Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall während des Ausgangs. private Lebensführung

 

Leitsatz (redaktionell)

1* Ein Unfall während eines Ausgangs in der dienstfreien Zeit, welche der Soldat nach eigenem Belieben gestalten kann, ist kein Dienstunfall. Das Wesen solcher Freizeit ist gerade die Befreiung von Dienstpflichten und damit von den Bindungen, denen der Soldat im Dienst durch die Befehlsgewalt seiner Vorgesetzten unterworfen ist (vergleiche BSG 1958-02-26 9 RV 314/54 = BSGE 7, 19 und BSG 1958-03-18 10 RV 415/55 = BSGE 7, 75 und BSG 1960-04-06 9 RV 652/57 = BSGE 12, 78, 79 und BSG 1960-08-23 9 RV 1226/57 = SozR Nr 50 § 1 BVG und BSG 1970-01-29 8 RV 91/68 = SozR Nr 80 § 1 BVG und BVerwG 1967-09-28 8 C 44. 65 = BVerwGE 28, 18). Überhaupt stellen alle Tätigkeiten eines Soldaten, die der privaten Lebensführung zuzurechnen sind, zB freiwilliges Alkoholtrinken im Kameradenkreis, keine Dienstausübung dar, (vergleiche BSG 1963-01-18 11 RV 1548/60 = BSGE 18, 199).

 

Normenkette

SVG § 80 Fassung: 1957-07-26, § 81 Abs. 1 Fassung: 1957-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 1972 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Ihr Ehemann, der Verwaltungsangestellte Adolf L (L.), ist am 30. Januar 1944 um 18 Uhr 30 in M (Jugoslawien) im Alter von 35 Jahren tödlich verunglückt. An diesem Tage hatte die Einheit, der er als Unteroffizier angehörte, dienstfrei, nachdem am Vormittag eine Feier zum Gedenken an die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (30. Januar 1933) stattgefunden hatte. Viele Soldaten der Einheit unternahmen nachmittags kleinere Spaziergänge. Auch L. war mit drei Kameraden unterwegs. Auf dem Heimweg wurde er kurz vor der Unterkunft auf der Straße von einem Wehrmachts-Lastkraftwagen angefahren; der Tod trat auf der Stelle ein (Todesnachricht des Einheitsführers). Das Strafverfahren gegen den Fahrer des Wagens wurde mangels fahrlässigen Verhaltens eingestellt. Nach der Einstellungsverfügung des Gerichts der 118. Jägerdivision wurde der Unfall darauf zurückgeführt, daß L. infolge trunkenen Zustandes gegen den vorbeifahrenden Lastkraftwagen getorkelt, vom Hinterrad erfaßt und überfahren worden sei. In der Einstellungsverfügung ist folgende Unfallschilderung des Fahrers wiedergegeben: Auf der Fahrt nach M seien auf der linken Straßenseite zwei Gruppen von Soldaten gegangen, denen er ein Signal gegeben habe und mit einer Geschwindigkeit von 7 bis 8 km in der Stunde scharf nach rechts ausgewichen sei. Hinter der zweiten Gruppe sei er von Insassen seines Fahrzeuges über den Unfall verständigt worden. L. und seine Kameraden hatten nach deren Aussagen in verschiedenen Lokalen gezecht. Die Blutprobe bei L. ergab 261 mg % Alkohol im Blut. Die Landesversicherungsanstalt Hessen-Pfalz - Abteilung Versorgung - lehnte einen Versorgungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 26. März 1947). Unter Hinweis darauf erklärte die Klägerin einen 1950 gestellten Antrag als erledigt. Einen Zugunstenbescheid nach § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG), den die Klägerin im Februar 1969 beantragte, lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) unter Hinweis auf die als richtig beurteilte Entscheidung vom 26. März 1947 ab (Bescheid vom 29. April 1969). Auf den Widerspruch hob das Landesversorgungsamt diesen Bescheid auf, weil die Entscheidung, daß der Unfall des Ehemannes keine Wehrdienstbeschädigung darstelle, nicht nach § 85 BVG rechtsverbindlich sei (Bescheid vom 3. Oktober 1969). Darauf lehnte das VersorgA eine Versorgung nach dem BVG mit der Begründung ab, der Unfall habe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit dem Wehrdienst gestanden (Bescheid vom 27. Oktober 1969). Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 30. Dezember 1969). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab, mit der die Klägerin Versorgung ab 1. Februar 1969 begehrte (Urteil vom 30. April 1971). Die Berufung, mit der die Klägerin Versorgung ab 1. Oktober 1950 anstrebte, blieb erfolglos (Urteil vom 21. Januar 1972). Das Landessozialgericht (LSG) verneinte einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Tod des L. und einer militärischen Dienstverrichtung, einem Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes sowie den diesem Dienst eigentümlichen Verhältnissen. Die Freizeit, in der sich der Unfall ereignet habe, gehöre grundsätzlich nicht zum militärischen Dienst. Im vorliegenden Fall seien keine Ausnahmen erkennbar; ein dienstliches Interesse an der Gestaltung der Freizeit, insbesondere am Ausgang der Soldaten, sei nicht ersichtlich. Es bestehe kein Anhalt für einen Fronteinsatz dieser Truppe und eine dadurch bedingte ständige Dienst- und Kampfbereitschaft aller Soldaten während der Freizeit. Der Verstorbene habe ohne dienstliche Anordnung freiwillig seine Unterkunft verlassen. Der Ausgang während der Freizeit sei nicht erkennbar auf bestimmte Gegenden oder Lokale des Standortes beschränkt gewesen. Der frei bestimmte Rückweg zur Unterkunft habe nicht mit dem Dienst, sondern mit dem frei gewählten Ort, an dem L. die Freizeit verbracht hatte, zusammengehangen. Der Unfall in Metkovic habe sich auch nicht unter den dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnissen, sondern unter solchen ereignet, die von denen des zivilen Lebens nicht sonderlich abgewichen seien. Eine besondere, durch starken Verkehr von Wehrmachtsfahrzeugen bedingte Gefahrenlage habe den Unfall nicht wesentlich bedingt. Ein übermäßiger Alkoholgenuß in der Freizeit sei im vorliegenden Fall ebensowenig wie ein mäßiger besonderen Umständen des Wehrdienstes im besetzten Jugoslawien zuzurechnen. Vielmehr habe gerade ein militärisches Interesse daran bestanden, daß sich die Soldaten, zumal Unteroffiziere, tagsüber diszipliniert in der Öffentlichkeit verhielten. L. sei auch nicht als Familienvater durch besondere Umstände wie einen unmittelbar bevorstehenden Frontdienst, familiäre Sorgen infolge langer Trennung oder Verhältnisse im Kameradenkreis zu übermäßigem Trinken veranlaßt worden. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung der §§ 1 und 38 BVG. Im Besatzungsgebiet außerhalb der früheren Reichsgrenzen müsse auch während einer kurzen Freizeit das Fortbestehen des militärischen Dienstes angenommen werden, weil die besondere militärische Lage die ständige Dienst- und Kampfbereitschaft aller Soldaten erfordert habe. Der vom Dienst befreite Soldat habe sich nicht frei und nach eigenem Willen verhalten und bewegen können, zumal er jederzeit mit einem feindlichen Angriff oder plötzlichen Partisanenüberfall habe rechnen müssen. Daher habe sich die besondere Fürsorgepflicht und Verantwortung der Truppeneinheit auf die Dienstbefreiung im Anschluß an einen militärischen Einsatz erstreckt. Anderenfalls sei der reichliche Alkoholgenuß in der freien Zeit als militärdiensteigentümlich anzusehen. Denn die Soldaten hätten infolge der Trennung von ihren Familien sowie der ständigen Gefahr von Fronteinsätzen und Partisanenüberfällen in kurzen Kampf- und Einsatzpausen mehr als in der Heimat und im Zivilleben nach vorübergehender körperlicher und geistiger Lösung von den Belastungen des Dienstes verlangt, und ein erhöhter Alkoholkonsum in der Freizeit sei nicht nur allgemein üblich gewesen, sondern auch durch die Zuteilung von Marketenderware gefördert worden.

Außerdem sei der Alkoholausschank an Soldaten im Besatzungsgebiet - anders als im Zivilleben - keinerlei Beschränkungen unterworfen gewesen. Die ausländischen Gastwirte hätten sich nicht verpflichtet gefühlt, nicht mehr verträgliche Alkoholmengen zu verweigern, wie dies in der Heimat gehandhabt werde. Schließlich hätten die Kameraden den Unfall vermeiden können, wenn sie kraft ihrer Fürsorgepflicht L. verkehrsgeschützt in die Unterkunft gebracht hätten; sie seien dazu im Besatzungsgebiet verpflichtet gewesen, weil L. sich dort - anders als im Zivilleben - nicht durch einen Mietwagen oder durch Familienangehörige oder durch Bekannte hätte zurückfahren lassen können. Im übrigen verweist die Klägerin auf ihr früheres schriftliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Januar 1972 und des Urteils des Sozialgerichts Speyer vom 30. April 1972 sowie des Bescheides des Versorgungsamtes Mainz vom 27. Oktober 1969 idF des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes Rheinland-Pfalz vom 30. Dezember 1969 den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab Antragsmonat Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er bezieht sich im wesentlichen auf das angefochtene Urteil.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber sachlich nicht begründet. Das LSG hat mit Recht die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG als unbegründet zurückgewiesen.

Da eine neue Entscheidung über einen Versorgungsanspruch der Klägerin nach dem BVG angefochten ist, hatten die Gerichte in diesem Verfahren ungeachtet einer Rechtsverbindlichkeit des Bescheides vom 26. März 1947 den geltend gemachten Anspruch in vollem Umfang zu prüfen (BSG 20, 266, 267). Die Versorgungsverwaltung hat im Ergebnis zutreffend der Klägerin keine Hinterbliebenenversorgung nach § 1 Abs. 5 i. V. m. § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG gewährt; denn der Ehemann der Klägerin ist nicht an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG verstorben.

Da selbst nach dem Vorbringen der Klägerin der Tod des L. nicht durch eine militärische Dienstverrichtung (BSG 8, 264, 267 f; 10, 251, 254; 18, 199, 200; 20, 266, 268) verursacht worden ist, war nur ein ursächlicher Zusammenhang mit einem Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes und mit den diesem Dienst eigentümlichen Verhältnissen zu prüfen. Der Unfall, der den Tod herbeigeführt hat, ist keinem dieser beiden durch § 1 Abs. 1 BVG geschützten Schädigungstatbestände zuzurechnen.

Ein Unfall in diesem Sinn braucht nur im zeitlichen Zusammenhang mit der "Ausübung" des Dienstes gestanden zu haben; dagegen genügt nicht ein Zusammenhang mit der bloßen Zugehörigkeit zur Wehrmacht, d. h. mit dem Dienstverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Buchst. a BVG, insbesondere mit einer dienstfremden Tätigkeit (BSG 7, 19, 21, 22, 24; 8, 264, 271 ff; 12, 78, 79; 26, 4, 5 f; BVBl 1971, 59). Der Soldat übt in diesem Sinn Dienst aus, solange er Dienstverrichtungen vornimmt oder sich zur Entgegennahme von Weisungen bereithält (BSG 12, 78, 79; SozR Nr. 80 zu § 1 BVG). Der Unfall, durch den L. getötet worden ist, ereignete sich nicht während der Ausübung seines Dienstes, sondern nach der tatsächlichen Feststellung des LSG, die die Revision nicht angegriffen hat und die daher für das Revisionsgericht verbindlich ist (§ 163 SGG), während eines Ausganges in der dienstfreien Zeit, die die Soldaten nach eigenem Belieben gestalten konnten. Das Wesen solcher Freizeit ist gerade die Befreiung von Dienstpflichten und damit von den Bindungen, denen der Soldat im Dienst durch die Befehlsgewalt seiner Vorgesetzten unterworfen ist (BSG 7, 19, 24; 7, 75, 76; 12, 78, 79; SozR Nr. 50 und 80 des § 1 BVG; BVerwG 28, 18; zur "Alarmbereitschaft"). Überhaupt stellen alle Tätigkeiten eines Soldaten, die der privaten Lebensführung zuzurechnen sind, zB freiwilliges Alkoholtrinken im Kameradenkreis, keine Dienstausübung dar (BSG 18, 199, 200 f). L. hatte nicht etwa vor dem Unfall an einer von der Truppe organisierten Kameradschaftsveranstaltung teilgenommen, die als Dienstverrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BVG anzusehen wäre (BSG 8, 264, 267 f; SozR Nr. 50 zu § 1 BVG). Die Dienstbefreiung, von der die Klägerin selbst ausgeht, könnte im Front- und Besatzungsgebiet außerhalb der früheren Grenzen des Deutschen Reiches allenfalls unter tatsächlichen Verhältnissen, die im vorliegenden Fall nicht gegeben waren, als "Dienst" beurteilt werden. Nach der nicht substantiiert angegriffenen und daher für den Senat verbindlichen Feststellung des LSG waren zur Zeit des Ausganges, bei dem L. tödlich verunglückt ist, nicht alle Soldaten dieser Besatzungstruppe ohne besondere Befehle in ständiger Einsatz- und Kampfbereitschaft, wie sie beim Dienst an der Front oder unter ähnlichen Verhältnissen in einem von plötzlichen Partisanenüberfällen ständig bedrohten Gebiet geboten zu sein pflegt (BSG 8, 264, 267 f). Ob eine besondere Fürsorgepflicht und Verantwortung der Truppenführung für die Soldaten unter den Umständen einer üblichen Besatzung, wie sie hier gegeben war, sich im allgemeinen auch auf die Freizeit erstreckte, ist für die rechtliche Beurteilung dieses Falles unerheblich. Entscheidend für die Beziehung zu dem Unfallgeschehen war vielmehr die wesentliche Auswirkung der Dienstbefreiung, daß die Soldaten nach dem Bericht des Einheitsführers, den das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, jedenfalls, wie es L. auch getan hat, außerhalb ihrer Unterkunft ihre Zeit nach Belieben verbringen durften. Nach den ebenfalls nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen war der Ausgang nicht auf bestimmte Bereiche oder Gastwirtschaften des Ortes beschränkt.

Der Rückweg des L. und seiner Kameraden zur Unterkunft in Metkovic war auch nicht als ein mit dem Dienst zusammenhängender Weg nach der Dienststelle versorgungsrechtlich geschützt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVG in der seit dem 2. Neuordnungsgesetz - NOG - vom 21. Februar 1964 - BGBl I 85 - geltenden Fassung). Der Unfall des L. auf dem Rückweg vom Ausgang zur Unterkunft ereignete sich nicht während der Dienstausübung in diesem Sinn. Dieser Weg diente nicht militärischen Zwecken, sondern bildete eine Einheit mit dem Weg von der Unterkunft zum Urlaubsziel, der der Freizeit zuzurechnen war (BSG 7, 243, 246 f; 12, 78, 80).

Aus diesem Grund ist der von Soldaten pflichtgemäß zurückzulegende Rückweg zur dienstlichen Unterkunft von einem nicht bei der Familie verbrachten Ausgang auch nicht als wehrdiensteigentümlich im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG zu beurteilen (BSG 7, 75, 77; 12, 78, 79 f). Dem militärischen Dienst eigentümlich in diesem Sinn sind solche Verhältnisse, die denen des zivilen Lebens in der Regel fremd, dagegen für die Eigenart dieses Dienstes typisch und im allgemeinen zwangsläufig mit ihm verbunden sind (BSG 10, 251, 255; 18, 199, 201; 20, 266, 269 f; 22, 118, 119; 26, 4, 6; SozR Nr. 80 zu § 1 BVG). Unter solchen Umständen ist L. nicht ums Leben gekommen. Weder die Tatsache, daß er unter ein Wehrmachtsfahrzeug geriet, noch der Alkoholgenuß, der nach der Beurteilung in der Einstellungsverfügung den Unfall entscheidend verursacht haben soll, waren dem Wehrdienst eigentümlich (BSG 20, 266, 270). Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge ordnungsmäßig angegriffenen Feststellungen des LSG wurde L. zum übermäßigen Alkoholkonsum weder durch die Trennung von der Familie noch durch den Dienst außerhalb der Heimat noch durch ständige Gefahren eines Fronteinsatzes oder von Partisanenüberfällen veranlaßt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf ein übliches Verhalten von Soldaten im Ausland verweist, wozu im übrigen tatsächliche Feststellungen fehlen und keine Beweismittel angegeben worden sind, ist dies nicht rechtserheblich. Nicht alles, was unter Soldaten "üblich" ist, kann als wehrdiensteigentümlich im Sinn des § 1 Abs. 1 BVG bewertet werden; vielmehr muß es zwangsläufig mit besonderen, vom Zivilleben unterschiedenen Verhältnissen zusammengehangen haben (BSG 18, 199, 202; 20, 266, 170; BVBl 1971, 59). Ein Aufenthalt von Soldaten in einer Kasernenkantine, der unter besonderen Umständen als wehrdiensteigentümlich zu bewerten sein mag (BSG SozR Nr. 80 zu § 1 BVG), war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das LSG hat auch nicht festgestellt, daß L. vor dem Unfall Alkohol aus Marketenderbeständen genossen hätte, dessen Austeilung dem militärischen Dienst eigentümlich gewesen sein könnte. Ebenso fehlt es an der Feststellung, daß die Gastwirte, bei denen L. an seinem Todestag getrunken hatte, als Einwohner des Besatzungsgebietes ihn absichtlich nicht vom übermäßigen Trinken abgehalten hätten, daß hingegen üblicherweise Gastwirte im Zivilleben und während des Krieges in der Heimat dazu verpflichtet gewesen wären und dies auch tatsächlich getan hätten. Dem LSG hat es sich nicht aufdrängen müssen, Näheres darüber zu ermitteln. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß im Zivilleben die Gastwirte stets oder wenigstens regelmäßig die Trunkenheit ihrer Gäste verhinderten, ist nicht bekannt. Eine Unzahl von Verkehrsunfällen spricht dagegen. Das LSG hat mit Recht als wehrdiensteigentümlichen Umstand, der gerade dem Klageanspruch entgegensteht, bewertet, daß L. als Unteroffizier aus militärischem Interesse im Ausland nachmittags und in den frühen Abendstunden nicht angetrunken in der Öffentlichkeit hätte auftreten dürfen. Das wird von der Revision auch nicht angegriffen. Schließlich kann nicht das Verhalten der Kameraden, die gemeinsam mit L. ausgegangen waren, als wehrdiensteigentümliche Ursache des Unfalles beurteilt werden. Diese Kameraden waren nicht aufgrund der gemeinsamen Zugehörigkeit zur selben militärischen Gruppe verpflichtet, L. vom übermäßigen Trinken oder vom Rückweg in einem verkehrsunsicheren Zustand abzuhalten oder auf der Straße vor plötzlichem Torkeln gegen den überholenden Lastkraftwagen zu bewahren; und eine Verletzung dieser Verpflichtung wäre nicht wehrdiensteigentümlich gewesen. Eine solche Pflicht der Begleiter wäre jedenfalls nicht stärker gewesen als die Pflicht des Unteroffiziers L., sich auf der Straße ordnungsmäßig zu verhalten, gesundheitliche Schäden zu vermeiden und für den Rückweg alles zu unterlassen, was dem entgegenstehen konnte. Durch einen Mietwagen hätte sich L. im Januar 1944 auch nicht als Zivilist in Deutschland abholen lassen können. Mangels entsprechenden Vorbringens der Klägerin hat das LSG nicht aufzuklären brauchen, ob L. sich wegen wehrdienstbedingter Besonderheiten - anders als im Zivilleben - nicht von einem nüchternen Soldaten sicher zur Unterkunft hätte begleiten lassen können.

Da weder ein Unfall in Ausübung des militärischen Dienstes noch dem Dienst eigentümliche Verhältnisse als Todesursachen in Betracht kommen, hat das LSG zutreffend nichts Näheres über den Alkoholgenuß tatsächlich festgestellt und dessen Auswirkungen nicht rechtlich (BSG 10, 46, 50; 19, 139; SozR Nr. 73 zu § 1 BVG) geprüft.

Das frühere Vorbringen, auf das in der Revisionsbegründung verwiesen wird, ist unbeachtlich (BSG 6, 269).

Nach alledem muß die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670526

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