Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. keine doppelte Zuordnung der Erziehungszeit. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den rentenrechtlichen Kindererziehungszeiten räumt § 56 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) den Eltern eine Dispositionsfreiheit ein, wem von beiden die Erziehungszeit zuzuordnen ist. Das gilt auch dann, wenn beide Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen und gleichberechtigt beteiligt sind. Eine "doppelte" Zuordnung in vollem Umfang sowohl zur Mutter als auch zum Vater ist rentenrechtlich nicht möglich.

 

Orientierungssatz

Die Zuordnung einer Erziehungszeit lediglich zu einem Elternteil - wie hier durch § 56 Abs 2 S 9 SGB 6 - verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG noch gegen die speziellen Diskriminierungsverbote in Art 3 Abs 2 und 3 GG.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Zuerkennung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in seinem Versicherungsverlauf zusätzlich zu der bereits erfolgten Zuerkennung desselben Zeitraums bei der Kindesmutter.

Der 1980 geborene Kläger ist neben seiner 1983 geborenen Lebensgefährtin - der Beigeladenen - Elternteil der 2013 geborenen Tochter A. E..

Mit Schreiben vom 11. Februar 2015 teilte der Kläger gemeinsam mit der Beigeladenen dem Beklagten mit, dass die Kindsmutter in der Zeit vom 23. November 2013 bis 26. September 2014 Elternzeit genommen habe und er in der Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014. Es wurde um Berücksichtigung bei der Rentenberechnung gebeten. In dem ihm übersandten Fragebogen verneinte der Kläger die Frage “Wurde das Kind während der gemeinsamen Erziehung überwiegend von einem Elternteil erzogen?„ Entsprechendes erklärte die Beigeladene in ihrem Antrag. Ferner teilten der Kläger und die Beigeladene mit weiterem Schreiben vom 8. Juni 2015 mit, dass die Kindererziehungszeit “vorerst„ der Beigeladenen zugeordnet werden solle. Sie behielten sich vor, dies nochmal rechtlich prüfen zu lassen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Juni 2015 die Anerkennung der Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten für den Kläger ab, da die rentenrechtlichen Zeiten bei gemeinsamer Erziehung der Mutter zuzuordnen seien.

Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 als unbegründet zurückgewiesen. In dem geltend gemachten Zeitraum sei Elternzeit von dem Kläger und der Beigeladenen in Anspruch genommen worden. Eine überwiegende Erziehung durch ein Elternteil sei nicht festzustellen. Daher sei die Erziehungszeit der Mutter zuzuordnen.

Hiergegen hat der Kläger unter dem 26. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Elternteile gleich behandelt werden müssten und jedem Elternteil, der gemeinsam mit seinem Partner die Erziehungszeit nehme, diese Rentenberücksichtigungszeiten anerkannt werden müssten. Die Regelung, dass die Erziehungszeit der Mutter zuerkannt werde, wenn keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Kindererziehungszeiten abgegeben würde, sei mit Art. 3 Grundgesetz (GG) nicht vereinbar.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. März 2017 abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachte Zeit könne ihm nicht zugeordnet werden. Sofern beide Elternteile das Kind gemeinsam erzogen hätten, würde die Erziehungszeit einem Elternteil zugerechnet. Die Eltern können durch übereinstimmende Erklärung angeben, welchem Elternteil sie zuzuordnen sei. Da der Kläger und die Kindesmutter keine entsprechende Erklärung abgegeben hätten, sei die Zeit der Mutter zuzurechnen. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er verweist nochmals darauf, dass die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht mehr dem gesetzgeberischen Willen entspreche, beide Elternteile an der Erziehung des Kindes gleichermaßen zu beteiligen und die finanziellen Lohneinbußen durch Zurechnungszeiten zur Rentenversicherung auszugleichen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. März 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2015 zu verpflichten, die Zeit vom 27. Juni 2014 bis 26. August 2014 auch bei ihm in vollem Umfang als Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Gleichbehandlung bedeute im vorliegenden Zusammenhang, dass beide Elternteile den gleichen Zugang zur rentenwirksamen Anerkennung dieser Zeiten hätten. Gleichbehandlung bedeute jedoch nicht, dass die Geburt eines Kindes die Begünstigung bei d...

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