Unwirksame  Zinsanpassungsklauseln bei „S-Prämiensparen flexibel“

Die Zinsanpassungsklauseln aus den Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel" sind unwirksam. Das entschied zunächst das OLG Dresden in diversen Musterfeststellungsverfahren. Der BGH hat nun die Unwirksamkeit einer der Klauseln bestätigt. Die Verjährungfrist für Nachforderungen der Kunden beginnt erst mit dem Ende des Sparvertrags, was einige Banken und Sparkassen zu umfangreichen Zinsnachberechnungen zwingt.

Die Problematik, um die es in den Verbraucherschutzverfahren ging, schwelt schon lange.

Allzu flexible Zinsklauseln schon 2004 höchstrichterlich für unwirksam erklärt

Der BGH hatte 2004 richtungsweisend entschieden und die Verbraucherzentralen im ganzen Land weisen seitdem auf unwirksame Zinsklauseln bei Sparverträgen nicht nur von Sparkassen hin.

So zählt z.B. die Verbraucherzentrale NRW auf ihrer Webseite etliche Banken und Verträge im gesamten Bundesgebiet auf, die sie für betroffen hält (ohne Gewähr für Aktualität):  Unwirksame Zinsklauseln

Aufruf der BaFin an Verbraucher zur Überprüfung der Zinsanpassungsklauseln ihrer Verträge

Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) rief in ihrer Pressemitteilung vom 1.12.2020 die Verbraucher auf, ihre Prämiensparverträge zu überprüfen. Sie verweist dabei auf die vom BGH getroffene Grundsatzentscheidung (BGH, Urteil v. 17.2.2004, XI ZR 140/03), dass einseitig völlig flexible Zinsanpassungsklauseln unwirksam sind, was viele Banken und Sparkassen offenbar nicht schert, jedenfalls aber nicht zur Anpassung der Klauseln bewegt hat.

Zinssätze einseitig nach unten korrigiert

Besonders beliebt waren die Prämiensparverträge in der Zeit zwischen 1990-2010, als die Verzinsung dieser Verträge noch lohnend war. Inzwischen haben die Banken und Sparkassen die Sparzinsen der Verträge auf Werte bis zu 0,001% nach unten korrigiert und berufen sich dabei auf die Flexibilitätsklauseln in den Sparverträgen.

1. Musterfeststellungsentscheidung des OLG Dresden

Das OLG Dresden entschied 2020 auf Initiative der insoweit sehr rührigen Verbraucherzentrale Sachsen den ersten Fall betreffend die Wirksamkeit der Zinsänderungsklausel in Prämiensparverträgen der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Die Vertragsformulare enthalten unter anderem folgende Bestimmungen:

 „Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit … % verzinst…. Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz“.

Darüber hinaus bestimmt das Vertragsformular, dass der geänderte Zinssatz mit Änderung des Aushangs im Kassenraum in Kraft tritt.

Zinsanpassungsklauseln sind weit verbreitet

Die von der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig verwendeten Klauseln, die sich so oder ähnlich in vielen weiteren Prämiensparverträgen diverser Sparkassen und Volksbanken finden, waren Gegenstand der nun vom BGH getroffenen Revisionsentscheidung.

Verbraucherverband verfolgte sieben Feststellungsziele

Der Musterkläger, die Verbraucherzentrale Sachsen, verfolgte mit der in der Vorinstanz vom OLG Dresden entschiedenen Klage sieben Feststellungsziele:

  • Feststellung der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel,
  • die Bestimmung eines Referenzzinses sowie
  • eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls,
  • die Verpflichtung der Beklagten, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen, also nach dem Verhältnis zwischen vertraglich vereinbartem Zins und Referenzzins,
  • die Feststellung, dass mit Kenntnis der Verbraucher von der Höhe der vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch noch keine den Verjährungslauf in Gang setzende Kenntnis des Anspruchs auf Nachzahlungen verbunden ist,
  • die Feststellung, dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht als „Umstandsmoment“ für eine Verwirkung des Anspruchs auf weitere Zinszahlungen gewertet werden kann sowie
  • die Feststellung, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zinsnachzahlungen erst mit Beendigung der Sparverträge fällig werden und erst ab diesem Zeitpunkt verjähren.

Musterfeststellungsklage in wesentlichen Punkten erfolgreich

Das OLG Dresden gab der Feststellungsklage in wesentlichen, aber nicht in allen Punkten statt. Insbesondere entsprach das OLG nicht dem Antrag auf Festlegung eines Referenzzinssatzes, da dieser nur individuell auf der Grundlage des jeweils konkreten Sparvertrages präzisiert werden könne.

BGH erklärt Zinsanpassungsklausel für rechtsunwirksam

Der BGH hat auf die Revisionen beider Verfahrensbeteiligten - im Kern in Übereinstimmung mit dem OLG - festgestellt, dass die angegriffene Zinsanpassungsklausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB unwirksam und die so entstandene Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. § 308 Nr. 4 BGB fordert nach Auslegung des BGH ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen.

Zinssatz für langfristige Spareinlagen als Referenzzinssatz

Nach Auffassung des BGH ist das OLG allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die unterschiedlichen individuellen Sparverträge kein allgemeiner Referenzzinssatz festgelegt werden könne. Unter Berücksichtigung des Konzepts der auf langfristiges Sparen ausgelegt Sparverträge ist es nach Auffassung des Senats vielmehr interessengerecht, z.B. einen der Zinssätze für langfristige Spareinlagen als Referenz für die Verzinsung der Sparanlagen heranzuziehen.

Zinsanpassungen im Monatsrhythmus

Zinsanpassungen sind nach dem Urteil des BGH im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in einem monatlichen Rhythmus vorzunehmen entsprechend dem für langfristige Spareinlagen in Betracht kommenden Referenzzinssatz der Deutschen Bundesbank, der ebenfalls monatlich veröffentlicht wird.

Das vertragliche Grundgefüge muss erhalten bleiben

Ebenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beizubehalten, denn nur so könne das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleiben.

Verjährungsbeginn für Zinsnachforderungen erst mit Vertragsende

Da die in einem Sparguthaben enthaltenen Zinsen der gleichen Verjährung unterliegen wie das angesparte Kapital, kann nach dem Urteil des BGH eine Verjährung des Anspruchs auf nachberechnete Zinsbeträge frühestens mit Vertragsbeendigung beginnen.

Keine Klärung von Verwirkungsfragen

Die von der Verbraucherzentrale verfolgten Feststellungsziele zu weiteren Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung sind nach der Entscheidung des BGH in einem Musterfeststellungsverfahren nicht zu klären, die entsprechenden Anträge daher unzulässig. Insbesondere hänge die Verwirkung von Ansprüchen von subjektiven Merkmalen in der Person des Verbrauchers, insbesondere einem in Wechselwirkung stehenden Zeitmoment und Umstandsmoment ab, das nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Einzelfall individuell bewertet werden könne. Die insoweit vom Verbraucherverband begehrte Feststellung sei einem Musterfeststellungsverfahren nicht zugänglich.

OLG muss noch Feststellungen zum Referenzzinssatz treffen

Im Ergebnis verwies der BGH das Verfahren in einem Punkt zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung an das OLG zurück. Das OLG muss im weiteren Verfahren die erforderlichen Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz nachholen und diesen präzisieren.

Feststellungsklage war im Kern erfolgreich

Insgesamt ist festzustellen, dass der Verbraucherverband mit seinen wesentlichen Feststellungszielen durchgedrungen ist und die Entscheidung des BGH Präjudizwirkung auch für die weiteren noch anhängigen Revisionsverfahren zu Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen haben wird.

(BGH, Urteil v. 6.10.2021, XI ZR 234/20)

Hintergrund:

Bereits in früheren Urteilen hatte der BGH vier Kriterien für die Gültigkeit einer Zinsbestimmung genannt:

  1. Die variablen Zinsen müssen sich an einem geeigneten Referenzzins orientieren.
  2. Sie sind in regelmäßigen, nicht zu großen Abständen zu überprüfen (etwa monatlich).
  3. Es darf keine erhebliche Schwelle festgelegt sein, ab der erst der Sparzins wegen des veränderten Referenzzinses angepasst wird.
  4. Die Sparzinsen dürfen nicht um einen absoluten Wert unter dem Referenzzins liegen; sie müssen sich vielmehr relativ zum Referenzzins verändern (BGH, Urteil v. 17.2.2004, XI ZR 140/03).

Hier Hinweise zu Verträge mit unwirksamen Zinsanpassungsklauseln

Hier die Warnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 

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Schlagworte zum Thema:  Zinsen, Klage, Musterfeststellungsklage