Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

1. … 2. … Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Landesversicherungsanstalt das Altersruhegeld des Klägers, das - soweit pfändbar - an den verstorbenen Ehemann der Beigeladenen zu 2) abgetreten worden war, mit einer Erstattungsforderung der Bundesanstalt für Arbeit (BA, Beigeladene zu 1) teilweise verrechnen durfte.

Der 1919 geborene Kläger war seit Dezember 1974 auf Antrag als Selbständiger rentenversicherungspflichtig. Zu einer Nachentrichtung von Beiträgen für die Jahre 1956 bis 1969 in Höhe von 30.240, 00 DM war er nur in der Lage, weil sein Bruder bereit war, den dafür erforderlichen Betrag zu zahlen. Seine Anfrage nach der Pfändbarkeit und Übertragbarkeit von Rentenansprüchen beantwortete die zuständige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) im November 1977 mit einem Hinweis auf die §§ 53 und 54 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I). Nunmehr überwies der Bruder des Klägers (Rechtsvorgänger der jetzigen Beigeladenen zu 2) an die BfA 30.240, 00 DM und übersandte ihr gleichzeitig eine an sie, die BfA gerichtete Erklärung des Klägers vom 6. Dezember 1977, die folgenden Wortlaut hat:

"Ich trete hiermit meinen zukünftigen Rentenanspruch aus meiner Rentenversicherung Nr. 56 270219 N 008 bei Ihnen, soweit er den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigt, an meinen Bruder, Herr H. N. , , ab… . "

Als Grund für diese Abtretung wurde u.a. die Rückzahlung der für die Beitragsnachentrichtung zur Verfügung gestellten 30.240, 00 DM genannt.

In der Folgezeit nahm der Kläger eine abhängige Beschäftigung auf, für die Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichtet wurden. Daraufhin gab die BfA das Versicherungskonto des Klägers an die Beklagte ab.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1984 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. März 1984 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres in Höhe von monatlich 1.478, 80 DM. Auf Ermächtigung der Beigeladenen zu 1) und nach Anhörung des Klägers nahm sie mit Bescheid vom 25. Mai 1984 gegenüber dem Kläger eine Verrechnung des monatlichen Altersruhegeldes mit einer Forderung der Beigeladenen zu 1) in Höhe von 96.630, 10 DM vor. Ferner legte sie unter Berücksichtigung der Tabelle zu § 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) fest, welcher Teil des Rentenbetrages für die Beigeladene zu 1) einbehalten und welcher an den Kläger ausgezahlt würde.

Die zur Verrechnung gestellten Forderungen der Beigeladenen zu 1) betreffen Schulden der in Konkurs gegangenen Firma Gebr. H. KG, für die der Kläger als deren persönlich haftender Gesellschafter in Anspruch genommen wird. Das Konkursverfahren über die KG wurde am 16. Februar 1977 eröffnet. Im März 1977 stellten deren Arbeitnehmer Anträge auf Konkursausfallgeld, die von der Beigeladenen zu 1) in Höhe von 45.716, 65 DM befriedigt wurden. Diese entrichtete außerdem aufgrund von Anträgen der zuständigen Krankenversicherungsträger die darauf entfallenden Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 29.513, 46 DM aus der Konkursausfallgeldversicherung. Die sich dadurch aus übergegangenem Recht ergebenden Forderungen der Beigeladenen zu 1) wurden als bevorrechtigte Konkursforderungen (§ 61 Abs. 1 Nr. 1 der Konkursordnung [KO]) zur Konkurstabelle festgestellt. Am 1. Februar 1978 wurde das Konkursverfahren mangels Masse eingestellt. Im Anschluß an das Konkursausfallgeld zahlte die Beigeladene zu 1) noch Arbeitslosengeld an die ehemaligen Arbeitnehmer der KG und führte dazu Krankenversicherungsbeiträge ab. Auch die dadurch auf sie übergegangenen Arbeitsentgeltforderungen und ihr erwachsenen Beitragserstattungsansprüche machte sie - neben Mahngebühren - mit dem Verrechnungsersuchen geltend.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1984 legten sowohl der Kläger wie sein Bruder Widerspruch ein. Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1985 den Widerspruch des Klägers zurück und sandte einen Abdruck dieses Bescheides an den Bevollmächtigten des Bruders des Klägers.

Die Klage des Klägers hatte keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts [SG] Trier vom 2. August 1985). Eine Klage des Bruders des Klägers ist noch beim SG Gelsenkirchen anhängig. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung des beigeladenen Bruders des Klägers wurden das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten durch Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 27. Juni 1988 abgeändert. Die Verrechnung der Beklagten wurde für unzulässig erklärt, soweit sie den Betrag von 75.230, 11 DM überstieg. Im übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen.

Während des anschließenden Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht (BSG) - 5 RJ 52/88 - verstarb der Bruder des Klägers. Durch Urteil des BSG vom 27. Februar 1990 wurde die angegriffene Berufungsentscheidung aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, damit das LSG prüfe, ob die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 1. Alternative des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch für die Rechtsnachfolgerin des beigeladenen Bruders des Klägers erfüllt seien, und es diese dann notwendig beilade.

Nach Beiladung der Ehefrau des verstorbenen Bruders des Klägers wiederholte das LSG durch Urteil vom 20. August 1990 seine frühere Entscheidung.

Die Klage sei nur begründet, soweit sie Ansprüche der ehemaligen Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt und die dazu gehörigen Beitragsforderungen der Einzugsstellen betreffe, die durch Anträge auf Leistungen aus der Konkursausfallgeldversicherung auf die Beigeladene zu 2) übergegangen seien (§§ 141m, 141n des Arbeitsförderungsgesetzes [AFG] in der bis zum 31. Dezember 1979 geltenden Fassung). Einer Verrechnung mit den darüber hinaus geltend gemachten Forderungen stehe im wesentlichen die Verjährung entgegen (§ 390 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]).

Das SG habe zu Recht entschieden, daß die vom Kläger zu Gunsten seines Bruders vorgenommene Abtretung einer nachfolgenden Verrechnung nicht entgegenstehe. Für die Übertragung bzw. Abtretung von Ansprüchen auf Geldleistungen i.S. des § 53 SGB I gälten die Vorschriften des BGB entsprechend (§ 398ff. BGB). § 406 BGB erlaube es dem Schuldner, bei einer Forderungsabtretung eine Gegenforderung dem neuen Gläubiger entgegenzuhalten. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Beklagte sich die Kenntnis der BfA im Dezember 1977 von der Abtretung des künftigen Rentenanspruchs zurechnen lassen müsse. Denn die Gegenforderung, hier die Forderung aus der Konkursausfallgeldzahlung, sei bereits vor dieser Forderungsabtretung entstanden. Im übrigen erlaube § 53 Abs. 5 SGB I (angefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1989 durch Art 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 20. Juli 1988, BGBl. I S. 1046) sogar eine Verrechnung, wenn der Leistungsträger beim Erwerb eines Gegenanspruchs von einer Übertragung oder Pfändung positive Kenntnis gehabt habe.

Gegen diese Entscheidung haben der Kläger und die Beigeladene zu 2) die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Der Kläger rügt Verstöße gegen die §§ 51, 52 und 54 SGB I sowie gegen die §§ 406, 242 BGB und trägt zur Begründung vor: Voraussetzung einer Anwendung des § 406 BGB bei einer Vorauszession sei es, daß sich die abgetretene künftige Forderung als eine solche hinreichend spezifizieren lasse. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen. Künftige Rentenansprüche seien erst durch die Zahlung seines Bruders möglich geworden.

Sodann sei das Recht der Beklagten, bestimmte Beträge des an ihn zu zahlenden Altersruhegeldes einzubehalten, nicht ausschließlich nach den §§ 51, 52 SGB I i.V.m. §§ 399ff. BGB zu bemessen. Zu berücksichtigen sei nach seiner Auffassung auch der Rechtsgedanke des § 54 SGB I. Das Gesetz schreibe für den Fall der Pfändung laufender Geldleistungen wegen anderer als der priviligierten Unterhaltsansprüche in § 54 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 SGB I eine Abwägung der gegensätzlichen Interessen und der Billigkeitsgesichtspunkte vor. Der ihm seitens seines Bruders darlehensweise gewährte Betrag in Höhe von 30.240, 00 DM sei zunächst bei der BfA zweckgebunden mit dem Ziel eingezahlt worden, ihm eine Rente überhaupt zu ermöglichen und zu verhindern, daß er der Sozialhilfe anheimfalle. Die völlige Mißachtung dieser Zweckbestimmung sei unbillig und verstoße damit gegen § 242 BGB.

Die Beigeladene zu 2) bezieht sich zur Begründung ihrer Revision im wesentlichen auf das Vorbringen des Klägers.

Der Kläger und die Beigeladene zu 2) beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. August 1990 aufzuheben, soweit durch dieses Urteil die Berufung zurückgewiesen worden ist, und das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 3. Juni 1987 sowie den Verrechnungsbescheid der Beklagten vom 25. Mai 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 1985 aufzuheben, soweit beide nicht bereits durch das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. August 1990 abgeändert worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 2) zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Sie habe im Rahmen der §§ 52, 51 Abs. 2 SGB I verrechnen dürfen. Eine Berücksichtigung auch des Rechtsgedankens des § 54 Abs. 1 SGB I verkenne den Sinn und Zweck dieser Rechtsvorschrift. Der Gesetzgeber habe in den §§ 51 Abs. 2, 52 SGB I eine weitergehende Verrechnungsmöglichkeit als bei der Pfändung geschaffen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 2) als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie zurückzuweisen.

Sie hegt Zweifel an der Zulässigkeit der Revisionen, da sich der Kläger mit den Entscheidungsgründen des LSG nicht in nachvollziehbarer Weise auseinandersetze, sondern lediglich altbekannte Standpunkte wiederhole. Jedenfalls seien die Revisionen aber unbegründet. Insbesondere entspreche die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung entgegen der Auffassung des Klägers auch der Billigkeit im Sinne von § 54 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 52, 51 Abs. 1 SGB I.

II

Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 2) sind zulässig. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) hat der Kläger den Anforderungen an eine Revisionsbegründung (vgl. BSG SozR 1500 § 164 Nrn 12, 20) hinreichend Rechnung getragen, indem er die von ihm als verletzt angesehenen Rechtsnormen bezeichnet, sich mit den Gründen des LSG jedenfalls in einigen Punkten auseinandergesetzt und dabei vor allem auch eine Nichtberücksichtigung von Billigkeitsgesichtspunkten i.S. von § 54 Abs. 2 und 3 SGB I gerügt hat. Auf dieses Vorbringen hat die Beigeladene zu 2) in zulässiger Weise Bezug genommen (vgl. BSGE 16, 227, 229ff.).

Die Revisionen sind auch begründet. Das LSG hat die Berufung zu Unrecht teilweise zurückgewiesen. Es hätte der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im vollen Umfang stattgeben müssen.

Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 1985 gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage i.S. von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig. Die angegriffenen Bescheide sind als Verwaltungsakte i.S. von § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) anzusehen. Die Beklagte hat darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen eine hoheitliche Maßnahme treffen wollte. Dies zeigt sich nicht nur an Äußerlichkeiten (Bezeichnung als "Bescheid", "Widerspruchsbescheid" und Beifügung von Rechtsbehelfsbelehrungen), sondern auch an dem Inhalt dieser Schreiben, der das Schicksal des dem Kläger zustehenden Rentenzahlungsanspruchs betrifft. Die Klagebefugnis des Klägers folgt aus § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er hinreichend glaubhaft gemacht hat, durch den an ihn gerichteten Verrechnungsbescheid beschwert zu sein. Nach dem Inhalt dieses Verwaltungsaktes soll der pfändbare Teil seines Anspruchs auf monatliche Auszahlung des Altersruhegeldes laufend mit einer Forderung der Beigeladenen zu 1) verrechnet werden. Zudem bestreitet die Beklagte darin, daß die Abtretungserklärung des Klägers vom 6. Dezember 1977 ihr gegenüber wirksam sei.

Die Klage ist begründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind.

Allerdings war im vorliegenden Fall eine Verrechnung im Grundsatz zulässig.

Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. § 51 SGB I normiert, in welchen Grenzen der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf Geldleistungen mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen kann. Soweit diese Regelungen keine besonderen Bestimmungen treffen, sind die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung (vgl. §§ 387ff. BGB) entsprechend heranzuziehen. Denn die §§ 51, 52 SGB I setzen den Begriff der Aufrechnung voraus, wie er sich im bürgerlichen Recht entwickelt hat (vgl. z.B. Hauck/Haines, § 51 SGB I RdNr 3).

In § 387 BGB ist bestimmt: "Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstande nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. " Während eine Aufrechnung danach voraussetzt, daß sich zwei Personen zugleich als Gläubiger und als Schuldner gleichartiger Forderungen gegenüberstehen, verlangt § 52 SGB I auf Seiten der Leistungsträger keine Identität von Gläubiger- und Schuldnerposition, sondern läßt es ausreichen, daß ein Leistungsträger, der eine Geldleistung zu erbringen hat, von einem anderen Leistungsträger, dem gegen den Berechtigten ein Anspruch zusteht, zur Verrechnung ermächtigt worden ist. Insofern kann die Verrechnung als Aufrechnung unter Verzicht auf die sonst notwendige Gegenseitigkeit von Schuldner und Gläubiger charakterisiert werden (vgl. BSGE 64, 17, 22 m.w.N.).

Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist insofern, daß die Verrechnung ein besonderes Rechtsinstitut zur Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeiten der Sozialleistungsträger darstellt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs beruht § 52 SGB I auf der Erwägung, daß im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielsetzung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der aufgerechneten Forderungen verzichtet werden kann (vgl. BT-Drucks 7/868, S. 32).

Der Verzicht auf Gegenseitigkeit bedeutet, daß die bei der Aufrechnung auf beiden Seiten jeweils in einer Person gleichzeitig vorliegende Gläubiger- und Schuldnerposition im Rahmen des § 52 SGB I auf Seiten der Leistungsträger von vornherein durch zwei Rechtssubjekte verkörpert wird, die allerdings für die Zwecke der Verrechnung als Einheit gelten.

Auf dieser Grundlage steht die Abtretung der pfändbaren Rentenansprüche des Klägers an seinen Bruder, dessen Rechtsnachfolgerin die Beigeladene zu 2) ist, als solche einer Verrechnung nicht entgegen. Die Abtretung ist zwar wirksam; sie tritt aber aufgrund der Regelungen in § 406 BGB, § 53 Abs. 5 SGB I gegenüber den Forderungen der Beigeladenen zu 1) im Ergebnis zurück.

Gegen die Wirksamkeit des Abtretungsvertrages vom 6. Dezember 1977 ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken, zumal auch künftige Rentenansprüche im Rahmen der gemäß § 53 Abs. 3 SGB I geltenden Pfändbarkeitsgrenzen übertragen werden können (vgl. BSGE 57, 211, 213; Winchenbach, Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1978, 285, 295). Zwar hat die Beklagte noch im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß sich die Abtretungserklärung nur auf Rentenansprüche gegen die seinerzeit zuständige BfA, nicht jedoch auf solche gegen sie, die Beklagte, beziehe. Eine derartige Auslegung erscheint dem erkennenden Senat jedoch zu eng, da sie dem erklärten Willen der vertragsschließenden Parteien nicht hinreichend Rechnung trägt. Nach dem Schreiben des Klägers vom 6. Dezember 1977 sollte dessen künftiger Rentenanspruch aus seiner Rentenversicherung "bei" der BfA an seinen Bruder abgetreten werden. Dem Wortlaut dieser Erklärung ist nicht zu entnehmen, daß die Abtretung auf Rentenansprüche gegen die BfA beschränkt werden sollte. Vielmehr sprechen die Gesamtumstände deutlich dafür, daß die betreffende Formulierung nur dazu dienen sollte, die Art der übertragenen Forderung näher zu bezeichnen. Angesichts der rentenrechtlichen Regelungen über die Leistungszuständigkeit von Rentenversicherungsträgern (vgl. § 90 des Angestelltenversicherungsgesetzes [AVG], § 1311 der Reichsversicherungsordnung [RVO] - jeweils in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung -) hätte eine Beschränkung der Abtretung auf Rentenansprüche gegen die BfA kaum den damals noch in recht ferner Zukunft liegenden Sicherungszweck dieses Rechtsgeschäfts erfüllen können. Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich seinerzeit mit seinem Unternehmen im Konkurs befand und daher eine berufliche Neuorientierung erforderlich wurde. Die Übertragung der künftigen Rentenansprüche wirkt somit auch gegenüber der später für die Rentenzahlung zuständig gewordenen Beklagten.

Obwohl somit die pfändbaren Beträge der monatlichen Rentenansprüche des Klägers wirksam an dessen Bruder abgetreten worden waren, war die Beklagte nicht gehindert, bezogen auf diese Rentenanteile eine Verrechnung vorzunehmen.

Für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches (1. SGB-ÄndG) vom 20. Juli 1988 (BGBl. I S. 1046), das mit Wirkung vom 1. Januar 1989 (vgl. Art 8 Abs. 2 des 1. SGB-ÄndG eine hier bedeutsame Änderung der Rechtslage herbeiführte (vgl. § 53 Abs. 5 SGB I), war die Verrechnung in entsprechender Anwendung des § 406 BGB zulässig. Nach dieser Vorschrift kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, daß er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Diese Regelung gilt jedenfalls entsprechend auch bei der Abtretung zukünftiger Forderungen (vgl. BGHZ 66, 384 ff; Palandt, BGB, 50. Aufl., § 398 Anm. 4c). Darüber hinaus wird eine Heranziehung des § 406 BGB bei der Konkurrenz zwischen einer Abtretung und einer Verrechnung von sozialen Geldleistungsansprüchen (§§ 52, 53 SGB I) in Rechtsprechung und Literatur - soweit ersichtlich - allgemein bejaht (vgl. z.B. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 1986 - L 13 J 185/85 - S. 21 des Umdrucks; Bayerisches LSG, Urteil vom 13. Juni 1989 - L 11 An 221/86 - S. 7 des Umdrucks; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. November 1990 - L 5 A 46/90 - S. 5 des Umdrucks; Benz, WzS 1986, 328, 334; BochKomm-Heinze, § 52 SGB I RdNr 11; Grüner, § 51 SGB I Anm. II 2; Hanselka, Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1989, 113, 120; Hauck/Haines, § 52 SGB I RdNr 4a, § 53 SGB I RdNr 3; Kopenhagen, BG 1989, 626, 629; KassKomm-Seewald, § 51 SGB I RdNr 29, § 52 SGB I RdNr 20, § 53 SGB I RdNr 32; von Maydell in GK-SGB I, § 53 RdNr 44; Thelen, DAngVers 1987, 105, 113; Verbandskommentar zur Rentenversicherung, § 51 SGB I Anm. 10, § 52 SGB I Anm. 9). Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. So hat die Bundesregierung in der Begründung zum Entwurf des 1. SGB-ÄndG die Einfügung des § 53 Abs. 5 SGB I ausdrücklich als Ergänzung des § 406 BGB bezeichnet (vgl. BT-Drucks 11/1004, S. 12).

Bezogen auf § 52 SGB I wird dazu zwar teilweise vertreten, daß eine durch § 406 BGB geschützte "Verrechnungslage" erst mit Eingang des Verrechnungsersuchens beim ermächtigten Leistungsträger eintritt (so wohl Müller, DOK 1977, 537, 548; ähnlich auch Kamprad, DRV 1991, 352, 355). Nach Auffassung des Senats ist jedoch grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Forderungserwerbs und der Kenntniserlangung auf Seiten des ersuchenden Leistungsträgers abzustellen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. August 1986 - L 13 J 185/85 - S. 21 f; Thelen, DAngVers 1987, 105, 113). Bereits die mit dem Erwerb der Forderung bei dem betreffenden Leistungsträger entstehende Chance auf Verrechnung durch einen anderen Träger verdient Schutz vor einer Abtretung der Gegenforderungen. Denn zum einen sind bei einer Verrechnung entsprechend der gesetzgeberischen Intention beide beteiligte Leistungsträger als Einheit anzusehen. Zum anderen schützt § 406 BGB auch die Aussicht darauf, daß sich ohne Dazwischentreten der Abtretung eine Aufrechnungslage bis zur Fälligkeit der abgetretenen Forderung entwickelt hätte (vgl. Palandt a.a.O. § 406 Anm. 2a). Danach ist hier eine Verrechnung durch die Beklagte nicht ausgeschlossen. Die Beigeladene zu 1) als ersuchender Leistungsträger hat ihre hier noch streitbefangene Forderung im März 1977 erworben. Der Anspruchsübergang ist nämlich gemäß §§ 141m Abs. 1, 141n AFG bereits mit der seinerzeitigen Stellung der Anträge der ehemaligen Arbeitnehmer auf Gewährung von Konkursausfallgeld und der Einzugsstellen auf Beitragszahlung erfolgt. Von der Abtretung hat die Beigeladene zu 1) hingegen erst im Zusammenhang mit ihrem Verrechnungsersuchen im Jahre 1982 erfahren. Selbst wenn man der Beigeladenen zu 1) die Kenntnis der von ihr ermächtigten Beklagten oder auch die der BfA gemäß § 166 BGB analog zurechnen würde (vgl. Winchenbach, Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1978, 285, 303),

folgte daraus kein anderes Ergebnis, weil die Abtretungserklärung erst vom 6. Dezember 1977 datiert.

Soweit es die ab 1. Januar 1989 fällig werdenden Rentenansprüche betrifft, ergibt sich die Zulässigkeit einer Verrechnung bereits aus § 53 Abs. 5 SGB I, der mit Wirkung von diesem Zeitpunkt durch Art 1 Nr. 4 des 1. SGB-ÄndG angefügt worden ist (vgl. auch Art II § 18 Abs. 1 SGB I i.d.F. des 1. SGB-ÄndG). Danach steht eine Übertragung von Ansprüchen auf Geldleistungen einer Verrechnung auch dann nicht entgegen, wenn der Leistungsträger beim Erwerb des Anspruchs von der Übertragung Kenntnis hatte. Diese Vorschrift ermöglicht es der Beklagten, die Forderungen der Beigeladenen zu 1) mit den abgetretenen Rententeilen zu verrechnen, und zwar unabhängig davon, ob man hier auf die Kenntnis der Beigeladenen zu 1) oder der Beklagten von der Abtretung abstellt und welchen Zeitpunkt man für den Erwerb der Forderung ansetzt, mit der verrechnet werden soll.

Auch im übrigen bestehen gegen die vorgenommene Verrechnung keine materiellen Bedenken. Hierauf näher einzugehen, erübrigt sich aber, da es an einer wirksamen Verrechnungserklärung fehlt.

Nach § 388 Satz 1 BGB erfolgt die Aufrechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Auch eine Verrechnung nach § 52 SGB I hat sich immer gegen den Gläubiger der Forderung zu richten, gegen die verrechnet werden soll. Durch den dem Kläger erteilten Verwaltungsakt konnte eine Verrechnung, die sich auf die abgetretenen pfändbaren Teile des Rentenauszahlungsanspruchs beziehen sollte, nicht wirksam vorgenommen werden. Vielmehr mußte eine Verrechnung entsprechend § 406 BGB dem neuen Gläubiger, hier also dem Bruder des Klägers, gegenüber erklärt werden. Dazu reicht es nicht aus, daß diesem eine Abschrift des an den Kläger gerichteten Widerspruchsbescheides übersandt worden ist. Die gleichwohl im Verhältnis zum Kläger als dem alten Gläubiger ausgesprochene Verrechnung geht ins Leere. Mithin fehlt es für den Verrechnungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides dem Kläger gegenüber an einer Rechtsgrundlage. Da die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide keine wirksame Verrechnung bewirken konnte, durfte sie auch keine Teilbeträge des monatlichen Altersruhegeldes des Klägers für die Beigeladene zu 1) einbehalten. Aus diesem Grunde konnte der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben. Der Beklagten bleibt es jedoch unbenommen, neu zu entscheiden und dabei eine wirksame Verrechnung gegenüber der Beigeladenen zu 2), der nunmehr die abgetretenen Rentenbeträge als Nachfolgerin des Bruders des Klägers zustehen, nachzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.13/5 RJ 61/90

BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518412

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