Haftung bei Verlust von Bankkarten mit Kontaktlos-Bezahlfunktion

Hat der Bankkunde den Verlust seiner Bankkarte angezeigt und diese sperren lassen, dann haftet er nicht dafür, dass der Dieb kontaktlos, also ohne Eingabe einer PIN, mit der Karte bezahlt.

Bankkarten mit einer sog. Nahfeldkommunikationsfunktion (NFC) ermöglichen den Karteninhabern, bei Beträgen bis zu 50 EUR kontaktlos zu bezahlen, ohne dass die Eingabe einer PIN erforderlich ist.

Geht eine solche NFC-fähige Karte verloren oder wird sie gestohlen, dann kann die Karte für die Bezahlung kleinerer Beträge auch vom Dieb ohne PIN verwendet werden. Es fragt sich, wer für den dadurch entstandenen Schaden haftet.

Bank wollte Haftung in ihren AGB dem Kunden aufbürden

Eine in Österreich ansässige Bank hat in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen die Haftung für nicht autorisierte Zahlungen auf den Kunden abgewälzt und zusätzlich ausgeführt, dass die Sperrung der NFC-Funktion beim Verlust der Bankkarte nicht möglich sei, sodass der Kontoinhaber das Risiko eines Missbrauchs trage. Dagegen ist ein österreichischer Verbraucherschutzverein vorgegangen und hatte vor dem EuGH Erfolg.

EuGH stärkt auf Klage österreichischen Verbraucherschutzverein Rechte von Bankkunden

Nach dem Urteil des EuGH ist es technisch durchaus möglich, die NFC-Funktion einer verloren gegangenen Karte zu sperren. Mit dem Argument, dass die Sperrung nicht möglich sei, könne die Bank also nicht die Haftung auf den Kunden abwälzen.

Wenn der Kunde den Verlust der Karte oder die missbräuchliche Verwendung unverzüglich anzeigt und die Karte sperren lässt, dann dürfen für ihn keine nachteiligen finanziellen Folgen eintreten. Vielmehr hat dann die Bank dafür Sorge zu tragen, dass die Karte nicht mehr missbräuchlich verwendet werden kann. Ansonsten haftet sie für den entstandenen Schaden.

In Deutschland sind Bankkunden von Gesetzes wegen geschützt.

In Deutschland stellt sich die Problematik ohnehin nicht, da es Banken gemäß § 675v Abs. 5 BGB untersagt ist, im Falle einer Nutzung der Bankkarte durch Unbefugte die Haftung auf den Kunden abzuwälzen, sofern dieser den Verlust der Karte bereits angezeigt hatte.

(EuGH, Urteil vom 11.11.2020, C-287/19).

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Hintergrund: Beweislage bei Abhebung mit Geheimzahl und Original-Karte

Bei der missbräuchlichen Abhebung an einem Geldautomaten (Malheur am Geldautomat: Mal kommt zuviel, mal zuwenig) unter Eingabe der richtigen persönlichen Geheimzahl und unter Verwendung der Original- EC-Karte geht der BGH dem ersten Anschein davon aus, dass der Dieb die Geheimnummer kannte, weil sie zusammen mit der Karte aufbewahrt worden ist (BGH NJW 12, 1277 ff = MDR 12, 239 f im Anschluss an BGHZ 160, 308 ff = NJW 04, 3623 ff).

Voraussetzung ist allerdings, dass die Bank die konkrete Ausgestaltung des von ihr eingesetzten Authentifizierungssystems und dessen Sicherheitsniveau für den in Rede stehenden Einzelfall darlegt und ggf beweist (BGHZ 208, 331, 346 Rz 46 = NJW 16, 2024, 2028).

Erst wenn feststeht, dass das Sicherheitssystem im konkreten Einzelfall ordnungsgemäß angewendet und fehlerfrei funktioniert hat, kann dem ersten Anschein nach von einer wirksamen Abhebung mit der Originalkarte ausgegangen werden. Ist danach ein Anscheinsbeweis zu bejahen, dürfen die Anforderungen an den Gegenbeweis zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht überspannt werden. Da die volle Haftung des Kunden gem. § 675v II BGB nur bei grober Fahrlässigkeit eingreift, geht es zur Erschütterung des Anscheinsbeweises ohnehin regelmäßig nur darum, den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszuräumen.

Stehen dem Kunden keine anderen Beweismittel zur Verfügung, kommt auch eine Parteivernehmung gem. § 448 in Betracht, um den Anscheinsbeweis, er habe Karte und Geheimnummer zusammen verwahrt, zu erschüttern (BGH, Urteil v. 29.11.2011, XI ZR 370/10). 

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Recht, Betrug, Fahrlässigkeit, Haftung