligen AfD-Abgeordneten in den Ruhestand abgelehnt.

Völkische Gesellschaftsordnung im Bundestag gefordert

Die betroffene Richterin hatte nach Auffassung des Berliner Justizministeriums in Redebeiträgen im Plenum des Deutschen Bundestages mehrfach eine völkische Gesellschaftsordnung mit einem ethnokulturell homogenen Staatsvolk gefordert und habe öffentlich mit dem als Teilorganisation der AfD aufgelösten rechtsradikalen „Flügel“ sympathisiert.

Mitgliedschaft in der AfD hindert nicht an der Ausübung des Richteramtes

Da die seitens des Justizministeriums beanstandeten Äußerungen der AfD-Politikerin im Wesentlichen im Plenum des Bundestages gefallen waren, kam nach Auffassung des Richterdienstgerichts eine Versetzung in den Ruhestand unter Beachtung des Grundsatzes der Indemnität nicht in Betracht. Allein die Mitgliedschaft einer Richterin oder eines Richters in der als politische Partei zugelassenen AfD begründe noch nicht die Befürchtung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtspflege (VG Berlin als Richterdienstgericht des Landes Berlin, Urteil v. 13.10.2022, DG 1/22).

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