Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 27.06.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Juni 1988 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte Ansprüche der beigeladenen Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 1) gegen den Kläger mit der diesem zustehenden Rentenleistung verrechnen darf.

über das Vermögen der Firma Gebr. H. KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Kläger war, wurde am 16. Februar 1977 das Konkursverfahren eröffnet. An die ehemaligen Arbeitnehmer der Gesellschaft zahlte das Arbeitsamt in T. für die Zeit vom 10. Juni 1976 bis Januar 1977 Konkursausfallgeld in Höhe von 45.716,65 DM und an Träger der gesetzlichen Krankenversicherung 29.513,46 DM an Pflichtversicherungsbeiträgen. Diese Zahlungen meldete das Arbeitsamt als bevorrechtigte Konkursforderungen an. Die Feststellung zur Konkurstabelle erfolgte am 29. Juni 1977. Wegen der Zahlungen für Konkursausfallgeld erwirkte das Arbeitsamt außerdem einen Mahn- und Vollstreckungsbescheid gegen den Kläger. Das Konkursverfahren wurde am 1. Februar 1978 mangels Masse eingestellt.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) räumte dem Kläger durch Bescheid vom 27. März 1975 das Recht ein, gemäß Art. 2 § 49a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) freiwillige Beiträge als Selbständiger nachzuentrichten. Um davon Gebrauch machen zu können, stellte ihm sein Bruder, der Beigeladene zu 2), den Betrag von 30.240,– DM zur Verfügung. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs und weiterer Forderungen aus dem Konkurs trat der Kläger seinem Bruder am 6. Dezember 1977 seinen zukünftigen Rentenanspruch ab, soweit dieser den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteige.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1984 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. März 1984 Altersruhegeld in Höhe von monatlich 1.478,80 DM.

Mit Ermächtigung des Arbeitsamtes T. und nach Anhörung des Klägers verrechnete die Beklagte im Bescheid vom 25. Mai 1984 Ansprüche des Arbeitsamtes in Höhe von 96.630,10 DM. Ab 1. Dezember 1985 behielt die Beklagte vom Altersruhegeld des Klägers monatlich 183,10 DM ein. Damals hatte der Kläger für zwei unterhaltsberechtigte Angehörige aufzukommen. Ab 1. Juli 1986 erhöhte sich dieser Betrag auf 227,30 DM und ab 1. Juli 1987, als nur noch ein unterhaltsberechtigter Angehöriger des Klägers zu berücksichtigen war, auf monatlich 526,90 DM. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Mai 1984 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1985).

Das Sozialgericht (SG) hat die Bundesanstalt für Arbeit und den Bruder des Klägers zu dem Rechtsstreit beigeladen. Es hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. Juni 1987). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Verrechnung der Beklagten für unzulässig erklärt, soweit sie den Betrag von 75.230,11 DM übersteigt. Im übrigen ist die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden (Urteil vom 27. Juni 1988). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Forderung der Beigeladenen zu 1) sei vor der Abtretung des Rentenanspruchs an den Beigeladenen zu 2) entstanden. Durch die Zahlung des Konkursausfallgeldes an die ehemaligen Arbeitnehmer der Gesellschaft des Klägers sei die Bundesanstalt für Arbeit Inhaber der Ansprüche auf Arbeitsentgelt, für die Konkursausfallgeld gezahlt worden sei, sowie Inhaber der Beitragsansprüche von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung geworden. Die den Betrag von 75.230,11 DM übersteigende Forderung der Beigeladenen zu 1) sei verjährt.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung der §§ 51, 52 und 54 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) sowie der §§ 406 und 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, sowie das Urteil des SG und den Verrechnungsbescheid der Beklagten vom 25. Mai 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 1985 aufzuheben, soweit beide nicht durch das Urteil des LSG abgeändert worden sind.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene zu 2) ist im Laufe des Revisionsverfahrens verstorben.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Das Berufungsgericht hat zu prüfen, ob die Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Beigeladenen zu 2) notwendig zu dem Verfahren beizuladen ist.

Nach der 1. Alternative des § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind Dritte zum Verfahren notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist, wie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, zu bejahen, wenn das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (vgl BSG in SozR 1500 § 75 Nrn 49, 60 mwN). Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich des Beigeladenen zu 2) erfüllt. Das hat der 8. Senat des BSG im Urteil vom 2. November 1988 (a.a.O. Nr. 73) für den Fall der Abtretung eines Rententeils an einen Dritten bereits entschieden.

Wie der 8. Senat (a.a.O.) zugleich aufgezeigt hat, rücken nach dem Tod des Beigeladenen zu 2) dessen Rechtsnachfolger in seine materielle Rechtsstellung ein, mag es sich dabei um Sonder- oder Gesamtrechtsnachfolge handeln. Deshalb kann auch gegenüber den Rechtsnachfolgern ebenso wie gegenüber dem ursprünglich Beigeladenen die in diesem Rechtsstreit zu treffende Entscheidung nur einheitlich ergehen. Hiermit ist allerdings nicht schon gesagt, daß die Rechtsnachfolger automatisch in die prozeßrechtliche Beteiligtenstellung des früheren Beigeladenen einrücken. Ob durch den Tod des Beigeladenen der Rechtsstreit nicht gemäß § 202 SGG iVm § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen wird (so BSGE 50, 196, 197 f; 61, 100, 102; BSG in SozR 1500 § 75 Nr. 73), kann hier unentschieden bleiben. Der Beigeladene zu 2) war durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten, so daß gemäß § 202 SGG iVm § 246 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eingetreten ist. Das Gericht hat nun zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 1. Alternative SGG auch für die Rechtsnachfolger erfüllt sind und diese dann notwendig beizuladen (ebenso bereits BSG-Urteil vom 2. November 1988 a.a.O.).

Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist bei zulässiger Revision von Amts wegen zu beachten (vgl BSG in SozR 1500 § 75 Nrn 1, 20, 60; Urteil des erkennenden Senats vom 22. Februar 1989 – 5/5b RJ 56/87 –). Da die Beiladung gemäß § 168 SGG in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden kann, ist die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG geboten (so auch Urteil des 8. Senats vom 2. November 1988 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1062273

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