2.1.1.1 Betroffener Personenkreis

 

Rz. 7

Die Stichtagsregelung des Abs. 1 Satz 1 (gewöhnlicher Aufenthalt am 18.5.1990) und die Beschränkung auf vor dem 1.1.1937 geborene Versicherte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, und zwar weder wegen des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG noch wegen der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG.

 

Rz. 8

Die Sonderregelung gilt nur für Versicherte der Geburtsjahrgänge 1936 und früher. Für später Geborene scheidet eine Anwendung der Regelung aus; auch ergibt sich kein Raum für eine analoge Anwendung, hierfür fehlt es schlicht an der unbewussten Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat klar, zweifelsfrei und eindeutig zum Ausdruck gebracht, das FRG nur noch auf einen kleinen, in der Übergangsregelung in § 259a klar umrissenen Personenkreis anzuwenden (Bay. LSG, Beschluss v. 13.9.2021, L 13 R 282/21, Rz. 26 f.; hier ablehnend für einen 1949 geborenen Versicherten; zum Anwendungsbereich vgl. insoweit auch Bay. LSG, Urteil v. 26.11.2020, L 13 R 110/20, Rz. 32 f.). Die unterschiedliche Behandlung gegenüber später geborenen Versicherten verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 7.8.1997, L 2 Kn 151/96; BSG, Urteil v. 29.7.1997, 4 RA 56/95).

 

Rz. 9

Die nachträgliche Beschränkung der rentenrechtlichen Vertrauensschutzvorschrift des § 259a auf rentennahe Jahrgänge verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 13.12.2016, 1 BvR 713/13; mit Anm. von Moser, Kompass/KBS 2017, Nr. 3/4 S. 22, und von Merten, NJ 2017 S. 165).

 

Rz. 10

Die Regelungen der §§ 256a, 259a verstoßen daher insgesamt nicht gegen das GG (instruktiv SG Würzburg, Urteil v. 11.5.2017, S 3 R 472/15; im Anschluss an BSG, Urteil v. 14.12.2011, B 5 R 36/11 R; LSG Darmstadt, Urteil v. 18.1.2013, L 5 R 144/12 ZVW; LSG München, Urteil v. 29.9.2014, L 19 R 673/12, sowie LSG Berlin-Potsdam, Urteil v. 16.10.2014, L 17 R 444/13; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 6.5.2014, L 13 R 4388/12, im Anschluss an BSG, Urteil v. 14.12.2011, B 5 R 36/11 R).

 

Rz. 11

Entscheidend ist der gewöhnliche Aufenthalt (vgl. § 30 Abs. 3 SGB I) des Versicherten am 18.5.1990 (Unterzeichnung des Vertrages über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion) in den "alten" Bundesländern oder, falls er verstorben ist, der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Versicherten dort vor dem 19.5.1990 oder, falls er sich am 18.5.1990 im Ausland aufhielt, der gewöhnliche Aufenthalt unmittelbar vorher. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Person, für die die Rente gezahlt wird, kommt es nicht an. Auch vor dem 19.5.1990 in die BRD Zugezogene sind durch §§ 256a, 259a vom Anwendungsbereich des FRG ausgenommen und im Zuge der Angleichung der Lebensverhältnisse den allgemeinen Bewertungsvorschriften des einheitlichen Rentenrechts in beiden Teilen Deutschlands unterworfen worden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 17.9.2019, L 18 R 515/19).

 

Rz. 12

Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland am Stichtag 18.5.1990 kommt im Übrigen dennoch § 259a zur Anwendung, wenn der Versicherte vorher im alten Bundesgebiet seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; sofern ein Aufenthalt im Beitrittsgebiet gegeben war, kommen die §§ 256a bis 256c zur Anwendung (vgl. auch GRA der DRV zu § 259a SGB VI, Stand: 31.3.2015, Anm. 2.3 ff.)

 

Rz. 13

Wann die Rente – auch eine Hinterbliebenenrente – beginnt, ist unmaßgeblich.

 

Rz. 14

 
Praxis-Beispiel
 
Witwenrente steht zu ab 1.4.2001
Der am 12.5.1936 geborene Versicherte hatte seinen ­gewöhnlichen Aufenthalt am 18.5.1990
a) in Köln
b) in Dresden
Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet vor dem 19.5.1990 sind
im Fall a) nach § 259a und
im Fall b) nach §§ 256a ff.
zu bewerten. Wo die Witwe ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, ist ohne Bedeutung.
 

Rz. 15

Es reicht aus, wenn der Versicherte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet im Laufe des 18.5.1990 genommen hat (Übersiedlung aus der ehemaligen DDR in die alte Bundesrepublik also an diesem Tag). Unerheblich ist, ob der Versicherte danach seinen gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verlegt hat oder wieder in das Beitrittsgebiet zurückgekehrt ist.

2.1.1.2 Entgeltpunkte nach den Anlagen 1 bis 16 zum FRG

 

Rz. 16

Abweichend von §§ 256a bis 256c werden Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet vom 9.5.1945 bis 19.5.1990 FRG-Tabellenentgelte (Anl. 1 bis 16 nach dem Stand vom 30.6.1990) zugeordnet, aus denen die Entgeltpunkte zu ermitteln sind.

Das entspricht der Bewertung bestimmter Pflichtbeitragszeiten im Rahmen von § 256b Abs. 1, die bei der Rente ebenfalls mit FRG-Tabellenwerten berücksichtigt werden.

Die Tabellenwerte spiegeln die damalige Einkommenssituation in den alten Bundesländern wider, sodass die Beträge nicht mit den Faktoren der Anl. 10 zum SGB VI hochzuwerten sind (vgl. § 256a Abs. 1).

 

Rz. 17

Die Einstufung in eine der FRG-Leistungsgruppen richtet sich nach der beruflichen Qualifikation des Versicherten (vgl. hierzu die Komm. zu § 256b).

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