Leitsatz (amtlich)
1. Der Unfall, den ein Soldat im zweiten Weltkrieg während eines Sonntagsurlaubs auf dem Rückweg vom Urlaubsort zur Truppenunterkunft erlitten hat, ist in der Regel nicht ein Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes BVG § 1 Abs 1. Er ist auch nicht allein deshalb, weil der Urlaubsort außerhalb des Standortes lag, auf die "dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse" BVG § 1 Abs 1 ursächlich zurückzuführen.
2. Die nach BVG § 92 Abs 2 erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des BVG können, soweit sie über den Rahmen der gesetzlichen Vorschriften hinausgehen, durch ständige Verwaltungsübung nicht auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes GG Art 3 Abs 1 wie Rechtsnormen verbindlich werden.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 92 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 1. April 1955 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenrente, weil ihr Ehemann, der als Soldat einer auf dem Truppenübungsplatz Neuhammer gelegenen Wehrmachtseinheit angehört hatte, am 15. April 1940 tödlich verunglückt ist. Das Versorgungsamt I Berlin wies den Antrag der Klägerin vom 21. August 1950 sowohl nach den Vorschriften des Berliner Versorgungsgesetzes vom 24. Juli 1950 (KVG) als auch nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) mit Bescheid vom 13. Mai 1952 ab. Nach der Entscheidung des Landesversorgungsamts Berlin vom 14. März 1953 blieb der Einspruch der Klägerin erfolglos. Auf ihre Klage hob das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 18. August 1954 die Verwaltungsbescheide auf und verurteilte den Beklagten, der Klägerin vom 1. Juli 1950 an Witwenrente zu gewähren. Nach den Ausführungen in diesem Urteil ist der Ehemann der Klägerin, dem Sonntagsurlaub nach T. erteilt war, auf dem Heimweg von dort zur Truppenunterkunft bei dem Versuch, auf einen fahrenden Eisenbahnzug aufzuspringen, am 14. April 1940 gegen 23,30 Uhr tödlich verunglückt. Das Sozialgericht nahm an, der Ehemann der Klägerin habe den Unfall während der Ausübung militärischen Dienstes erlitten, da der Sonntagsurlaub in zeitlicher und örtlicher Verbindung mit dem Dienst gestanden und einem mittelbaren dienstlichen Interesse entsprochen habe.
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein und machte geltend, daß ein während des Urlaubs auf der Hin- oder Rückreise erlittener Unfall nicht als ein Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes anzusehen sei. Das Landessozialgericht folgte zwar dieser Rechtsansicht, wies jedoch die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 1. April 1955 aus dem Grunde zurück, weil nach den Verwaltungsvorschriften Nr. 5 zu § 1 BVG alle Schädigungen, die im zweiten Weltkrieg auf dem Wege nach einem außerhalb des Standorts oder der Ortsunterkunft gelegenen Urlaubsziel oder auf dem Rückweg erlitten sind, als durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt gelten. Ein solcher Fall liege hier vor. "Wenn die Behörde gleichwohl der Klägerin Hinterbliebenenversorgung vorenthält, so stellt sie sie schlechter, als sie nach der Verwaltungsübung gestellt werden darf. Die Behörde verstößt damit gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit, mit der sie alle Antragsteller behandeln muß."
Das Landessozialgericht hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 26. April 1955 zugestellte Urteil Revision eingelegt. Die Revisionsschrift ist am 17. Mai 1955 und die Revisionsbegründungsschrift am 3. Juni 1955 beim Bundessozialgericht eingegangen. Der Beklagte hat beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 1. April 1955 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. August 1954 aufzuheben und die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 13. Mai 1952 abzuweisen,
hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Er rügt, daß der Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht erschöpfend sei. Das Landessozialgericht habe nur folgende Feststellungen getroffen: "Der Ehemann der Klägerin war im Kriege als Soldat auf dem Truppenübungsplatz Neuhammer. Er wurde am 15. April 1940 tot an der Bahnstrecke Neuhammer-Sagan zwischen Loos und Tschiebsdorf aufgefunden. Tags zuvor hatte er Sonntagsurlaub." Tatsächlich sei aber weiter bekannt, daß der Verstorbene bei dem Versuch, auf einen fahrenden Eisenbahnwagen zu springen, verunglückte. In der unterlassenen Feststellung der Todesursache, welche für die rechtliche Beurteilung von wesentlicher Bedeutung sei, müsse ein wesentlicher Verfahrensmangel gesehen werden.
In sachlicher Beziehung tritt der Beklagte der Ansicht des Landessozialgerichts bei, daß die Rückkehr vom Sonntagsurlaub nicht als eine Ausübung militärischen Dienstes angesehen werden könne und ein dabei erlittener Unfall nicht als Schädigung im Sinne des BVG gelte. Die Verwaltungsvorschriften Nr. 5 zu § 1 BVG seien selbst keine verbindlichen Rechtsnormen. Auch die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dürfe nicht dazu führen, einen vom Gesetz normierten Tatbestand zu erweitern. Die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes setze aber auch voraus, daß die Verwaltungsbehörde entsprechend den Verwaltungsvorschriften Unfälle während der Hin- und Rückfahrt vom Sonntagsurlaub ständig als Unfälle anläßlich militärischen Dienstes anerkannt habe. Das sei jedoch nicht der Fall. Schließlich sei der Unfall selbst dann, wenn eine Urlaubsfahrt im allgemeinen als militärischer Dienst anzusehen sei, nicht auf diesen Dienst, sondern auf das eigene Verschulden des Ehemannes der Klägerin zurückzuführen; er sei verunglückt, als er in der Dunkelheit auf einen fahrenden Zug aufzuspringen versuchte.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Urlaubsfahrt eines Soldaten nach einem Ort außerhalb des Standorts für militärischen Dienst und daher den Unfall ihres Ehemannes für einen Unfall, der sich während der Ausübung militärischen Dienstes ereignete. Sie ist der Ansicht, daß in jedem Fall aber die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes die vom Landessozialgericht getroffene Entscheidung rechtfertige, und zwar auch dann, wenn die Verwaltungsvorschriften nicht im Lande Berlin im Sinne des angefochtenen Urteils angewandt worden seien. Die Anwendung der Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitsgrundsatz sei bereits dann gerechtfertigt, wenn die Verwaltungsvorschriften im übrigen Bundesgebiet tatsächlich angewendet worden seien. Die Klägerin hält den Umstand, daß der Unfall von ihrem Ehemann möglicherweise durch Unvorsichtigkeit, Fahrlässigkeit, Leichtsinn oder Trunkenheit verschuldet worden sei, für rechtlich unerheblich.
Die form- und fristgerecht eingelegte Revision (§ 164 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist statthaft, weil sie zugelassen ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die somit zulässige Revision ist auch begründet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der vom Beklagten zunächst gerügte Verfahrensmangel (nicht "erschöpfender" Tatbestand) vorliegt und ob auf diesem Mangel das angefochtene Urteil beruht.
Die Revision ist jedenfalls deshalb begründet, weil das Landessozialgericht das materielle Recht nicht richtig angewendet hat. Für den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente ist gemäß § 38 BVG Voraussetzung, daß ihr Ehemann an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Auf eine solche Schädigung im Sinne des § 1 BVG ist der Tod dann zurückzuführen, wenn der Beschädigte die zum Tode führende Schädigung durch eine militärische Dienstverrichtung, durch einen Unfall während der Ausübung militärischen Dienstes oder durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse erlitten hat. Zutreffend ist das Landessozialgericht davon ausgegangen, daß die Hin- und Rückfahrt zu einem Ziel außerhalb des Standortes während des Sonntagsurlaubs grundsätzlich nicht als Ausübung militärischen Dienstes anzusehen ist. Das Wesen des Urlaubs ist gerade die Befreiung vom militärischen Dienst. Diese Befreiung setzt mit dem Beginn des Urlaubs ein. Es kann daher jede innerhalb des Urlaubs ausgeübte Tätigkeit nicht mehr militärischer Dienst sein, folglich auch nicht die Fahrt oder das Verhalten auf der Fahrt nach und von einem außerhalb des Standorts gelegenen Urlaubsziel. Diesen Grundsatz hat bereits das frühere Reichsversorgungsgericht in seiner Rechtsprechung zu § 3 des Mannschaftsversorgungsgesetzes von 1906 und zu § 2 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG), die einen dem § 1 Abs. 1 BVG ähnlichen Wortlaut hatten, vertreten (RVG 1 S. 95 Nr. 46; 2 S. 224 Nr. 102; 2 S. 34 Nr. 10; 2 S. 118 Nr. 46; 8 S. 127 Nr. 33. Vgl. auch Arendts RVG, 2. Aufl., § 2 Anm. 1 S. 24 und Ausführungsbestimmungen zu § 2 RVG 2 Abs. 4 im Handbuch der Reichsversorgung). Dies schließt nicht aus, daß im Einzelfall eine Urlaubsfahrt oder eine Tätigkeit während des Urlaubs eine Ausübung militärischen Dienstes darstellt. Darauf weist mit Recht der 11. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 14. Januar 1958 - 11/8 RV 887/55 - hin. So werden Urlaubsfahrten selbst oder Tätigkeiten während des Urlaubs dann militärischer Dienst sein, wenn ihnen ein besonderer Befehl zugrunde liegt. Das kann bei Fahrten zur Wiederherstellung der Gesundheit oder zur Erholung der Fall sein. Handelt es sich aber nicht um Fahrten auf Befehl, sondern lediglich auf Antrag und auf Grund einer dem Beschädigten erteilten Erlaubnis, so ist die Fahrt selbst nicht Ausübung eines Befehls und kann mithin auch nicht als militärischer Dienst angesehen werden. Eine Verletzung durch einen Unfall auf der Fahrt ist in solchen Fällen weder "durch eine militärische Dienstverrichtung" noch "während der Ausübung militärischen Dienstes" eingetreten.
In vielen Fällen wird allerdings eine Urlaubsfahrt nach einem Ort außerhalb des Standortes "durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse" bedingt sein, und zwar regelmäßig dann, wenn der Urlaub des Soldaten den Besuch der Familie bezweckt. Das dem militärischen Dienst Eigentümliche im Krieg und auch im Frieden ist, daß der Dienst in den meisten Fällen an einem anderen Ort als am Aufenthaltsort der Familie zu leisten ist. Soll die Erholung, die Wiederherstellung der Gesundheit, die Regelung von Privatangelegenheiten oder Ähnliches daher in der Familienwohnung oder am Aufenthaltsort der Familie erfolgen, so wird die Fahrt dorthin und zurück regelmäßig durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt sein. Unter dieser Voraussetzung kann die Fahrt wiederum Ursache für einen Unfall sein, der sich auf der Fahrt ereignet. Insoweit sind gegen die Verwaltungsvorschriften Nr. 5 zu § 1 BVG keine rechtlichen Bedenken zu erheben, als sie Unfälle auf Urlaubsreisen als Schädigung im Sinne des Gesetzes gelten lassen wollen, wenn die Reise durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt ist. Die Verwaltungsvorschriften erweitern jedoch in unzulässiger Weise das Gesetz, wenn sie uneingeschränkt jeden Urlaubsweg, der nach einem Ort außerhalb des Standortes führt, sowie den Rückweg, als durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt angesehen wissen wollen, auch wenn dies im Einzelfall tatsächlich nicht zutrifft. Insoweit stehen sie im Widerspruch zum Gesetz, ganz zu schweigen davon, daß ihre Beschränkung auf Vorgänge während des zweiten Weltkrieges einen sachlichen Grund nicht erkennen läßt.
Ob im vorliegenden Fall die Fahrt des Ehemannes der Klägerin während des Sonntagsurlaubs durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt war, das heißt insbesondere, ob das Ziel des Sonntagsurlaubs der Besuch der Familie gewesen ist, hat das Landessozialgericht nicht festgestellt. Allein deswegen, weil das Ziel des Urlaubs ein Ort außerhalb des militärischen Standortes gewesen ist, war die Fahrt jedenfalls nicht durch den militärischen Dienst bedingt. Sowohl Soldaten als auch die in einem bürgerlichen Beruf Tätigen benötigen und benutzen ihre Freizeit zur Ruhe, Erholung oder Tätigkeiten, die ihren persönlichen Neigungen entsprechen. Es ist durchaus nicht im militärischen Dienst eigentümlich, daß die Freizeit am Sonntag dazu benutzt wird, um Ziele außerhalb des Dienstortes aufzusuchen, gleichgültig, ob zur Erholung oder zu sonstigen Zwecken. Im vorliegenden Fall konnte daher das Landessozialgericht seine Annahme, daß die Fahrt des Ehemannes der Klägerin durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt sei - weil jener die Fahrt nach einem Ort außerhalb des Standortes gemacht hatte -, nicht allein auf die Verwaltungsvorschriften Nr. 5 zu § 1 BVG stützen. Denn diese Verwaltungsvorschriften entsprechen in ihrer Allgemeinheit nicht dem Gesetz und stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für sich allein nicht eine die Gerichte bindende Rechtsnorm dar.
Insoweit hat das Landessozialgericht die aus dem BVG sich ergebende Rechtslage nicht verkannt. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts konnten aber die Verwaltungsvorschriften nicht dadurch geltende Normen werden, daß sie von der Verwaltungsbehörde in dem ihnen vom Landessozialgericht beigelegten Sinne ständig angewendet worden sind und nunmehr wegen des im Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) niedergelegten Gleichbehandlungsgrundsatzes weiterhin angewendet werden müßten. Es kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungsvorschriften überhaupt in dem weiten Sinne, wie sie das Landessozialgericht auslegt, tatsächlich angewendet worden sind, und ob dies nur im Land Berlin, dem Bereich des Landesversorgungsamts Berlin, geschehen ist, oder auch im ganzen Bundesgebiet. Unabhängig davon, ob diesen Einwendungen der Klägerin eine rechtliche Bedeutung zukommt, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) deshalb nicht zur Anwendung der Verwaltungsvorschriften führen, weil diese Vorschriften - so, wie sie das Landessozialgericht angewendet hat - nach dem Vorhergesagten dem Gesetz (§ 1 BVG) widersprechen. Verwaltungsvorschriften müssen sich im Rahmen der Vorschriften des Gesetzes halten (Wilke in KOV 1958 S. 41, [43]). Sie erläutern das Gesetz für die Anwendung durch die Verwaltungsbehörden, oder sie füllen zulässigerweise einen Spielraum aus, wo das Gesetz einen solchen gelassen hat. Im letztgenannten Fall sind sie selbständig neben dem Gesetz insoweit bedeutsam, als die Verwaltungsbehörde, die ständig das Gesetz im Sinne der Verwaltungsvorschriften angewendet hat, von diesen nicht ohne sachlichen Grund und ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Einzelfall abweichen darf (vgl. OVG. Münster in Verw. Rechtspr. Bd. 5 Nr. 22; OVG. Hamburg in Verw. Rechtspr. Bd. 5 Nr. 189 und Krüger in DVBl. 1955 S. 208). Die Anwendung von Verwaltungsvorschriften über den Gleichbehandlungsgrundsatz setzt also voraus, daß die Verwaltungsvorschriften mit dem Gesetz, zu dem sie erlassen worden sind, im Einklang stehen. Über den Gleichbehandlungsgrundsatz kann nicht Unrecht zu Recht werden. Der Grundsatz besagt nur, daß das, was Recht ist, gleichmäßig und einheitlich zur Anwendung kommen muß, und zwar selbst dann, wenn erst die Verwaltungsvorschriften unter Ausnutzung eines vom Gesetz gelassenen Spielraums bestimmen, was als Recht gelten soll. Es gibt aber keinen Gleichheitsgrundsatz auf Fehlerwiederholung (so Ipsen in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte S. 148; vgl. BGH. in Lindenmaier-Möhring Art. 3 GG Nr. 2; BGHZ. 19 S. 348; VGH. München in Verfassungsrechtsprechung in der Bundesrepublik, Giese-Schunck-Winkler, Art. 3 Abs. 1 Nr. 62; Hauck in NJW 57 S. 809; Krüger in DVBl, 55 S. 208; BFH. in Betriebsberater 56 S. 808).
Widersprechen somit schon die Verwaltungsvorschriften Nr. 5 Satz 2 zu § 1 BVG dem § 1 BVG und können sie deshalb auch nicht über den Gleichheitsgrundsatz anwendbares Recht werden, so erübrigt sich jede weitere Erörterung der vom Beklagten angeschnittenen Frage, ob dann, wenn die Verwaltungsvorschriften sich innerhalb des Gesetzes halten und nur einen Spielraum ausfüllen, diese in jedem Falle aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung angewendet werden müssen, oder ob ein Abweichen davon unter gewissen Voraussetzungen möglich ist.
Auf der irrigen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, die zur unzulässigen Anwendung der Verwaltungsvorschriften Nr. 5 Satz 2 zu § 1 BVG geführt hat, beruht das angefochtene Urteil (§ 162 Abs. 2 SGG). Es mußte daher aufgehoben werden. Die angefochtene Entscheidung konnte auch aus anderen Gründen nicht aufrechterhalten werden (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG). Wenngleich der Unfall des Ehemannes der Klägerin nicht schon deshalb als Schädigung im Sinne des BVG angesehen werden kann, weil er sich während des Sonntagsurlaubs auf dem Rückweg vom auswärtigen Urlaubsort zum Standort ereignete, so besteht diese rechtliche Möglichkeit jedoch dann, wenn der Weg durch die dem militärischen Dienst eigentümlichen Verhältnisse - etwa durch den Besuch der Familie - bedingt war. Ob das für den Weg des Ehemannes der Klägerin zutraf, darüber fehlen im angefochtenen Urteil jegliche Feststellungen, so daß schon aus diesem Grunde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Berlin zurückzuverweisen war. Das Landessozialgericht wird gegebenenfalls weiter zu prüfen haben, ob die Behauptung des Beklagten, der Ehemann der Klägerin sei bei dem Versuch, in der Dunkelheit auf den fahrenden Zug zu springen, verunglückt und sein Tod sei daher wesentlich auf sein eigenes schuldhaftes Verhalten zurückzuführen, rechtlich erheblich ist und tatsächlich festgestellt werden kann.
Schließlich wird das Landessozialgericht zu beachten haben, daß der Anspruch der Klägerin nicht einheitlich nach dem BVG beurteilt werden kann, weil die Klägerin eine Rente vom 1. Juli 1950 an begehrt hat.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen