Arbeitsmarktrente: Definition, Anspruch und Rechtsprechung

Wer nach den Regeln des Rentenrechts nur noch teilweise erwerbsfähig ist und gleichzeitig noch in einem Vollzeitarbeitsverhältnis steht, das aufgrund der gesundheitlichen Situation aber nicht (mehr) ausgeübt werden kann und das auch nicht durch personenbedingte Gründe gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag beendet wurde, hat ohne weiteres Anspruch auf eine Arbeitsmarktrente.

Was ist eine Arbeitsmarktrente?

Einer rentenversicherten Person, die nach medizinischer Feststellung nur noch leichte Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt zwischen 3 und unter 6 Stunden ausüben kann (= rentenrechtliche Definition für teilweise Erwerbsminderung), steht dennoch ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, wenn sie keiner Teilzeitbeschäftigung nachgeht. In diesem Fall ist der rentenversicherten Person der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen und das verbliebene Restleistungsvermögen kann wegen Arbeitslosigkeit nicht in Erwerbseinkommen umgesetzt werden. Der rentenversicherten Person ist dann die sog. Arbeitsmarktrente zu gewähren. Das hat für die rentenversicherte Person erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, da die Arbeitsmarktrente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ist, die doppelt so hoch liegt, wie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Die Arbeitsmarktrente hat daher finanzielle Kompensationsfunktion.

Rentenrecht trifft Teilzeitanspruch

Verfügt eine rentenversicherte Person daneben über ein inaktives Vollzeitarbeitsverhältnis, besteht grundsätzlich ein zivilrechtlicher Anspruch auf Einräumung einer Teilzeittätigkeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG. Würde die rentenversicherte Person diesen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, könnte die rentenversicherte Person ihre Arbeitskraft zumindest teilweise in Erwerbseinkommen umsetzen und die Rentenversicherungsträger müssten keine Rente wegen voller Erwerbsminderung leisten. 

Die Praxis der Rentenversicherungsträger 

Die Rentenversicherungsträger haben diese Fallkonstellation im Blick; es ist Praxis der Deutschen Rentenversicherung (DRV), vor der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes alle rentenversicherten Personen, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, aufzufordern, bei ihrem Arbeitgeber nachzufragen, ob dieser ihnen eine leidensgerechte Teilzeittätigkeit anbieten kann (das ergibt sich aus der gemeinsamen rechtlichen Anweisung (GRA) der DRV zu § 43 SGB VI, Stand: 20.04.2021, Anm. 4.3).

Die Rechtsprechung

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat nun die Rechtsansicht vertreten, dass rentenversicherte Personen nicht verpflichtet sind, zur Vermeidung der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung bei Ihrem Arbeitgeber zu stellen. Übt die rentenversicherte Person diesen zivilrechtlichen Anspruch nicht aus, kann die Rentenversicherung dies der rentenversicherten Person nicht als Begründung gegen eine Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung als Arbeitsmarktrente entgegenhalten. Die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) ist durch Rücknahme auf sonstige Weise erledigt worden. Damit muss die DRV ihre Rechtspraxis überdenken und ggf. anpassen.

Hinweis: Hessisches LSG, Urteil v. 23.8.2019, L 5 R 226/18; nachgehend BSG, 11.2.2020, B 5 R 16/19 R, sonstige Erledigung: Rücknahme.