Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. gesetzliche Unfallversicherung. Sportunfall. DDR

 

Orientierungssatz

1. Allein der Umstand, daß dem Verletzten wegen der Folgen seines Sportunfalls in der DDR eine Unfallrente gewährt wurde, vermag einen Anspruch nach dem FRG nicht zu begründen (vgl BSG vom 27.10.1965 - 2 RU 247/62 = BG 1966, 361).

2. Der Unfallversicherungsschutz nach § 7 S 1 FRG bestimmt sich danach, ob der Verletze einen Entschädigungsanspruch haben würde, wenn er bei den im Herkunftsland gegebenen Verhältnissen im Geltungsbereich der RVO verunglückt wäre (vgl BSG vom 30.11.1982 - 2 RU 63/81 = SozR 5050 § 9 Nr 1). Dabei sind die für das Unfallgeschehen maßgeblichen Verhältnisse des Herkunftslandes selbst dann zugrunde zu legen, wenn sie von denen im Geltungsbereich des FRG abweichen (vgl BSG vom 31.10.1969 - 2 RU 190/66 = SozR Nr 7 zu § 5 FRG). Allerdings können Sachverhalte, die dem Versicherungsschutz in der BRD wesensfremd sind, nicht Gegenstand der Eingliederung iS des FRG sein.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 548 Abs. 1 S. 1; FRG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.11.1989; Aktenzeichen L 7 U 380/88)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 04.11.1987; Aktenzeichen S 4 U 224/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der im Jahre 1942 geborene Kläger war vor seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1986 bei dem Graphischen Großbetrieb Völkerfreundschaft in D       als Programmierer beschäftigt. Seit dem Jahre 1957 betrieb er den Kletter- und Bergsport und wurde im Jahre 1963 wegen guter sportlicher Leistungen zum Leistungszentrum SC Einheit D       delegiert. Seitdem wurde er von seinem Betrieb mindestens zehn Arbeitstage monatlich zum Training freigestellt. Außerdem nahm er jedes Jahr ab Mitte Februar an einer Winterleistungsfahrt im Hochgebirge von ca 3 bis 4 Wochen und in den Sommermonaten Juni bis August an Hochleistungsfahrten der Nationalmannschaft von ca 8 bis 10 Wochen teil. Er erfüllte laufend die Leistungsnorm "Meisterklasse".

Am 11. März 1972 verunglückte er bei einer Winterkletterfahrt der Mannschaft in der Hohen Tatra und zog sich verschiedene Knochenbrüche zu. Sein Betrieb erkannte den Sportunfall als Arbeitsunfall an (Bestätigung vom 5. März 1973); er bezog von der Staatlichen Versicherung der DDR eine Unfallrente von zuletzt 45 vH (Unfallrentenbescheid vom 13. November 1973 und Änderungsbescheid vom 17. August 1982).

Mit Bescheid vom 27. Januar 1987 lehnte die Beklagte die Gewährung von Unfallrente ab. Der Unfall könne nach den Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht als Arbeitsunfall entschädigt werden, da der Kläger für die unfallbringende Tätigkeit im Zeitpunkt des Unfalls in der Bundesrepublik Deutschland keinen Versicherungsschutz gehabt hätte. Nur in einem Beschäftigungsverhältnis zu einem Sportverein stehende Sportler (wie zB die Fußballspieler der Bundesligen) seien gesetzlich gegen Arbeitsunfall versichert.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. November 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. März 1972 Verletztenrente zu gewähren (Urteil vom 9. November 1989). Zur Begründung heißt es im wesentlichen: Hätte sich der Unfall im Bundesgebiet ereignet, so wäre der Kläger nach § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen. Der Kläger sei persönlich abhängig und weisungsgebunden gegenüber dem Sportclub und dem Trainer gewesen. Um jährlich die Leistungsnorm "Meisterklasse" zu erfüllen, habe er die sportliche Betätigung nicht frei gestalten können; diese sei vielmehr aufgrund des individuellen Leistungsplans nach Zeit, Dauer und Art des Trainings vom Trainer des SC bestimmt worden. Die sportliche Betätigung des Klägers sei auch als Arbeit iS des Arbeits- und Sozialrechts anzusehen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Sie meint, das LSG habe unter Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 1 iVm § 7 Satz 1 FRG zu Unrecht angenommen, daß der Kläger zum Unfallzeitpunkt zu den nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO versicherten Personen gehört hätte, wenn sich der Unfall im Jahre 1972 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ereignet hätte. In der Bundesrepublik Deutschland hätte ein Kletter- und Bergsportler, auch wenn er für bestimmte Wettbewerbe der Nationalmannschaft angehöre, nicht zum versicherten Personenkreis gehört. Die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Kläger und dem SC Einheit D       führe dazu, daß nach dem FRG Sportler zum Kreis der versicherten Personen gehörten, die nach der bisher herrschenden Rechtsauffassung im Geltungsbereich der RVO nicht als abhängig Beschäftigte anzusehen seien. Entgegen der Intention des FRG führe das angefochtene Urteil im Ergebnis zu einer Besserstellung der Sportler aus der DDR. Damit werde der im FRG enthaltene Grundgedanke der Gleichstellung verletzt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 9. November 1989 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 4. November 1987 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente, weil sein Sportunfall vom 11. März 1972 nach § 5 Abs 1 Nr 1 FRG nicht als Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) zu entschädigen ist. Das diesem Ergebnis entgegenstehende Urteil des LSG war aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen (§ 170 Abs 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Nach § 5 Abs 1 Nr 1 iVm § 7 Satz 1 FRG wird ein außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes eingetretener Arbeitsunfall nach den für die gesetzliche Unfallversicherung maßgebenden bundesrechtlichen Vorschriften entschädigt, wenn der Verletzte im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert war und nach dem im Bundesgebiet geltenden Recht versichert gewesen wäre. Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des LSG hier nicht vor.

Mit dem Berufungsgericht geht der Senat davon aus, daß der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 1 FRG versichert war (s BSGE 21, 144, 145). Hierüber besteht insbesondere im Hinblick darauf, daß der Sportunfall von der Staatlichen Versicherung der DDR als Arbeitsunfall anerkannt wurde und dem Kläger wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls eine Unfallrente gewährt wurde, auch zwischen den Beteiligten kein Streit.

Allein dieser Umstand, daß dem Kläger wegen der Folgen seines Sportunfalls in der DDR eine Unfallrente gewährt wurde, vermag jedoch einen Anspruch nach dem FRG nicht zu begründen (s BSG Urteil vom 27. Oktober 1965 - 2 RU 247/62 - BG 1966, 361; Baumeister in SGB-SozVers-GesKomm, Art 1 § 5 FRG Anm 6b). Die mit dem FRG verwirklichte Eingliederung des durch dieses Gesetz begünstigten Personenkreises wird in der Weise erreicht, daß ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche so behandelt werden, als ob die Betroffenen ihr Arbeits- und Versicherungsleben in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt hätten. Die nach diesem Eingliederungsprinzip geschaffenen Regelungen des FRG bewirken nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eine dem Inländer vergleichbare Rechtsposition (BSG SozR 5050 § 9 Nr 2 mwN). Diesem Gedanken folgend bestimmt § 7 Satz 1 FRG, daß für die Voraussetzungen, Art, Höhe und Dauer der Leistungen die bundesrechtlichen und übrigen Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung gelten, die anzuwenden wären, wenn sich der Unfall dort, wo sich der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes zur Zeit der Anmeldung seines Anspruchs gewöhnlich aufhält, ereignet hätte. Somit bestimmt sich der Versicherungsschutz danach, ob der Verletzte einen Entschädigungsanspruch haben würde, wenn er bei den im Herkunftsland gegebenen Verhältnissen im Geltungsbereich der RVO verunglückt wäre (s BSGE 26, 40, 41; BSG SozR 5050 § 9 Nr 1). Dabei sind die für das Unfallgeschehen maßgeblichen Verhältnisse des Herkunftslandes selbst dann zugrunde zu legen, wenn sie von denen im Geltungsbereich des FRG abweichen (BSG SozR Nr 7 zu § 5 FRG). Allerdings können Sachverhalte, die dem Versicherungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland wesensfremd sind, nicht Gegenstand der Eingliederung iS des FRG sein (Baumeister aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte der Kläger nach dem im Zeitpunkt des Unfalls im Bundesgebiet maßgebenden Recht (s BSG SozR 5050 § 9 Nr 1; Aulmann in Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, FRG, § 5 RdNr 9) bei seiner sportlichen Betätigung am 11. März 1972 keinen Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO) erlitten, weil er sich nicht bei einer versicherten Tätigkeit ereignete.

Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist (Wertung), und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (haftungsbegründende Kausalität). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis (§ 539 Abs 1 Nr 1 RVO) bestehen, der sog innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nr 82).

Als Beschäftigter des Graphischen Betriebes Völkerfreundschaft in D       wäre der Kläger im Unfallzeitpunkt nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zwar grundsätzlich gegen Unfall versichert gewesen. Der Sportunfall steht jedoch - auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der im Herkunftsland gegebenen Verhältnisse - nicht in innerem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit in diesem Betrieb. Nach den Feststellungen des LSG wurde der Kläger von seiner beruflichen Tätigkeit zum Training lediglich freigestellt. Ferner nahm er jedes Jahr im Winter ca 3 bis 4 Wochen und im Sommer ca 8 bis 10 Wochen an Hochleistungsfahrten teil. Es ist nicht ersichtlich, daß der Betrieb auf Zeit, Dauer, Ort oder Art des Trainings irgendwelche Einflußmöglichkeiten hatte und daß die sportliche Tätigkeit des Klägers wesentlich auch den Interessen des Betriebes zu dienen bestimmt war. Der Betrieb unterstützte lediglich durch die Freistellung des Klägers von der beruflichen Tätigkeit die sportliche Betätigung des bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers, ohne daß dadurch diese dem Unternehmen zu dienen bestimmt war.

Auch die vom Bundessozialgericht (BSG) zum versicherten Betriebssport als Maßnahme der Gesunderhaltung der Beschäftigten und zur Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft entwickelten Grundsätze (s grundlegend BSGE 16, 1 ff sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 482u ff mwN) führen zu keinem anderen Ergebnis hinsichtlich des rechtlich wesentlichen Zusammenhangs zwischen dem Hochleistungssport und der versicherten betrieblichen Tätigkeit des Klägers als Programmierer. Für die Anerkennung eines unfallversicherten Betriebssports müssen die sportlichen Tätigkeiten dem Ausgleich für die - körperliche, geistige oder nervliche - Belastung durch die Betriebstätigkeit dienen; die Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampf oder an Veranstaltungen zur Erzielung von sportlichen Spitzenleistungen entspricht dem nicht (BSGE 16, 1, 4; 41, 145, 147; Brackmann aaO S 482w).

Der Kläger hat seine sportlichen Betätigungen insbesondere während der Hochleistungsfahrten aber auch nicht in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstverhältnis iS von § 539 Abs 1 Nr 1 RVO zum SC Einheit D       betrieben.

Wesentliches Merkmal eines Beschäftigungsverhältnisses iS dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die persönliche Abhängigkeit gegenüber einem Arbeitgeber, die sich vornehmlich in der Eingliederung des Beschäftigten in einem Betrieb äußert, womit in aller Regel das Direktionsrecht des Arbeitgebers verbunden ist (Brackmann aaO S 470 f I). Hierfür wiederum ist kennzeichnend, daß der Beschäftigte im wesentlichen seine Tätigkeit nicht frei gestalten kann, sondern im allgemeinen einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit umfassenden Weisungsrecht unterliegt (BSGE 11, 257, 259, 260; 16, 98, 101; Brackmann aaO S 469k mwN). Auch bei einem Sportler können die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO gegeben sein. Hiernach hat das BSG die persönliche Abhängigkeit eines Vertragsfußballspielers bejaht, der im Hauptberuf als Kraftfahrer tätig war und mit seinem Sportverein als Arbeitgeber einen Vertrag über seine fußballsportliche Tätigkeit einging und bestimmte Geldbeträge nicht nur als Aufwandsentschädigung, sondern als Ausgleich für seine vertraglich vereinbarte sportliche Inanspruchnahme erhielt (BSGE 16, 98; s auch Brackmann aaO S 471i sowie Majerski-Pahlen, SGb 1990 49, 50). Der Sportverein verfolgte ebenso wirtschaftliche Interessen wie seine Vertragsfußballspieler. Der wirtschaftliche Erfolg ihrer sportlichen Leistungen kam unmittelbar dem Verein zugute, der ihn zum Teil als Arbeitgeber an seine Vertragsfußballspieler weitergab. Die persönliche Abhängigkeit entnahm das BSG den vertraglichen Pflichten des Fußballspielers, nämlich der vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Einhaltung der vom Verein angesetzten Trainingsstunden und zur intensiven Mitarbeit nach den Anordnungen des Trainingsleiters und aus der Pflicht, die Anordnungen des Vereins über die Teilnahme an Wettspielen zu befolgen. Außerdem konnte der Verein bei Verletzung der vertraglichen Pflichten bestimmte Strafen verhängen.

Von diesen Fällen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO bei sportlichen Betätigungen sind die Beziehungen zwischen dem Sportler und einem Verein zu unterscheiden, der gegenüber seinen Sportlern kein Arbeitgeber ist und bei dem die sportliche Betätigung des aktiven Sportlers nicht dazu bestimmt ist, den wirtschaftlichen Erfolg sportlicher Tätigkeit unmittelbar dem Verein zuteil werden zu lassen. Kennzeichnend ist vielmehr, daß der Erfolg der sportlichen Leistung hier unmittelbar dem einzelnen Sportler oder der Mannschaft zugute kommt. Diese Beziehungen sind ausschließlich mitgliedschaftsrechtlich und durch eine sportlich-freiwillige Disziplin geprägt (s BSGE 16, 98, 101). Auch in der Bundesrepublik Deutschland besteht insbesondere bei einem Hochleistungssportler eine enge persönliche Bindung zum Verein und zum Trainer mit der Folge, daß dieser Sportler während seiner Mitgliedschaft zum Verein seine sportliche Betätigung nicht mehr unabhängig vom Verein und Trainer gestalten kann, sondern daß - ebenso wie beim Kläger - etwa aufgrund individueller Leistungspläne Zeit, Dauer, Ort und Art des Trainings bestimmt werden. Diese zur Erreichung von sportlichen Höchstleistungen eingegangene und ggf auch vertraglich abgesicherte persönliche Bindung des Hochleistungssportlers kann sogar bis in das Privatleben hineinreichen und damit über das einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zugrundeliegende Direktionsrecht des Arbeitgebers hinausgehen. Eine derart umfassende Bindung resultiert aber aus dem besonderen Verhältnis zwischen dem Sportler und dem seinen Hochleistungssport fördernden Verein und ist grundverschieden von der persönlichen Abhängigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis. Die Bindung bezieht sich vielmehr auf eine lediglich sportliche, dem Arbeitsleben nicht zurechenbare Tätigkeit. Eine Arbeitsleistung, die Gegenstand eines Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO ist, muß wirtschaftlich als Arbeit gewertet werden können (BSGE 10, 94, 96). Dies ist ua nicht der Fall, wenn der Sportler mit seiner sportlichen Tätigkeit in erster Linie die körperliche Ertüchtigung und darüber hinaus persönliche Höchstleistungen anstrebt (BSGE aaO). Sportliche Betätigungen dieser Art unterscheiden sich von der mit einem Beschäftigungsverhältnis angestrebten wirtschaftlichen Arbeitsleistung wesentlich durch die ihr zugrundeliegenden anders gearteten Beweggründe und Ziele (BSGE aaO). Zwar streben auch in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Sportler sportliche Höchstleistungen an, dies aber deshalb, um durch diese Arbeitsleistung die dem Beschäftigungsverhältnis zugrundeliegende Arbeitsverpflichtung zu erfüllen und darüber hinaus die mit der sportlichen Tätigkeit bezweckte Verbesserung oder Sicherstellung des Lebensunterhaltes zu gewährleisten oder durch weitere Höchstleistungen das Arbeitsverhältnis zu erhalten oder zu seinen Gunsten zu ändern und durch dieses Arbeitsverhältnis seine finanziellen Lebensverhältnisse zu verbessern (s BSGE aaO).

Demgegenüber begab sich der Kläger in die Bindung an den Verein und den Trainer, um sportliche Höchstleistungen zu erzielen und sich dadurch weiterhin die Spitzensportlern gewährten besonders vorteilhaften Trainingsmöglichkeiten zu erhalten. Nach den Feststellungen des LSG bezog der Kläger unabhängig von seiner Freistellung zum Training und zu den Leistungsfahrten von seinem Betrieb den vollen Arbeitslohn. Für Zeiten, in denen der Kläger für seine sportliche Tätigkeit freigestellt war, wurde der Arbeitslohn dem Betrieb vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) der DDR erstattet. Insoweit war letztlich vom DTSB sichergestellt, daß der Kläger durch seine sportlichen Leistungen keinen Lohnausfall erlitt. Für die Trainingstage erhielt der Kläger neben dem laufenden Gehalt vom Verein/Sportverband ein Tagegeld und die Erstattung von Fahrt- bzw Verpflegungskosten. Für die Leistungsfahrten mußte der Kläger eine Selbstkostenbeteiligung aufbringen; alle anderen Kosten wurden vom Verein/Sportverband getragen. Die Sicherstellung des Lebensunterhaltes durch die vom Verein/Sportverband getragene Fortzahlung des Lohnes aus dem Beschäftigungsverhältnis mit dem graphischen Betrieb während des Trainings und der Wettbewerbsveranstaltungen sowie die gegenüber der übrigen Bevölkerung der DDR Spitzensportlern gewährten sonstigen Privilegien (zB kürzere Wartezeit beim Kauf eines Pkw; Befreiung von gesellschaftlichen Verpflichtungen) mögen nach den Feststellungen des LSG auch eine nicht unerhebliche Motivation für die sportlichen Leistungen gewesen sein. Zumindest im Falle des Klägers handelt es sich dabei aber entweder um - übliche - Aufwandsentschädigungen (Tagegeld und Fahrgelderstattungen) oder um Vergünstigungen, die nicht iS von Leistung und Gegenleistung in Bezug zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, dh keine unmittelbare wirtschaftliche Gegenleistung für eine Arbeitsleistung darstellen. Dabei übersieht der Senat auch nicht, daß die berufliche und sportliche Einstufung parallel verlief.

Durch die Ablehnung seines Entschädigungsanspruchs wird der Kläger gegenüber vergleichbaren Hochleistungssportlern der Bundesgebiete in vergleichbarer Stellung gleichbehandelt. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe hat schon vor Jahren für alle von ihr geförderten Spitzensportler und Talente einen - privaten - Versicherungsschutz eingerichtet, durch den die materielle Seite von Unfällen abgesichert ist. Dabei handelt es sich um eine Zusatzversicherung, welche in schweren Fällen dann eintritt, wenn die über den Verein bzw den Landessportbund abgeschlossene Versicherung nicht oder in nicht ausreichendem Maße eintritt (s Pelshenke, in Der Sport in der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S 105, 109). Durch diese Gleichstellung des Klägers wird zudem das im FRG verankerte Eingliederungsprinzip verwirklicht, das eine Gleichbehandlung, aber keine Besserstellung der unter den Anwendungsbereich des FRG fallenden Personen mit den Einheimischen vorsieht (Aulmann aaO § 5 RdNr 9).

Schließlich ist ein Entschädigungsanspruch des Klägers auch nicht nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO und § 5 Abs 1 Nr 1 FRG begründet. Nach dieser Vorschrift sind gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die "wie" ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Versicherter tätig werden. Dies erfordert eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit, die dem möglichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen und unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist (BSG SozR 2200 § 539 Nr 119). Diese Voraussetzungen sind allein schon deshalb nicht erfüllt, weil, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, die sportliche Betätigung des Klägers im Rahmen seines Vereins und des Leistungszentrums nicht als Verrichtung einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1667521

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