Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Landesversicherungsanstalt Hessen, Frankfurt/Main 70, Städelstraße 28, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs-oder Erwerbsunfähigkeit.

Die 1939 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie arbeitete von Oktober 1969 bis August 1983 mit Unterbrechungen als Wäschereiarbeiterin und als Verkäuferin.

Der im Februar 1984 gestellte Rentenantrag der Klägerin wurde durch Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1984 abgelehnt, weil bei ihr weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Das von der Klägerin angerufene Sozialgericht (SG) Marburg hob diesen Bescheid nach weiterer Sachaufklärung durch Urteil vom 2. Juni 1987 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. März 1984 zu gewähren. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei erwerbsunfähig, weil sie aufgrund ihres eingeschränkten Gehvermögens nur noch Anmarschwege zur Arbeit von 500 Metern zurücklegen könne. Damit sei es ihr nicht mehr möglich, üblicherweise noch Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang zu erreichen.

Auf die Berufung der Beklagten wurde diese Entscheidung nach zusätzlicher medizinischer Beweiserhebung durch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 27. Juli 1990 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Sie sei noch vollschichtig für leichtere Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen, einsetzbar. Das Gehen und Stehen solle ausschließlich auf ebenem Gelände erfolgen. Unnötiges Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien zu vermeiden. Bückleistungen seien auf ein Minimum zu beschränken. Ein Heben und Tragen von Lasten von mehr als 6 kg sei nicht zumutbar. Anmarschwege zur Arbeit von mehr als 500 Metern könne sie mit erleichternden Gehhilfen unter Einlegung von Pausen bewältigen.

Mit ihrer zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzungen von §§ 1246 Abs. 2, 1247 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie § 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Gehe man, wie das LSG, von einer Wegefähigkeit im Zusammenhang mit der Frage einer Anspruchsberechtigung auf die von ihr begehrte Erwerbsunfähigkeitsrente aus, hätte sich das LSG in Beachtung der bei ihr vorliegenden schweren Leistungsbeschränkung gezwungen sehen müssen, konkret zumutbare Verweisungstätigkeiten in seinen Urteilsgründen zu benennen. Dies sei jedoch unterblieben. Völlig ungeklärt sei demzufolge weiterhin die als wesentlich anzusehende Frage, ob und, wenn ja, auf welche Tätigkeiten sie tatsächlich noch verweisbar sei.

Darüber hinaus hätte das außerhalb eines "klassischen" beruflichen Ausbildungsganges erworbene Wissen und die Länge der Berufsausübung in Verbindung mit den in ihrer Person liegenden Fähigkeiten nicht bei der Beurteilung der für das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen unbeachtet bleiben dürfen, vielmehr hätten Wissen und Fähigkeiten in ihrer Wertigkeit mit in die Gesamtbeurteilung einbezogen werden müssen. Wären vom LSG die erforderlichen, jedoch unterbliebenen Feststellungen getroffen und deren Ergebnis der Urteilsfindung mit zugrunde gelegt worden, hätte sich ergeben, daß der Arbeitsmarkt für sie, die Klägerin, als verschlossen angesehen werden müsse.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Juli 1990 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 2. Juni 1987 als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die Feststellungen des LSG zur Fähigkeit der Klägerin, Arbeitsplätze zu erreichen, genügen nicht für eine abschließende Entscheidung des Senats.

Anspruchsgrundlagen für die begehrte Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind die §§ 1246 Abs. 1, 1247 Abs. 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden Fassung (vgl. Art 2 § 6 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes ≪ArVNG≫). Danach erhält eine derartige Rente der Versicherte, der berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RVO). Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO).

§ 1246 Abs. 2 und § 1247 Abs. 2 RVO beschreiben also die Versicherungsfälle dahin, daß das Herabsinken der Fähigkeit, auf dem Arbeitsmarkt Einkommen zu erzielen, von einem bestimmten Grade an einen Rentenanspruch auslösen kann. Dazu hat das Bundessozialgericht BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß das Leistungsvermögen und die Umsetzungsfähigkeit an den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarktes zu messen sind (s u.a. zur Benennung von Arbeitstätigkeiten für stark Leistungsgeminderte: BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 81 S. 253; Nr. 90 S. 286; Nr. 104 S. 324; Nr. 117 S. 374; Nr. 136 S. 436; zur Feststellung von Verweisungstätigkeiten: BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 36 S. 111; Nr. 72 S. 229; Nr. 82; zu Teilzeitarbeitsplätzen: BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 13 S. 41ff. = BSGE 43, 75, 83ff.). Nur diejenigen Möglichkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt konkret feststellbar sind, können als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Erwerbseinkommen zu erzielen, herangezogen werden (vgl. Senatsurteil vom 28. August 1991 - 13/5 RJ 47/90 -). Folgerichtig gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 56 m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nrn 47, 50). Dementsprechend sieht auch der erkennende Senat das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des nach §§ 1246, 1247 RVO versicherten Risikos an.

Da der Eintritt des Versicherungsfalls von dem Vorhandensein dieser Mobilität abhängt, ist näher zu bestimmen, über welche Fähigkeiten der Versicherte verfügen muß, um Arbeitsstellen erreichen zu können. Dabei sind alle zumutbaren und dem Versicherten verfügbaren Mobilitätshilfen zu berücksichtigen (vgl. zum Vorhandensein eines Kfz: BSG SozR Nr. 27 zu § 1246 RVO; BSGE 24, 142, 144 ff; BSG, DAngVers 1966, 189 …nm. Meyer). Im Normalfall ist davon auszugehen, daß ein Versicherter für derartige Wege öffentliche Verkehrsmittel benutzen muß (vgl. BSG SozR Nr. 27 zu § 1246 RVO; BSG SozR 2200 § 1247 Nrn 47, 50). Er muß dann regelmäßig auch Fußwege zurücklegen, um von zu Hause das Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel aus den Arbeitsplatz zu erreichen.

Jeweils entsprechende Strecken sind auf dem Heimweg zu bewältigen, so daß die Gehfähigkeit des Versicherten insofern viermal am Tage gefordert wird.

Bei der Beurteilung der Mobilität eines Versicherten kann es nicht auf die konkreten Anforderungen ankommen, die sich aus der Lage seines Wohnortes und möglicher Arbeitsstellen ergeben. Besondere Schwierigkeiten der persönlichen Wohnsituation gehören grundsätzlich nicht zum versicherten Risiko (vgl. BSG SozR Nr. 21 und Nr. 101 zu § 1246 RVO), ebensowenig Schwierigkeiten und Nachteile eines Umzugs an einen anderen Ort, von dem aus Arbeitsplätze besser zu erreichen wären (zu möglichen Ausnahmen vgl. BSG SozR Nr. 21 zu § 1246 RVO; BSGE 19, 147, 151; BSG Urteil vom 26. Oktober 1989 - 4 RLw 7/88 -). Das versicherte Risiko muß deshalb auch insoweit nach allgemeinen, für alle gleichermaßen geltenden Kriterien abgegrenzt werden, die sich daran orientieren, welche Leistungsfähigkeit im Regelfall gegeben sein muß, um Arbeitsmöglichkeiten wahrnehmen zu können. Der 5. Senat des BSG hat deshalb für die Bestimmung der erforderlichen Fußwegstrecke (die täglich viermal zurückzulegen ist) einen generalisierenden Maßstab angesetzt (vgl. BSG Urteil vom 5. Februar 1987 - 5b RJ 22/86 -; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 53). Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung, weil sie nicht nur der Notwendigkeit einer allgemeingültigen Abgrenzung des Versicherungsrisikos, sondern auch den Anforderungen einer Massenverwaltung wie der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 53 S. 106) Rechnung trägt.

Vor diesem Hintergrund hat das BSG aufgrund allgemeiner Erfahrungen generell eine Fähigkeit des Versicherten für erforderlich gehalten, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen; es ist davon ausgegangen, daß derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1247 Nrn 53 und 56). Dem Charakter von Normstrecken entsprechend sind in diesem Zusammenhang besondere Beschaffenheiten eines konkreten Weges (zB Unebenheiten, Steigungen, Glatteis) ohne Belang.

Die Zumutbarkeit derartiger Fußwege richtet sich zunächst nach allgemeinen medizinischen Kriterien. Sie wird etwa zu verneinen sein, wenn beim Gehen auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (zB Gehstützen) erhebliche Schmerzen auftreten, übermäßige körperliche Anstrengungen erforderlich sind oder die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet ist. Zudem kann die Zumutbarkeitsgrenze auch durch die für die Zurücklegung der Wegstrecke erforderliche Zeit überschritten werden. Für diesen Zeitfaktor ist ebenfalls ein generalisierender Maßstab anzuwenden. Dabei kann von dem nach der Rechtsprechung des BSG zum Schwerbehindertenrecht noch üblichen Zeitaufwand von 30 Minuten für zwei Kilometer ausgegangen werden, der bereits kurze Wartezeiten und Zeiten des Herumstehens einbezieht (vgl. BSG SozR 3870 § 60 Nr. 2 S. 8). Umgerechnet auf 500 Meter ergibt sich so eine normale Gehzeit von 7, 5 Minuten. Der Bereich des Zumutbaren wird nach Einschätzung des Senats dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 Meter mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten, benötigt, zumal ein Arbeitnehmer gegebenenfalls viermal am Tag eine Strecke von über 500 Metern mit entsprechendem Zeitaufwand zurücklegen muß und auch noch Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzukommen.

Bei einer Anwendung dieser Kriterien auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß die Tatsachenfeststellungen des LSG für eine revisionsgerichtliche Entscheidung über den Rentenanspruch der Klägerin noch nicht ausreichen. Abgesehen davon, daß der Berufungssenat keine Feststellungen zur Fähigkeit der Klägerin getroffen hat, während der Hauptverkehrszeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ist auch die für das Erreichen von Arbeitsplätzen erforderliche Gehfähigkeit nicht vollständig in Betracht gezogen worden. Namentlich fehlt es an konkreten Feststellungen dazu, ob die Klägerin insgesamt viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zurücklegen kann. Zwar hat das LSG die Klägerin zu Recht auf die Benutzung eines vorhandenen Gehstocks und ihres besonders ausgestatteten Schuhwerks verwiesen, auch hat es die Bedeutung des Zeitfaktors bei der Beurteilung der Mobilität zutreffend erkannt. Es hätte aber noch einer näheren Abklärung darüber bedurft, wie sich die von der Klägerin benötigten Pausen bei derartigen Wegstrecken auf die Gehzeit auswirken. Da die entsprechenden Tatsachenermittlungen im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können (vgl. § 163 SGG), ist das Berufungsurteil gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung sowie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Sollte das LSG aufgrund des dann vorliegenden Beweisergebnisses und anhand der vom Senat vorgegebenen Maßstäbe wiederum zu der Beurteilung gelangen, daß die Klägerin noch in der Lage ist, Arbeitsstellen aufzusuchen, wird es bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit noch folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:

Bei der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 75 und 90) zunächst zu prüfen, ob der Versicherte seinen "bisherigen Beruf" noch ausüben kann. Dazu fehlt es bislang an ausdrücklichen berufungsgerichtlichen Feststellungen. Das LSG hat zwar im Tatbestand des Urteils erwähnt, daß die Klägerin keinen Beruf erlernt und als Wäschereiarbeiterin sowie als Verkäuferin gearbeitet habe, sich jedoch nicht festgelegt, welches ihr bisheriger Beruf ist und wie dessen qualitativer Wert im Betrieb einzuschätzen ist. In seinen Entscheidungsgründen hat das LSG allerdings wertend ausgeführt, daß die Klägerin nach ihrem beruflichen Werdegang auf das allgemeine Arbeitsfeld zu verweisen sei. Dem Zusammenhang dieser berufungsgerichtlichen Darlegungen dürfte zu entnehmen sein, daß beide von der Klägerin im Verlauf ihres Berufslebens ausgeübten Tätigkeiten vom LSG im Rahmen des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas (BSGE 43, 243, 245 f; 55, 45, 47ff.) dem Leitberuf einer ungelernten Arbeitnehmerin (Arbeiterin oder Angestellte) zugeordnet worden sind. Diese Beurteilung begegnet aber insofern Bedenken, als die von der Klägerin offenbar zuletzt verrichtete Tätigkeit einer Verkäuferin ein Ausbildungsberuf ist. Sollte sich die Klägerin aufgrund ihrer Berufspraxis die Kenntnisse und Fertigkeiten einer gelernten Verkäuferin angeeignet haben und entsprechend entlohnt worden sein, könnte die Wertigkeit ihres bisherigen Berufs höher einzustufen sein (vgl. BSGE 57, 291, 299). Dann wäre die Klägerin im Rahmen des § 1246 RVO auch nicht mehr ohne weiteres auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar (vgl. BSGE 57, 291, 300). Insofern weist die Klägerin zu Recht darauf hin, daß ihre beruflichen Fähigkeiten vom LSG hätten berücksichtigt werden müssen.

Die Hauptrüge der Klägerin richtet sich gegen das Fehlen der Benennung zumindest einer konkreten Verweisungstätigkeit im Berufungsurteil. Nach der Rechtsprechung des BSG braucht nur im Falle von vollschichtig einsetzbaren ungelernten Arbeitnehmern ein in Betracht kommender Verweisungsberuf in der Regel nicht näher bezeichnet zu werden, da sich nicht oder nur ganz wenig qualifizierte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einer knappen und kennzeichnenden Benennung entziehen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 81 S. 251f.). Dieser Grundsatz erfährt dann eine Ausnahme, wenn der Versicherte selbst leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit vielfältigen und/oder erheblichen Einschränkungen ausüben kann (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 81 S. 252f.). Dabei müssen diese Einschränkungen so erheblich sein, daß von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müssen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen auch in einem Betrieb einsetzbar ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 104 S. 324). Danach zwingt nur eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung zur konkreten Benennung (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117 S. 374; Nr. 136 S. 434).

Sofern die Klägerin als ungelernte Arbeitnehmerin einzustufen ist, konnte eine konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten unterbleiben, weil sie nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen im Berufungsurteil noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten kann. Abgesehen von der noch offenen Frage der Wegefähigkeit der Klägerin liegt bei ihr auch weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung vor. Nach den Feststellungen des LSG kann sie nur leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, aber überwiegend im Sitzen verrichten. Das Gehen und Stehen soll ausschließlich auf ebenem Gelände erfolgen. Unnötiges Treppensteigen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind zu vermeiden. Bückleistungen sind auf ein Minimum zu beschränken. Ein Heben und Tragen von Lasten von mehr als 6 kg ist nicht zumutbar. Ein Teil der aufgeführten Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein, insbesondere die geringe Fähigkeit, Bückleistungen zu erbringen oder schwerere Lasten zu bewältigen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117 S. 374f.). An die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit werden derartige Arbeitsplätze regelmäßig ebenfalls keine besonderen Anforderungen stellen, so daß auch insofern im Hinblick auf die in Frage kommenden Tätigkeiten keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen angenommen werden kann. Da schließlich von der Klägerin selbst in diesem Zusammenhang keine konkreten Anhaltspunkte geliefert worden sind, brauchten für das LSG - läßt man die Gehbehinderung unberücksichtigt - nicht von vornherein ernste Zweifel daran zu bestehen, daß die Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung der Beklagten noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar war.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518154

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