Rentenrecht: Können Kindererziehungszeiten beiden Elternteilen voll angerechnet werden?
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls nahm nach der Geburt der gemeinsamen Tochter für denselben Zeitraum wie die Mutter Elternzeit und war in dieser Zeit an der Erziehung des Kindes gleichberechtigt beteiligt. Die Kindererziehungszeit für diesen Zeitraum wurden von der Rentenversicherung in vollem Umfang der Kindesmutter zugeordnet. Daraufhin beantragte der Kläger zusätzlich die Zuordnung der Kindererziehungszeiten für sich selbst. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland lehnte diesen Antrag ab. Das Sozialgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab.
Keine vollständige Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei beiden Elternteilen
Das Thüringer Landessozialgericht wies die Berufung zurück. Das Gericht bestätigte die Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland und des Sozialgerichts, dass die Zuordnung der Kindererziehungszeiten für denselben Zeitraum bei beiden Elternteilen mit den gesetzlichen Vorschriften nicht vereinbar ist.
Zuordnung der Kindererziehungszeit zu einem bestimmten Elternteil
§ 56 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) regele die Anerkennung von Zeiten der Erziehung eines Kindes als Pflichtbeitragszeit zur sozialen Absicherung der Erziehenden in der Phase, in der es dem betreuenden Elternteil aufgrund der Erziehung des Kindes nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, eigene Rentenanwartschaften aufzubauen. Durch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung solle ein entscheidender Beitrag zu einer Gleichbewertung von Tätigkeiten in der Familie und der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit geleistet werden. § 56 Abs. 2 Satz 2 bis 10 SGB VI ordne die Zuordnung der jeweiligen Erziehungszeit zu einem bestimmten Elternteil an.
Nach der gesetzgeberischen Konzeption komme dabei jeweils die Zuordnung der Erziehungszeiten nur an einen Elternteil in Frage. Die Zuordnung der Kindererziehungszeiten bei beiden Elternteilen für denselben Zeitraum der Erziehung sehe das Gesetz ausdrücklich nicht vor.
Gesetz räumt Dispositionsbefugnis ein
Die Regelung des § 56 Abs. 2 SGB VI räume den Eltern eine Dispositionsbefugnis ein, wem von beiden die Erziehungszeiten zuzuordnen seien. Nach § 56 Abs. 2 Satz 10 SGB VI werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wenn eine anderweitige Zuordnung nach den vorhergehenden Vorschriften nicht möglich sei. Dies belege den Willen des Gesetzgebers, eine vollständige Berücksichtigung bei beiden Elternteilen nicht vorzunehmen.
Hinweis: LSG Thüringen, Urteil v. 10.1.2019, L 2 R 760/17
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