Entlastung für Pflegende: Welche Leistungen gibt es?

Die Belastung pflegender Angehöriger ist immens; sie machen spärlich Urlaub und haben kaum Zeit für sich. Nur wenige nehmen Entlastungsangebote der Pflegekassen in Anspruch, obwohl diese den meisten bekannt sind. Woran liegt das und welche Möglichkeiten der Entlastung gibt es?

„Jeder vierte Pflegehaushalt, der weder Pflegedienst noch Tagespflege oder Kurz- und Verhinderungspflege in Anspruch nimmt, sagt, dass er genau diese Leistungen eigentlich benötige“ so ähnlich lautet eine Aussage im AOK-Pflegereport 2016.

3,7 Prozent nehmen Tages- und Nachtpflege in Anspruch

Viele Pflegebedürftige möchten nicht von Fremden gepflegt werden, finanzielle Aspekte bzw. ein ortsnahes Angebot fehlen oder die Beantragung und Suche nach Angeboten ist unklar. All dies hindert pflegende Angehörige, Entlastungsangebote wie z. B. Tagespflege, Verhinderungspflege oder zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch zu nehmen. „1,8 Mio. pflegebedürftige Menschen werden zu Hause betreut. Davon nutzen nur 67.000 Leistungen der Tages- und Nachtpflege. Das sind gerade einmal 3,7 Prozent“, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Wie kann den Pflegenden in ihren individuellen Situationen geholfen werden? Welche Leistungen können sie entlasten?

Pflegeberater der Pflegekasse informiert über Pflegeleistungen

Licht in den Dschungel der verschiedenen Pflegeleistungen könnte eine individuelle Beratung von Pflegeberatern der Pflegekasse bringen. Die Pflegeberater

  • informieren in häuslicher Umgebung die Pflegebedürftigen und ihre Angehörige gezielte über Leistungen,
  • unterstützen bei der Auswahl von Leistungsangeboten
  • erstellen auf Wunsch gemeinsam mit den Betroffenen einen individuellen Versorgungsplan und helfen bei dessen Umsetzung und Fortschreibung.

Auch Pflegestützpunkte übernehmen diese Tätigkeiten.

Welche Pflegeleistungen kommen in Frage?

I. Freistellung oder Reduzierung der Arbeitszeit

Beschäftigte, die für einen Angehörigen eine akut auftretende Pflegesituation organisieren und eine bis zu 10-tägige Auszeit (kurzzeitige Arbeitsverhinderung) nehmen, haben Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld. Sie können sich unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 6 Monate vollständig von der Arbeit freistellen lassen (Pflegezeit) oder ihre Arbeitszeit bis zu 24 Monaten reduzieren (Familienpflegezeit). Zur finanziellen Unterstützung können die pflegenden Angehörigen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein zinsloses staatliches Darlehen beantragen.

II. Pflegesachleistung

Eine regelmäßige Unterstützung kann durch den Einsatz von Pflegediensten mit der Pflegesachleistung organisiert werden. Die Anzahl der Einsätze oder die Übernahme der Pflegeleistungen können abhängig vom Leistungsbetrag je Pflegestufe geplant werden. Neben der Pflegesachleistung wird ein anteiliges Pflegegeld gezahlt.

III. Pflegekurse und Pflegehilfsmittel

Auch können professionelle Pflegekräfte in Pflegekursen oder individuellen Schulungen hilfsreiche Handgriffe zeigen, rückenschonende Tipps zum richtigen Heben und Tragen sowie Informationen zu den Themen Gesundheit und Hygiene geben oder den Einsatz von Pflegehilfsmitteln empfehlen. Die Pflegekurse sind für alle Interessierten kostenfrei.

IV. Tagespflege

Eine Auszeit für einen kompletten Tag kann mit der Tagespflege organisiert werden. Je nach Pflegestufe können (abhängig vom monatlichen Budget) die pflegebedingten Kosten für einzelne Tage im Monat oder für eine tägliche Betreuung während der Berufstätigkeit der Pflegeperson übernommen werden. Neben der Tagespflege besteht ein voller Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistung.

V. Kurzzeitpflege

Im Rahmen der Kurzzeitpflege können die Kosten für eine vorübergehende Betreuung und Pflege in einem zugelassenen Pflegeheim für 8 Wochen bis zu 1.612 EUR im Kalenderjahr übernommen werden. In der Praxis reicht der Betrag von 1.612 EUR bei Pflegestufe I für die Pflegesätze für ca. 18 Tage bzw. bei Pflegestufe III für ca. 14 Tage.
Hinweis: Eine sinnvolle Lösung wurde mit der Übertragungsmöglichkeit der nicht in Anspruch genommenen Leistungen der Verhinderungspflege auf die Kurzzeitpflege geschaffen.

VI. Verhinderungspflege

Eine Entlastung der Pflegenden und dem Verbleib des Pflegebedürftigen in seiner gewohnten Umgebung bietet die Verhinderungspflege (auch Ersatzpflege genannt) mit 1.612 EUR für 6 Wochen im Kalenderjahr. Die Verhinderungspflege bietet im Vergleich zur Kurzzeitpflege unterschiedliche Möglichkeiten, die der Pflegebedürftige auch kostengünstiger organisieren kann. Das Pflegegeld wird während der Kurzzeit- oder Verhinderungspflege für bis zu 8 bzw. 6 Wochen zur Hälfte weitergezahlt.

VII. Betreuungs- und Entlastungsleistung

Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistung in Höhe von monatlichen 104 EUR für alle Pflegebedürftigen bzw. Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (erhöhter Betrag von 208 EUR), können für Betreuungs- und Entlastungsangebote verwendet werden. Über mehrere Monate angespart, können die Kosten für Verpflegung bzw. Unterkunft sowie die Investitionskosten bei Tagespflege oder Kurzzeitpflege erstattet werden.

Der richtige Weg zu den Pflegeleistungen?

Reicht es aber aus, die pflegenden Angehörigen intensiver über die Möglichkeiten und finanziellen Aspekte zu informieren und zur Inanspruchnahme von Entlastungsleistungen zu motivieren? Stehen vor Ort vielleicht zu wenig oder nicht die richtigen Angebote zur Verfügung? Hier sind Pflegekassen und Leistungsanbieter, aber auch Kommunen gefragt, das Angebot für die Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen passend zu gestalten.

Oder: Vielleicht sollte der Gesetzgeber das Leistungsangebot nur einfacher gestalten. Z. B. jedem Pflegebedürftigem ein monatliches oder jährliches Leistungsbudget zur Verfügung stellen, aus dem er dann die Betreuung stundenweise, täglich bzw. für mehrere Tage oder Wochen organisiert finanzieren kann. Dies wäre doch ggf. ein guter Schritt heraus aus dem Pflegeleistungsdschungel.

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