Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Bewertung von vor dem 19.5.1990 in der ehemaligen DDR zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten von nach dem 31.12.1936 geborenen Versicherten mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet am 18.5.1990

 

Leitsatz (amtlich)

Für vor dem 19.5.1990 in die Bundesrepublik übergesiedelte ehemalige DDR-Bürger ab Geburtsjahrgang 1937 werden Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach §§ 256aff SGB VI und nicht nach dem FRG ermittelt. Auch eine historische Auslegung des am 1.1.1992 in Kraft getretenen RÜG führt zu keinem anderen Ergebnis.

 

Orientierungssatz

Die Regelungen der §§ 256a, 259a SGB 6 verstoßen nicht gegen das GG (Anschluss an BSG vom 14.12.2011 - B 5 R 36/11 R = SozR 4-2600 § 248 Nr 1; vgl LSG Darmstadt vom 18.1.2013 - L 5 R 144/12 ZVW, LSG München vom 29.9.2014 - L 19 R 673/12 sowie LSG Berlin-Potsdam vom 16.10.2014 - L 17 R 444/13).

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um eine höhere Altersrente für den Kläger im Wege eines Überprüfungsverfahrens unter Berücksichtigung von in der ehemaligen DDR (Beitrittsgebiet) zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG).

Der 1938 in Oppeln geborene Kläger ist gelernter Finanztechniker, er war zunächst in Polen als Buchhalter und nach seiner Ausreise in die DDR am 17.01.1969 dort als Preissachbearbeiter und Produktionsplaner bzw. Leiter der Produktionsplanung beschäftigt. Er gehörte der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) an. Am 20.10.1988 reiste der Kläger in die Bundesrepublik ein. Am 18.05.1990 hatte er seinen Wohnsitz in A-Stadt, Bayern. Der Kläger ist Inhaber eines Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge A mit C-Vermerk (Sowjetzonenflüchtling).

Mit Bescheid vom 12.11.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.01.2003 in Höhe von monatlich 1036,91 €. Die Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet wurden durch eine Vervielfältigung der Verdienste und eine Teilung durch das Durchschnittsentgelt für das entsprechende Kalenderjahr gemäß § 256a SGB VI ermittelt. Die Regelungen des FRG kamen für im Beitrittsgebiet zurückgelegte Versicherungszeiten des Klägers nicht zur Anwendung. Entsprechend wurde im Bescheid mitgeteilt, dass die seinerzeit im Anerkennungsbescheid vom 01.09.1989 und im Versicherungsverlauf vom 02.11.1989 für Zeiten vor dem 19.05.1990 im Beitrittsgebiet zu Grunde gelegten Tabellenwerte nach dem FRG nunmehr nach dem Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993 (RÜ-ErgG) nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Mit Bescheid vom 12.06.2003, geändert durch Bescheid vom 07.11.2003, wurde die Rente des Klägers ab 01.01.2003 auf monatlich 1071,44 € neu festgesetzt, weil Zeiten des Klägers nach dem BerRehaG (Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet) hinzugekommen waren.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 08.08.2013 an die Beklagte und beantragte die Neufestsetzung seiner Rente unter Zugrundelegung des Fremdrentengesetzes auch für seine im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten. Die nachträgliche Zurückstufung von DDR-Flüchtlingen aus dem FRG in das RÜG (Renten-Überleitungsgesetz) sei rechtsstaatlich nicht legitim.

Mit Bescheid vom 27.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Änderung der Bewertung der anerkannten Zeiten in der ehemaligen DDR ab. Tatsächlich seien die in Polen zurückgelegten Zeiten vom 10.12.1956 bis zum 12.12.1968 nach dem Fremdrentengesetz zu bewerten, während die Zeiten im Beitrittsgebiet vom 01.02.1969 bis zum 04.08.1988 nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 256a SGB VI zu bewerten seien. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 15.01.2015 wiederholte der Kläger seinen Antrag aus 2013 mit dem Ziel einer Neuberechnung seiner Rente unter Berücksichtigung seiner rentenrechtlichen Zeiten in der DDR nach dem Fremdrentengesetz und legte dazu mehrere Unterlagen vor. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte mit dem - im hiesigen Verfahren streitgegenständlichen - Bescheid vom 11.03.2015 ab.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 21.03.2015 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2015 als unbegründet zurück.

Gegen diese Verwaltungsentscheidungen richtet sich die am 05.05.2015 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage.

In zahlreichen Schriftsätzen, ebenso wie im Erörterungstermin vor der damals noch zuständigen 2. Kammer am 13.06.2016, führt die Klägerseite nachdrücklich und unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien zum Renten-Überleitungsgesetz aus, dass das RÜG sich nur auf diejenigen Personen beziehe, denen überhaupt noch Rentenansprüche gegen das Beitrittsgebiet zustanden, nicht dagegen auf die Personen, die bis zum Stichtag 18.05.1990 von der DDR in die alte Bundesrepublik übergesiedelt oder geflohen waren und dadurch ihre Rentenansprüche gegen die Rentenversorgung des Beitrittsgebiets verlo...

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