Treuepflicht zwischen GmbH-Gesellschaftern
Hintergrund
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses. An der beklagten GmbH war der Kläger zu 30 % und die X-GmbH zu 70 % beteiligt. Geschäftsführer der beklagten GmbH waren der Kläger und der Geschäftsführer der X-GmbH. Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sah vor, dass Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich einstimmig zu fassen sind. Weiter regelte der Gesellschaftsvertrag, dass die Gesellschafterversammlung beschlussfähig ist, wenn mindestens 75 % aller Stimmen vertreten sind und, wenn nicht, zu einer erneuten Gesellschafterversammlung zu laden ist, die dann ohne Rücksicht auf die vertretenen Stimmen beschlussfähig ist. Der Kläger wurde vom Geschäftsführer der X-GmbH zur Gesellschafterversammlung mit dem Tagesordnungspunkt „Freistellung des Klägers als Geschäftsführer“ geladen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass er nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht stimmberechtigt sei. Daraufhin erschien der Kläger weder zur ersten noch zur zweiten Gesellschafterversammlung. In der Gesellschafterversammlung beschloss die X-GmbH sodann die widerrufliche Freistellung des Klägers von seiner Tätigkeit als Geschäftsführer unter Anrechnung seiner etwaigen offenen Urlaubsansprüche. Diesen Beschluss griff der Kläger in der ersten Instanz mit seiner Klage erfolgreich an.
Das Urteil des OLG Hamm vom 19.07.2018 – 27 U 14/17
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hatte die Beklagte keinen Erfolg. Das OLG Hamm entschied, dass der Gesellschafterbeschluss aufgrund eines Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten materiell rechtswidrig ist. Die X-GmbH habe durch den unzutreffenden Hinweis, der Kläger sei nach § 47 Abs. 4 GmbHG nicht stimmberechtigt, ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt. Wäre der Kläger zur Gesellschafterversammlung erschienen, hätte er gegen den Freistellungsbeschluss gestimmt. Der Beschluss wäre dann – mangels Einstimmigkeit - nicht zustande gekommen.
Ein Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbH habe im streitgegenständlichen Fall tatsächlich nicht vorgelegen. Denn bei der Freistellung habe es sich um eine innergesellschaftliche Angelegenheit gehandelt, auf die das Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG keine Anwendung finde. Durch den falschen Hinweis habe der Mitgesellschafter dem Kläger die Möglichkeit genommen, diesen in der Gesellschafterversammlung nochmals umzustimmen. Besonders schwer wiege dabei, dass dem Kläger durch die Widerruflichkeit der Freistellung die uneingeschränkte und selbstbestimmte Nutzung seines Urlaubsanspruches genommen worden sei. Dieses Recht dürfe einem Geschäftsführer jedoch nicht einseitig genommen werden, was den Beschluss auch in Anlehnung an die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung unzulässig mache.
Anmerkung
Nach § 47 Abs. 4 GmbHG ist ein Gesellschafter nur dann von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn er durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll. Die Regelung dient dazu, gesellschaftsfremde Sonderinteressen von der Einwirkung auf Gesellschaftsentscheidungen fernzuhalten. Damit wird vor allem die Gesellschaft geschützt. Geht es um die Abstimmung über innergesellschaftliche Angelegenheiten, also die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, ist das Stimmrechtsverbot des § 47 Abs. 4 GmbHG einschränkend auszulegen. So ist nach einer früheren Entscheidung des BGH etwa ein Gesellschafter-Geschäftsführer nicht von der Stimmabgabe ausgeschlossen, wenn es um seine Wahl zum Geschäftsführer geht. Dies gilt nach der Entscheidung des OLG Hamm auch für die Freistellung eines geschäftsführenden Gesellschafters. Bei derartigen innergesellschaftlichen Angelegenheiten sind alle Gesellschafter zur Mitwirkung berufen.
Des Weiteren haben auch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft bei der Beschlussfassung die mitgliedschaftliche Treuepflicht zu beachten. Sie stehen sich nicht als beliebige Dritte gegenüber, sondern befinden sich untereinander in einer rechtlichen Sonderbeziehung, die Rücksichtspflichten auferlegt. Je personalistischer die Gesellschaft strukturiert ist, desto höher wiegt die Treuepflicht. Selbst bei einer in objektiver Hinsicht aussichtslosen Abstimmung einer Gesellschafterversammlung, muss einem betroffenen Gesellschafter zumindest die Möglichkeit gegeben werden, an der Meinungsbildung in der Gesellschafterversammlung mitzuwirken und die anderen Gesellschafter noch umzustimmen. Er darf von der Abstimmung nicht ausgeschlossen werden. Dies sollte schon bei der Einladung zur Gesellschafterversammlung beachtet werden.
Rechtsanwälte Dr. Barbara Mayer und Theresa Ohnemus, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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