EU-Urheberrechtsreform soll Urheberrechte im Netz besser schützen

Das EU-Parlament hat einen Reform-Entwurf zum Schutz der Urheberrechte im Netz am 5.7.2018 im 1. Anlauf zurückgewiesen. Geplant war u.A. ein Upload-Filter, um schon beim Hochladen auf Online-Plattformen zu prüfen und abzulehnen, was urheberrechtlich geschützt ist. Netzaktivisten und Politiker schlugen Alarm gegen eine befürchtete Zensurmaschinerie und das Ende der Meinungs- und Informationsfreiheit im Netz.

Ein vordringliches Problem, das die EU mit der Reform lösen möchte, ist die große Zahl der Uploads auf Internetplattformen, auf denen urheberrechtlich geschützte Inhalte transportiert werden, ohne dass den rechtmäßigen Urhebern bisher geeignete Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ihre Rechte an dem upgeloadeten Text, dem Bild, der Video- oder Audiodatei oder sonstigen Inhalten geltend machen zu können.

Erster Anlauf der EU-Urheberrechtsrechtsschutzreform wurde abgeschmettert

Der vom EU-Rechtsausschuss erarbeiteten Reformentwurf zum Urheberrecht wurde am 5.7. zurückgewiesen. 278 Abgeordnete stimmten für den Vorschlag, 318 dagegen, 31 enthielten sich der Stimme. Das ist nicht das Ende der Reform, im September muss erneut beratschlagt werden, mit welchem Reformabsatz das Parlament in die Kommunikation zwischen Parlament, Ministerrat und EU-Kommission (=Trilog-Verhandlungen)  eintritt. Besonders umstritten sind

  • die für Internet-Plattformen verpflichtende Einführung eines Upload-Filter
  • und das EU-weite Leistungsschutzrecht.

Reform-Streitpunkt Uploadfilter

Art. 13 des Gesetzesentwurfes sollte  für kommerzielle Online-Plattformen die Verpflichtung bringen, die Uploads ihrer User darauf zu überprüfen, ob die Inhalte Urheberrechte verletzen.

Praktisch wäre dies für Facebook, Twitter & Co nur durch die Implementierung automatischer Uploadfilter machbar. Wie würde das funktionieren?

  • Die Uploadfilter würde die vom User upgeloadeten Inhalte automatisch auf möglicherweise urheberrechtlich geschütztes Material überprüfen
  • und den Upload blockieren, sollte das Ergebnis positiv sein.

Damit würde eine große Zahl an Uploads gestoppt oder zumindest inhaltlich verfälscht und deutlich gekürzt werden.

Dies wäre zum Schutz der Urheber, deren Rechte durch diese Upload verletzt werden, grundsätzlich auch gewollt. Auf diese Weise würde der Uploader angehalten, seinerseits auf die Wahrung von Urheberrechten zu achten und gegebenenfalls die rechtmäßig geforderten Lizenzgebühren zu zahlen. Aus diesem Grunde befürwortet die überwiegende Zahl der deutschen Verleger die geplante Reform.

Kritikpunkt ist die Befürchtung einer Zensurmaschinerie

Die auf den ersten Blick sinnvoll erscheinende Lösung hat in der Praxis ihre Tücken. Die Uploadfilter legen nämlich ziemlich grobe Raster an.

  • So sind sie nicht in der Lage zu erkennen, ob urheberrechtlich geschützte Inhalte beispielsweise in einer Satire in erlaubter Weise genutzt werden,
  • sie erkennen nicht, ob ein Text als Zitat in einer Rede erlaubt ist, weil von der Meinungsfreiheit geschützt
  • oder ob der User möglicherweise sogar eine Lizenz zur Verbreitung besitzt.

Internetaktivisten, aber auch viele Politiker, befürchten deshalb beim Einsatz von Uploadfiltern eine im Ergebnis wilde und ungesteuerte Zensur, die die Meinungsfreiheit im Internet bedroht und Beiträge und Inhalte sinnlos sperrt oder verfälscht.

Benachteiligung von wirtschaftlich schwächeren Anbietern

Außerdem wird befürchtet, dass insbesondere kleinere Anbieter nicht die nötigen Technologien bereitstellen können, um derartige Filter einzusetzen und damit nur noch die großen Internetanbieter eine Chance haben, den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Facebook & Co. verfügen bereits jetzt über entsprechende Techniken, um beispielsweise kriminelle Inhalte wie Kinderpornographie aus Uploads herauszufiltern. Diese Filter könnten an die neuen EU-Vorgaben mit überschaubarem Aufwand angepasst werden.

Leistungsschutzrecht geplant: Kommt die "Linksteuer"?

Der Gesetzesentwurf enthielt darüber hinaus in Art. 11 unter dem Titel „Copyright“ ein sogenanntes Leistungsschutzrecht.

  • Dieses würde beispielsweise Suchmaschinen zur Zahlung von Lizenzgebühren auch bei Nutzung kürzerer Texte verpflichten,
  • d.h. bereits die Verlinkung einer Webseite durch Übernahme der dort verwendeten Überschrift würde eine Zahlungspflicht auslösen.

Von Netzaktivisten wird das geplante Leistungsschutzrecht deshalb auch als „Linksteuer“ verulkt.  

Der Rechtsausschuss hatte den Entwurf mit 15 zu 10 Stimmen bereits angenommen. Die Abstimmung im Parlament betraf noch nicht das Gesetz als solches, vielmehr entschied das Parlament über die Position des Parlaments im sich anschließenden Trilog.

  • Der Trilog ist die nach der Abstimmung einzuleitende Kommunikation zwischen Parlament, Ministerrat und EU-Kommission.
  • Der Trilog dient dazu, die finale Einigung über die Durchführung der Reform zu finden.
  • Sollte das Parlament dem Gesetzesentwurf zustimmen, könnte der Trilog zum Inkrafttreten des Gesetzes zum Ende des Jahres führen. 

Internetaktivisten und Politiker machen mobil

Internetaktivisten unternehmen zurzeit alles, um eine Zustimmung des EU-Parlaments zur Reform zu verhindern.

Der bekannte Netzaktivist Sascha Lobo befürchtet für den Fall einer positiven Entscheidung des Parlaments die Zerstörung der digitalen Alltagskultur. Er nennt den Entwurf protektionistisch, nationalistisch und irrational.

Die Internetaktivisten stehen mit ihrer Auffassung nicht allein.

  • In Deutschland fordert eine ganze Reihe von netzpolitischen Vereinen, die den etablierten Parteien nahe stehen, deutsche Abgeordnete auf, die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht zu sabotieren.
  • Die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär, hat sich in einem offenen Brief an die deutschen Europa-Abgeordneten dafür eingesetzt, den geplanten Entwurf abzulehnen.

Nachdem die Abstimmung negativ ausging, steht die Urheberrechtsreform erst im September wieder im Plenum zur Diskussion. Auf diese Weise würde Zeit für Nachbesserungen gewonnen. 

Negatives Vorbild: Deutsches Leistungsschutzrecht

Die Kritiker konnten auch Erfahrungen mit dem bisher eher unergiebigen Leistungsschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland verweisen, das seit August 2013 in Kraft ist.

  • Das Gesetz sollte - ebenso wie es von der EU geplant - erreichen, dass Verlage von Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren Lizenzgebühren erhalten, wenn Verlagsinhalte in einer Weise verlinkt werden, die über einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte hinausgeht.
  • Nach einem Geschäftsbericht der VG Media hat das Gesetz den Verlegern bisher nur geringe Lizenzzahlungen beschert,
  • aber mehr als zehnmal so hohe Prozesskosten. Google hat bisher keinen einzigen Cent an Verleger gezahlt.

Viele Verlage verzichten gegenüber Google auf Zahlungsforderungen, weil sie sich durch Verlinkungen Werbeeinnahmen und eine bessere Verbreitung versprechen. Die Kosten zur Durchsetzung des Gesetzes überstiegen deutlich die geringen Einkünfte der Verlage daraus.

Deutsche Leistungsrechts- Reform lieft ins Leere

Die deutschen Verleger fühlen sich infolge der umfassenden kritischen Äußerungen auch seitens der Politik  alleingelassen. Sie verweisen weiterhin auf ihre berechtigten Interessen zum Schutz der Urheberrechte im Netz. Auf der Website des deutschen Verlegerverbandes BDZV haben deshalb 50 Organisationen zur Unterstützung der EU-Gesetzgebung aufgerufen. Eine Prognose zum Ausgang der Entscheidung im EU-Parlament ist vor dem Hintergrund der sich widersprechenden Äußerungen und Kommentare auch der Abgeordneten nur schwer möglich, die Entscheidung daher äußerst spannend.


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Hintergrund:

Durch das seit August 2013 geltende deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverleger sollte ursprünglich erreicht werden, dass bereits kleine Ausschnitte aus Zeitungsartikeln (Snippets) für ein Jahr ab Veröffentlichung gesetzlich geschützt sind. Diese werden im Internet in Suchergebnissen zusammen mit dem Titel und der URL angezeigt. Die Anzeige von Snippets in Suchergebnissen ist theoretisch gem. §§ 87f bis 87h Urheberrechtsgesetz seit 2013 nicht mehr zulässig, sofern nicht eine Lizenzierung mit angemessener Vergütung dem Verlag vereinbart wurde.  Diese Neuregelung blieb Makulatur.

Google reagierte prompt und wehrt die Umsetzung erfolgreich ab:

  • Es verzichtete auf entsprechende Wiedergaben und dampfte Verlinkungen auf bestimmte Web-Inhalte komplett ein,
  • was umgehend zu einem Einbruch der Besucherzahlen auf den Internetseiten der Verlage führte.
  • Nach Angaben von Springer betrugen die Einbußen bis zu 80 %. Den hierdurch entgangenen Rückgang von Vermarktungsumsätzen verortete Springer im siebenstelligen Bereich.

Die VG Media - ein Zusammenschluss von Verlagen – reichte wegen des Verhaltens von Google Beschwerde beim Bundeskartellamt ein, die aber zurückgewiesen wurde.

Hierauf knickten die Verlage ein und erteilten Google die Lizenz, die Veröffentlichungen kostenfrei wie vor der Gesetzesänderung fortzuführen. Damit lief das heiß diskutierte und mit viel Aufwand produzierte Gesetz ins Leere.

Schlagworte zum Thema:  Urheberrecht, EU-Recht