Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 10.12.1991)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin die Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung verlangen kann.

Die 1930 geborene Klägerin legte zuletzt bis 12. Juli 1957 Pflichtbeitragszeiten zurück; in den Jahren 1976 bis 1979 leistete sie freiwillige Beiträge. Die Klägerin hielt sich mit ihrem Ehemann, dem Beigeladenen, vom 1. September 1957 bis 31. August 1960 in Argentinien auf. Am 31. Mai 1958 wurde dort der Sohn J. D. … geboren. Im Jahre 1961 folgte die Klägerin dem Beigeladenen nach Belgien, wo sie am 14. Oktober 1964 den Sohn R. G. … gebar.

Der Beigeladene war zunächst bei der S. … AG in Deutschland beschäftigt und arbeitete ab 10. Januar 1957 bei der S. … A. … S.A., Buenos Aires. Nach seiner Rückkehr aus Argentinien war er vom 1. Juli 1960 bis 30. Juni 1961 erneut bei der S. … AG in Deutschland tätig und entrichtete dabei Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Im Anschluß daran arbeitete der Beigeladene ab 1. Juli 1961 als Betriebsingenieur bei der S.A. S. … N.V., Belgien. Während seiner bis April 1973 dauernden Beschäftigung in Belgien entrichtete er Pflichtbeiträge zur belgischen Rentenversicherung. Ab 1. Mai 1973 war der Beigeladene erneut in den Diensten der S. … AG Deutschland tätig und dort bis zum 31. März 1986 versicherungspflichtig beschäftigt. In den Jahren 1960 bis 1966 entrichtete der Beigeladene für jeweils sechs Monate Beiträge zur Höherversicherung; für die nicht belegten Zeiten vom 1. August 1957 bis 31. Dezember 1959 und vom 1. Juli 1961 bis 30. April 1973 entrichtete der Beigeladene freiwillige Beiträge nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG).

Mit Bescheid vom 19. Juli 1988 lehnte die Beklagte die Vormerkung von Kindererziehungszeiten für die Söhne J. D. … und R. G. … ab, weil sich die Klägerin während des ersten Jahres nach der Geburt der Kinder zusammen mit ihnen im Ausland aufgehalten habe. Das Sozialgericht München (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Juni 1989). Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichtes ≪LSG≫ vom 10. Dezember 1991). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Kindererziehungszeiten könnten nicht vorgemerkt werden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten seinerzeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Argentinien bzw Belgien begründet und nicht im Geltungsbereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) beibehalten. Es lägen auch nicht die Voraussetzungen für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 1251a Abs 3 iVm § 1227a Abs 5 Sätze 1 und 2 RVO vor. Weder die Klägerin noch der Beigeladene habe während der Kindererziehung oder unmittelbar vor der Geburt während einer Beschäftigung im Ausland Pflichtbeitragszeiten nach der RVO zurückgelegt. Der Beigeladene habe auch weder zum Personenkreis des § 1229 RVO (§ 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes ≪AVG≫) gehört noch sei er von der Versicherungspflicht befreit oder versicherungsfrei nach § 4 AVG aF gewesen. Unabhängig davon hätten während der Aufenthalte in Argentinien und in Belgien auch keine dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen einer sog Ausstrahlung vorgelegen. Was die Tätigkeit des Beigeladenen in Argentinien angehe, so sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Entsendung vorgelegen habe. Jedenfalls scheitere die Ausstrahlung daran, daß die Entsendung im voraus weder infolge der Eigenheit der Beschäftigung noch vertraglich zeitlich begrenzt gewesen sei. Dasselbe gelte auch für die Tätigkeit des Beigeladenen in Belgien. Ein inländisches Beschäftigungsverhältnis habe ab dem 1. Juli 1961 nicht fortbestanden. Der Beigeladene habe mit der S. … S.A. Brüssel einen eigenen Dienstvertrag abgeschlossen. Auch sei die Beschäftigung in Belgien zeitlich unbefristet gewesen. Die gesetzliche Regelung in § 1227 Abs 5 RVO verstoße nicht gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG). Auch aus zwischenstaatlichen und überstaatlichen Regelungen könne die Klägerin keinen Anspruch herleiten.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, ihr seien Kindererziehungszeiten für ihre beiden im Ausland geborenen Kinder nach den §§ 56 Abs 3 Sätze 2 und 3 iVm § 249 Abs 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) anzurechnen. Freiwillige Beitragszeiten bzw belgische Pflichtbeitragszeiten des Beigeladenen stünden deutschen Pflichtbeiträgen gleich. Es bestehe auch kein sachlicher Grund, die Klägerin, bei deren Ehegatten ein Fortdauern des inländischen Beschäftigungsverhältnisses (Rumpfarbeitsverhältnis) vorgelegen habe, schlechterzustellen als einen erziehenden Elternteil bei einer sog Quasi-Entsendung eines Beamten. Nach dem Gesetzeswortlaut einbezogen seien zudem auch Eltern, die zu dem vom Fremdrentengesetz (FRG) erfaßten Personenkreis gehörten. Es bestünden deshalb im Hinblick auf die Art 3, 6, 20 GG erhebliche Bedenken gegen den Standpunkt des LSG. Darüber hinaus sei hinsichtlich des in Belgien geborenen Kindes Gemeinschaftsrecht verletzt.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1991 und des Sozialgerichts München vom 20. Juni 1989 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zeiten vom 1. Juni 1958 bis 31. Mai 1959 und vom 1. November 1964 bis 31. Oktober 1965 als Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die rechtliche Würdigung des LSG für zutreffend.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung für ihre Söhne J. D. … und R. G. ….

Anspruchsgrundlage für die Vormerkung der geltend gemachten Zeiten ist jetzt § 149 Abs 5 iVm § 3 Satz 1 Nr 1 sowie §§ 56 und 249 Abs 1 SGB VI. Diese Vorschriften finden hier nach der am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI Anwendung (vgl BSGE 71, 227, 228 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4). Unerheblich ist, daß das LSG zutreffend noch das alte Recht zugrunde gelegt hat.

Gemäß § 3 Satz 1 Nr 1 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 iVm § 249 Abs 1 SGB VI endet die Kindererziehungszeit für ein – wie hier – vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Einem Elternteil wird nach § 56 Abs 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (vgl dazu § 56 Abs 3 SGB VI), die Erziehung diesem Elternteil zuzurechnen ist (vgl aaO Abs 2) und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (vgl aaO Abs 4).

Der Grundtatbestand des § 56 SGB VI setzt voraus, daß der erziehende Elternteil im gesetzlich maßgebenden Zeitraum mit dem Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 6 S 25). § 56 Abs 1 SGB VI nennt zwar zwei Voraussetzungen, nämlich den gewöhnlichen Aufenthalt des Erziehenden im Inland und die Erziehung des Kindes im Inland. Die letztgenannte Voraussetzung wird aber in § 56 Abs 3 Satz 1 SGB VI dahin definiert, daß eine Erziehung im Inland vorliegt, wenn der erziehende Elternteil mit dem Kind dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (s auch BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 15).

Das LSG hat hierzu festgestellt, daß die Klägerin und ihre Kinder im jeweils entscheidungserheblichen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland nicht (mehr) ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Hiergegen sind Verfahrensrügen nicht erhoben worden. Diese Frage ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Die Klägerin erfüllt für ihre Kinder J. D. … und R. G. … auch nicht die Voraussetzungen, daß die Erziehung in Argentinien bzw Belgien einer Erziehung in der Bundesrepublik gleichsteht. Die Gleichstellung von Zeiten der Kindererziehung außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik ist in § 56 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB VI geregelt. Hiernach steht es einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat (Satz 2 aaO). Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten im Ausland auch, wenn der Ehegatte des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (Satz 3 aaO).

Die Klägerin hat zwar während der strittigen Zeiten in Argentinien und Belgien gelebt, sie hat dort jedoch nicht aufgrund einer Beschäftigung Pflichtbeiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Ferner sind die Voraussetzungen des § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI in der Person des Beigeladenen nicht erfüllt.

Die erste Alternative dieser Bestimmung – Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Beschäftigung oder Tätigkeit im Ausland – ist nur gegeben, wenn der Ehegatte im fraglichen Zeitraum beitragspflichtig zur deutschen Rentenversicherung war und Beiträge auch tatsächlich entrichtet hat (stRspr; vgl etwa BSGE 63, 282, 285 = SozR 2200 § 1251a Nr 2; BSGE 68, 24, 25 = SozR 3-2200 § 1251a Nr 11; BSGE 70, 62, 64 = SozR 3-5750 Art 2 § 62 Nr 6). Eine freiwillige Beitragsentrichtung genügt entgegen der Auffassung der Klägerin demnach nicht. Aus den Feststellungen des LSG, die von der Klägerin nicht angegriffen worden und damit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), läßt sich entnehmen, daß der Beigeladene sowohl während seiner Beschäftigung in Argentinien als auch in Belgien keine Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt hat. Der Beigeladene gehörte auch nicht zu der in § 56 Abs 3 Satz 3 2. Alt SGB VI genannten Personengruppe, denn er war während seiner Auslandsbeschäftigungen weder nach § 5 Abs 1 und 4 SGB VI oder einer entsprechenden früheren Regelung versicherungsfrei noch von der Versicherungspflicht befreit. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf sonstige Fälle der Versicherungsfreiheit von Gesetzes wegen oder auf Antrag (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 14) kommt vorliegend schon deswegen nicht in Betracht, weil eine Gleichstellung derartiger Tatbestände voraussetzt, daß grundsätzlich, dh ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände, die zur Versicherungsfreiheit führen, Versicherungspflicht zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hätte (vgl BSGE 68, 24, 26; BSGE 70, 62, 65).

Eine solche Versicherungspflicht des Beigeladenen hat das LSG sowohl für die Beschäftigung in Argentinien als auch in Belgien verneint. Eine Pflichtversicherung für die im Ausland verrichtete Tätigkeit wäre bei Anwendung der Grundsätze der „Ausstrahlung” (seit 1. Juli 1977 kodifiziert in § 4 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -≪SGB IV≫) gegeben, wenn die Auslandsbeschäftigung im Rahmen eines fortbestehenden inländischen Beschäftigungsverhältnisses erfolgte und zusätzlich im voraus zeitlich begrenzt war (vgl BSGE 68, 24, 26 ff; BSGE 70, 62, 66; vgl dazu auch BSGE 61, 123, 125 = SozR 5870 § 1 Nr 11; SozR aaO Nr 9). An einem derartigen Entsendungstatbestand fehlt es hier schon deshalb, weil es sich bei der S. … A. … S.A., Buenos Aires, und der S.A. S. … N.V., Belgien, um selbständige Tochterunternehmen der S. … AG in Deutschland gehandelt haben dürfte, mit denen der Beigeladene nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG gesonderte Dienstverträge vereinbart hatte. Dessen ungeachtet kommt hier eine Ausstrahlung aber auch deswegen nicht in Betracht, weil die Tätigkeiten des Ehemannes der Klägerin in Argentinien und in Belgien nicht im voraus zeitlich begrenzt waren. Dies ergibt sich aus den berufungsgerichtlichen Feststellungen, die von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (vgl zur Bindung des Revisionsgerichts an alle aus dem Urteil der Vorinstanz ersichtlichen Tatsachen: BSG, Urteil vom 10. November 1993 – 11 RAr 47/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; BVerwG DVBl 1963, 521).

Bezüglich der Beschäftigung des Beigeladenen in Argentinien hat das LSG festgestellt, daß die Dauer dieser Beschäftigung zeitlich und auch der Natur der Beschäftigung nach nicht befristet gewesen war. Eine zeitliche Begrenzung ist in die vertraglichen Vereinbarungen nicht eingeflossen.

Hinsichtlich der Tätigkeit in Belgien ist festgestellt, daß der Beigeladene für die Zeit ab 1. Juli 1961 mit der S.A. S. … N.V. in Belgien einen eigenen Dienstvertrag abgeschlossen hat und diese Beschäftigung zeitlich unbefristet gewesen ist. Für dieses Beschäftigungsverhältnis galt Art 13 der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) Nr 3 vom 25. September 1958 (ABl EG, L 58 Nr 30 S 561), wonach eine Entsendung mit der Folge des Fortbestehens der Versicherungspflicht in Deutschland im Regelfall auf ein Jahr befristet sein muß und nur in Ausnahmefällen diesen Zeitraum überschreiten darf. Daher unterlag das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen der belgischen Versicherungspflicht (vgl Art 12 Abs 1 EWGV Nr 3).

Die Klägerin kann sich zur Begründung ihres Anspruches auch nicht auf die Grundsätze berufen, die der 4. Senat des Bundessozialgerichtes (BSG) in verfassungskonformer Auslegung des § 56 Abs 3 SGB VI für die Fälle entwickelt hat, in denen – ohne Verrichtung einer nach § 4 SGB IV „Ausstrahlung”) konkret versicherungspflichtigen Beschäftigung – mit dem inländischen Arbeitgeber ein sogenanntes „Rumpfarbeitsverhältnis” fortbesteht (vgl BSGE 71, 227 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4; Urteile vom 16. November 1993 – 4 RA 39/92 – und vom 25. Januar 1994 – 4 RA 48/92 –). Denn unabhängig davon, ob während der Beschäftigungen des Beigeladenen in Argentinien und Belgien jeweils ein ruhendes Arbeitsverhältnis mit gewissen fortbestehenden Rechten und Pflichten zur S. … AG in Deutschland vorhanden war, scheitert hier ein Anspruch bereits daran, daß diese Auslandstätigkeiten nach den bindenden Feststellungen des LSG nicht von vornherein durch Vertrag zeitlich begrenzt waren. Auf dieses Merkmal kann jedoch nach der Rechtsprechung des 4. Senates, der sich der erkennende Senat anschließt, auch beim Vorliegen eines Rumpfarbeitsverhältnisses nicht verzichtet werden, da nach der Konzeption des Gesetzes (vgl § 3 ff SGB IV) von der grundsätzlichen Anknöpfung der Versicherungspflicht an die Beschäftigung im Inland nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum abgewichen werden kann. Soweit die Klägerin in der Revisionsbegründung im Zusammenhang mit Zitaten aus dem Urteil vom 17. November 1992 (BSGE 71, 227) beiläufig erwähnt, die dort entwickelten Kriterien hätten auch beim Beigeladenen vorgelegen, kann sie damit mangels ordnungsgemäßer Rügen nicht gehört werden. Mit dieser Darstellung setzt die Klägerin lediglich ihre eigene Auffassung an die Stelle des LSG, ohne Verfahrensmängel hinreichend deutlich zu machen und in der vorgeschriebenen Form aufzuzeigen.

Ebensowenig sind die von der Klägerin ins Feld geführten Entscheidungen des 4. Senates zur sogenannten „Quasi-Entsendung” (vgl etwa BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 6) einschlägig. Denn der Beigeladene stand nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis; überdies wird auch in diesen Fällen eine zeitliche Begrenzung der Auslandstätigkeit verlangt.

Eine weitere, über den vorstehend beschriebenen Anwendungsbereich des § 56 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB VI hinausgehende ausdehnende Auslegung der Vorschriften kommt nicht in Betracht. Das Gesetz enthält bezüglich der Nichtberücksichtigung von Kindererziehungszeiten über die genannten Fälle hinaus keine planwidrige Regelungslücke (vgl BSG, Urteile vom 25. Januar 1994 – 4 RA 3/93 –; BSGE 68, 24, 28; vgl auch BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 20). Mit den Regelungen über die Berücksichtigung von Leistungen der Kindererziehung honoriert der Gesetzgeber grundsätzlich nur Zeiten in der Bundesrepublik Deutschland, um eine Benachteiligung von Personen, die sich innerhalb der Familie der Kindererziehung widmen, im hier bestehenden Alterssicherungssystem zu vermeiden; denn diese Leistung hat, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ausgeführt hat, für die inländische Altersversorgung im Rahmen des Generationenvertrages bestandssichernde Bedeutung (vgl BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 AllgNr 1). Dem werden unter den Voraussetzungen des § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI Zeiten an einem ausländischen Erziehungsort gleichgestellt, weil auch hier in typisierender und pauschalierender Betrachtungsweise ein aktueller Bezug zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unterstellt wird. Aus verfassungsrechtlichen Gründen (vgl Art 6 Abs 1 GG) wird dieser Grundsatz lediglich in § 56 Abs 3 Satz 3 SGB IV durchbrochen und der erforderliche Inlandsbezug mittelbar über den Ehegatten hergestellt, wenn in bezug auf diesen eine enge sachliche (zumindest Rumpfarbeitsverhältnis) und zeitliche „im voraus begrenzt”) Anbindung der Auslandstätigkeit an das inländische Arbeits- und Erwerbsleben besteht (vgl BSGE 71, 227, 231 ff). Sonstige Zeiten der Auslandserziehung weisen dagegen keinen vergleichbaren Inlandsbezug aus, der nach dem Normprogramm des § 56 SGB VI (vgl BSGE 71, 227, 233) einen Ausgleich von Nachteilen im inländischen Versicherungssystem erforderte.

Die Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten der Kindererziehung zugunsten der Klägerin kommt somit nach den Bestimmungen des SGB VI weder für den Sohn J. D. … noch den Sohn R. G. … in Betracht. Die Erziehung dieser Kinder kann aber auch nicht nach zwischen- bzw überstaatlichen Vorschriften angerechnet werden. Ein Abkommen mit Argentinien, das eine derartige Gleichstellung erlaubte, ist – wie das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat – nicht vorhanden. Die Klägerin kann sich ferner nicht auf das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 (BGBl II 1963, S 406) und die dortige Gebietsgleichstellung nach Art 4 Abs 1 berufen. Diese Bestimmung war während der Tätigkeit des Beigeladenen in Belgien durch Anh D der EWGV Nr 3 bereits aufgehoben. Sie galt nur noch für die Fälle des Art 4 Abs 2 des Abkommens, also für belgische Familienbeihilfen und deutsches Kindergeld bei Renten der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung. An die Stelle der EWGV Nr 3 ist die Verordnung des Rats der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Nr 1408/71 (ABl EG L 149/2 vom 5. Juli 1971; ABl EG L 230 vom 22. August 1983; „Konsolidierte Fassung” abgedruckt in ABl EG C 325 vom 10. Dezember 1992; EWGV 1408/71), getreten (vgl Art 6 Buchst a EWGV 1408/71). Zu den Bestimmungen, die (ausnahmsweise) anwendbar bleiben, gehört Art 4 des Abkommens nicht (vgl Art 7 Abs 2 Buchst c EWGV 1408/71 iVm Anhang III A Nr 2; vgl BSG, Urteil vom 25. April 1990 – 4 RA 48/89 – SozSich 1991, 30).

Auch die mit der Verordnung Nr 2195 vom 25. Juni 1991 (ABl EG L 206/2 vom 29. Juli 1991) in Anhang VI C Nr 19 EWGV 1408/71 eingefügte Regelung kommt der Klägerin nicht zugute, weil sie erst ab 1. Januar 1986 gilt und die streitige Zeit der Erziehung des Sohnes R. G. … in Belgien in der Zeit davor lag. Im übrigen findet diese Regelung auf die Klägerin auch inhaltlich keine Anwendung (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 20; vgl ferner BSG, Urteil vom 13. Oktober 1992 – 5 RJ 38/92 –, AmtlMitt LVA Rheinpr 1993, 446). Diese Vorschrift lautet: „Als Versicherungszeit wegen Kindererziehung gilt auch die Zeit, in der die Erziehung eines Kindes durch den betroffenen Arbeitnehmer in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt, soweit dieser Arbeitnehmer nach § 6 Abs 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) nicht beschäftigt werden darf oder Erziehungsurlaub gemäß § 15 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) nimmt und er nicht eine geringfügige Beschäftigung gemäß § 8 SGB IV ausgeübt hat”. Die Klägerin stand aber weder in einem Beschäftigungsverhältnis iS des § 1 MuSchG noch hatte sie Erziehungsurlaub nach § 15 BErzGG genommen.

Dadurch, daß die von der Klägerin in Belgien geleistete Kindererziehung in der deutschen Rentenversicherung unberücksichtigt bleibt, ist der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) nicht verletzt. Art 51 EGV und die EWGV 1408/71 sehen, wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, lediglich die Zusammenrechnung der in verschiedenen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten vor; sie regeln dagegen nicht die Voraussetzungen für die Entstehung dieser Versicherungszeiten (EuGHE 1989, 581 = SozR 6030 Art 51 Nr 23; SozR 3-6030 Art 48 Nr 5; vgl auch EuGHE 1975, 891 = SozR 6050 Art 45 Nr 1). Es ist vielmehr Sache jedes Mitgliedstaats, durch den Erlaß von Rechtsvorschriften die Voraussetzungen festzulegen, unter denen eine Person einem System der Sozialen Sicherheit beitreten kann und muß, solange es dabei nicht zu einer offenen oder versteckten diskriminierenden Unterscheidung zwischen Inländern und Angehörigen der übrigen Mitgliedstaaten kommt (vgl EuGHE 1980, 1445, 1458 = SozR 6050 Art 1 Nr 11; SozR 3-6030 Art 48 Nr 5).

Wie bereits dargetan, ist für die Anrechnung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung nach dem SGB VI ein enger Bezug zum inländischen Rentenversicherungssystem (zumindest aber – § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI – zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben) erforderlich. Die Anbindung an das inländische System als Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer Vergünstigung hat aber auch der EuGH bereits herausgestellt (vgl etwa Urteil vom 25. Februar 1986 – EuGHE 1986, 685, 700 = SozR 6050 Anh VI Nr 2). Eines solchen Bezuges entbehren jedoch Fälle wie der vorliegende, wo der erziehende, nicht berufstätige Elternteil seinem Ehegatten in einen anderen Beschäftigungsstaat folgt, wo dieser nach den dortigen Rechtsvorschriften der Versicherungspflicht unterworfen ist. Daraus ergibt sich weder eine gemeinschaftswidrige Diskriminierung noch wird damit der in Art 48 EGV herausgestellte Grundsatz der Freizügigkeit verfehlt. Denn die Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, verlieren hier keine Vergünstigungen, die ihnen nach dem nationalen Recht zustehen (vgl dazu EuGHE I 1991, 323; EuGHE I 1991, 1119 = SozR 3-6050 Art 3 Nr 1; SozR 3-6030 Art 48 Nr 5).

Der Ausschluß der Klägerin von der Anerkennung der Zeiten der Erziehung ihrer Kinder J. D. … und R. G. … als Pflichtbeitragszeiten ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Aus Art 6 Abs 1 GG läßt sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers, Erziehungszeiten im Ausland in der gesetzlichen Rentenversicherung zu honorieren, nicht herleiten. Der Staat ist weder gehalten, jegliche die Familie betreffenden Belastungen auszugleichen, noch hat er die Familie ohne Rücksicht auf sonstige öffentliche Belange zu fördern. Demgemäß läßt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip (Art 20 Abs 1 GG) zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher Ausgleich vorzunehmen ist. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f).

Prüfungsmaßstab ist daher in erster Linie Art 3 Abs 1 GG. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist jedoch nicht erkennbar. Das Gleichheitsgebot ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 79, 87, 98; 81, 228, 236; 85, 360, 363; 87, 1, 36). Außerhalb des Verbots einer ungerechtfertigten Behandlung mehrerer Personengruppen läßt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber jedoch weitgehende Freiheiten, Lebenssachverhalte und das Verhalten von Personen entsprechend dem Regelungszusammenhang verschieden zu behandeln (BVerfGE 60, 329, 346; 81, 156, 206; 83, 1, 23). Hiernach liegt eine verfassungwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin weder gegenüber dem Elternteil vor, der seine Kinder im Inland erzogen hat, noch gegenüber dem Elternteil, der im Falle einer Auslandserziehung selbst den gesetzlich vorgesehenen engen Bezug zum inländischen Rentenversicherungssystem hatte oder dessen Ehegatte zumindest noch eine enge Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben aufweist. Für diese Differenzierung gibt es – wie bereits in anderem Zusammenhang aufgezeigt – sachliche Gründe. Die Nichtanerkennung der Erziehungsleistungen ist in Fällen der vorliegenden Art gerechtfertigt, weil hier die Lücken in der Rentenbiographie typischerweise dadurch entstehen, daß die betreffende Person in ein ausländisches Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem übergewechselt ist und gerade deswegen keine nach deutschem Recht versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Dies hat das BSG bereits mehrfach entschieden (vgl statt aller BSGE 63, 282, 291 ff; 68, 24, 29 f; vgl auch BSGE 70, 62, 67 f).

Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin ergibt sich auch nicht daraus, daß gemäß § 28b FRG Kindererziehungszeiten auch dann angerechnet werden, wenn die hiervon begünstigten Personen (vgl § 1 FRG) ihre Kinder außerhalb des Geltungsbereiches des SGB VI in dem jeweiligen Herkunftsgebiet erzogen haben. Zwar handelt es sich in diesen Fällen ebenfalls um Zeiten eines Aufenthalts im Ausland, indessen rechtfertigt sich die Gleichbehandlung mit inländischen Zeiten der Kindererziehung hier im Hinblick auf den das FRG prägenden Grundsatz der Eingliederung der Versicherten in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dadurch soll nämlich sichergestellt werden, daß diejenigen, die ihren bisherigen Versicherungsschutz im wesentlichen infolge der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges verloren haben, rentenrechtlich grundsätzlich so gestellt werden, als ob sie ihr Arbeits- und Erwerbsleben hier verbracht hätten. Wenn der Gesetzgeber hier unter historischen Gesichtspunkten eine Gleichstellung mit inländischen Kindererziehungsleistungen vornimmt, so sprechen hierfür sachlich einleuchtende Gründe (vgl BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 20; vgl auch BSGE 63, 282, 287).

Nach allem ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen kommt hier nicht in Betracht, weil dieser sich am Verfahren nicht beteiligt hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173163

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