Treuwidrige Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH

Die Entlastung der Geschäftsführung einer GmbH & Co. KG bei gravierender Pflichtverletzung ist treuwidrig. Wenn ein Entlastungsbeschluss aber wirksam ist, erfasst die Entlastung wirksam nicht nur die Komplementär-GmbH, sondern auch deren Geschäftsführer.

Zum Sachverhalt

An einer GmbH & Co. KG waren fünf Kommanditisten und – in der Rechtsform einer GmbH – eine Komplementärin beteiligt. Zwei der Kommanditisten waren zugleich Geschäftsführer der Komplementärin; Anstellungsverträge waren nicht abgeschlossen worden.

Die GmbH & Co. KG war im Immobilienbereich tätig und hatte ein Wohn- und Geschäftshaus entwickelt, vermietet und verwaltet. Hierfür hatte sie einen Verwalter eingesetzt. Dieser veruntreute seit dem Jahr 2007 Gelder der GmbH & Co. KG im erheblichen Umfang, was sich jedoch erst im Jahr 2015 herausstellte. Eine Inanspruchnahme des Verwalters auf Ersatz der veruntreuten Zahlungen blieb erfolglos. Daraufhin warf einer der Kommanditisten einem der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH vor, seinen Überwachungspflichten nicht hinreichend nachgekommen zu sein und verklagte diesen im Namen der GmbH & Co. KG auf Schadensersatz und Freistellung der hierdurch entstandenen Schäden.

Der in Anspruch genommene Geschäftsführer wehrte sich gegen seine Inanspruchnahme. Er begründete dies damit, dass die Komplementärin für die Geschäftsjahre bis einschließlich 2013 bereits entlastet worden sei. Für die Geschäftsjahre 2014 und 2015 beschloss – gegen die Stimmen des Klägers – die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG mit der erforderlichen Mehrheit ebenfalls die Entlastung der Komplementärin. Der Kläger klagte gegen die Entlastungsbeschlüsse. Er begründete dies damit, dass diese treuwidrig gewesen seien. Seines Erachtens habe die Gesellschafterversammlung aufgrund der erheblichen Pflichtverletzung durch den geschäftsführenden Kommanditisten die Entlastung nicht beschließen dürfen. Mit seiner Klage hatte er bis einschließlich in die Berufungsinstanz Erfolg.

Das Urteil des BGH vom 22.09.2020 (Az. II ZR 141/19)

Der BGH hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf, dies allerdings aus einem eher formalen Grund. Auch Sicht des BGH hatte das Berufungsgericht bei der Prüfung der Treuwidrigkeit der Entlastungsbeschlüsse die anzuwendenden Beweislastgrundsätze verkannt und daher den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt. Daher erfolgte die Zurückweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Praxishinweis:

Wer bei einer GmbH & Co. KG als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH seine Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung verletzt, haftet für die hieraus entstehenden Schäden nach § 43 GmbHG – und zwar nicht nur gegenüber der Komplementär-GmbH, sondern auch gegenüber der GmbH & Co. KG, wenn die wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH (wie üblich) die Führung der Geschäfte der GmbH & Co. KG ist. Eine Haftungsprivilegierung oder einen verminderten Sorgfaltsmaßstab für Geschäftsführer, die gleichzeitig Kommanditisten der GmbH & Co. KG sind, gibt es nicht. Umgekehrt erfasst die vorbehaltslose Entlastung der Komplementär-GmbH durch die GmbH & Co. KG auch deren Geschäftsführer. Wenn dies nicht gewünscht ist, muss dies ausdrücklich klargestellt werden. So bestätigte es im Urteil vom 22.09.2020 auch der BGH.

Die Entscheidung des BGH zeigt auch: Bei der Fassung des Entlastungsbeschlusses auf Ebene der GmbH & Co. KG spielen die gesellschafterlichen Treuepflichten eine große Rolle. Bei gravierenden Pflichtverletzungen der Komplementär-GmbH bzw. ihrer Geschäftsführung darf eine Entlastung nicht beschlossen werden. Wer trotzdem für die Entlastung stimmt, handelt treuwidrig. Die Stimmabgabe und gegebenenfalls auch der daraus resultierende Entlastungsbeschluss sind dann unwirksam. Die treuwidrig handelnden Gesellschafter müssen gegebenenfalls sogar weitere Sanktionen (z.B. die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen oder im schlimmsten Fall sogar den Ausschluss aus der Gesellschaft) befürchten.

Bei der Fassung von Entlastungsbeschlüssen sollte daher jeder Gesellschafter genau prüfen, welche Pflichtverletzungen ihm bekannt sind und wie schwer diese wiegen. Bei gravierenden Pflichtverletzungen muss er die Zustimmung zur Entlastung verweigern oder sich seiner Stimmabgabe enthalten, um einen Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht zu vermeiden. Andersherum sollten Gesellschafter, die Entlastungsbeschlüsse wegen eines (angeblichen) Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht gerichtlich angreifen, beachten, dass nach der Entscheidung des BGH keine Beweislastumkehr zu ihren Gunsten besteht. Sie müssen daher alle anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Das gilt insbesondere für den Nachweis des gravierenden Pflichtverstoßes und des daraus resultierenden erheblichen Schadens.

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Schlagworte zum Thema:  Gesellschafter, GmbH, Bundesgerichtshof (BGH)