BGH errichtet höhere Hürden für Dieselklagen gegen Audi

Arglistiges Verhalten von VW kann nicht ohne weiteres dem Fahrzeugproduzenten Audi zugerechnet werden. Dies hat der BGH in einem Grundsatzurteil entschieden und damit Schadensersatzklagen gegen Audi deutlich erschwert: Kläger müssen nun nachweisen, dass auch bei Audi im Vorstand jemand Bescheid wusste.

Die Entscheidung des BGH dürfte erhebliche Auswirkungen auf die gegen den Fahrzeughersteller Audi laufenden Schadenersatzklagen von Kunden haben, die Audi-Fahrzeuge mit dem mit einer Abgasmanipulations-Software ausgestatteten VW-Motor EA 189 erworben haben. Die in diesen Motoren mehrere Jahre lang eingebaute Software erkennt den Prüfmodus auf dem Fahrzeugprüfstand und erzeugt dort deutlich günstigere Abgaswerte als sie unter normalen Umständen im Straßenverkehr zu erzielen sind.

Schadensersatzklage war zunächst vor dem OLG erfolgreich

Die Vorinstanz hatte dem Kläger gegen Audi einen Schadensersatzanspruch von ca. 20.000 EUR zuzüglich Zinsen zuerkannt. Das OLG stützte sich auf eine Grundsatzentscheidung des BGH vom Mai 2020. Mit diesem Urteil hatte der BGH die Grundlage für eine lange Reihe von erfolgreichen - teilweise im Wege des Vergleichs - vor Gericht durchgesetzten Schadensersatzforderungen gegen den Fahrzeughersteller VW gelegt.

Grundsatzurteil des BGH bejahte Haftung von VW

In seinem lange verzögerten Grundsatzurteil hatte der BGH den Fahrzeughersteller VW zur Zahlung von Schadenersatz mit der Begründung verpflichtet, dass

  • VW durch eine strategische Entscheidung bei der Motorentwicklung
  • die Typengenehmigungen seiner Fahrzeuge durch arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes erschlichen
  • und die nicht den abgasrechtlichen Vorgaben entsprechenden Fahrzeuge in den Verkehr gebracht habe.

Hierbei habe der Autohersteller die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt ausgenutzt. Da zumindest hinreichende Anhaltspunkte für die Kenntnis zumindest eines vormaligen Mitglieds des Vorstands von VW über diese strategische Entscheidung bestünden, trage der Fahrzeughersteller die sekundäre Darlegungslast für seine gegenteilige Behauptung, eine solche Kenntnis habe nicht vorgelegen. (BGH, Urteil v. 25.5.2020, VI ZR 252/19).

Verantwortlichkeit von VW nicht automatisch auf Audi übertragbar

Mit seiner jetzigen Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass die Grundsätze der arglistigen Täuschung durch den Fahrzeughersteller VW nicht ohne weiteres auf den weiteren, zum Konzernverbund gehörenden Fahrzeughersteller Audi übertragen werden können. Die Vorinstanz hatte die Entscheidung zugunsten des Käufers noch damit begründet, dass Audi durch Übernahme des mit der Manipulations-Software ausgestatteten Motors und dessen Einbau in Audi-Fahrzeuge ebenso wie VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Käufer haftet.

Diese Schlussfolgerung kann nach dem jetzigen Urteil des BGH nicht ohne weiteres gezogen werden.

Haftung nur bei persönlichem Wissen verfassungsmäßig Vertreter

Voraussetzung für eine Haftung auch der Marke Audi ist nach dem jetzigen Urteil, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter von Audi den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung „in persona verwirklicht hat.

Eine Wissenszusammenrechnung über die Grenzen der Konzerngesellschaften hinweg, sei nicht ohne weiteres möglich. Der BGH begründet diese Rechtsansicht mit der Vorschrift des § 31 BGB. Unter entsprechender Anwendung dieser Zurechnungsnorm komme ein sittenwidriges Verhalten von Audi nur dann in Betracht, wenn die für den Hersteller Audi handelnden Personen die maßgeblichen Umstände der VW-Strategie kannten.

Sittenwidrige Schädigung setzt persönliches Unwerturteil voraus

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann nach Auffassung des BGH das Wissen von verfassungsgemäßen Vertretern der Volkswagen-AG auch nicht unter analoger Anwendung der Zurechnungsvorschrift des § 166 BGB handelnden Vertretern der Marke Audi zugerechnet werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setze die Haftung einer juristischen Person wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB voraus,

  • dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter gemäß § 31 BGB
  • den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB
  • persönlich verwirklicht habe (BGH, Urteil v. 28.6.2016, VI ZR 536/15).

Dies folge aus dem personalen Charakter des bei Anwendung des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteils.

Keine hinreichenden Feststellungen zur sekundären Darlegungslast

Schließlich bemängelte der BGH, dass die Vorinstanz keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen für die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu den Entscheidungen und dem Wissensstand innerhalb des Unternehmens Audi getroffen habe. Auch die Annahme einer sekundären Darlegungslast setze hinreichende Anhaltspunkte dafür voraus, dass führende Vertreter der Marke Audi frühzeitig von der Vorgehensweise von VW hinsichtlich des Einbaus der Skandal-Software gewusst haben.

Deutlich erschwerte Darlegungslast für sämtliche Audi-Kläger

Mit dieser Entscheidung mutet der BGH sämtlichen Audi-Klägern im Ergebnis die Aufgabe zu, darzulegen, dass maßgebliche Vertreter von Audi entweder an der strategischen Entscheidung im VW-Konzern zur Verwendung der Schummel-Software beteiligt waren oder zumindest davon wussten.

Vorinstanz muss erneut entscheiden

Unter diesen Maßgaben hat der BGH das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für den Kläger wird es dort äußerst schwierig werden, entsprechend den Vorgaben des BGH hinreichende Tatsachen zum möglichen Wissen verfassungsmäßig berufener Vertreter der Audi-AG um die Vorgänge zum Einbau der Schummel-Software darzulegen.

(BGH, Urteil v. 8.3.2021, VI 505/19)

Hintergrund: Dieselgate

Der VW-Konzern selbst hat sich inzwischen mit einem Großteil der Kläger im Kontext des Abgasskandals im Wege des Vergleichs auf Schadenersatzzahlungen geeinigt, unter anderem im Rahmen des vor dem OLG Braunschweig durchgeführten Musterfeststellungsverfahrens. Gegen Audi und auch gegen Porsche sind im Vergleich deutlich weniger Klagen anhängig. Die Erfolgsaussichten für die Kläger haben sich mit der jetzigen Entscheidung des BGH nicht verbessert.

Den Porsche-Managern nahm das OLG Düsseldorf ihre Arglosigkeit nicht ab

In einem vergleichbaren Fall eines Porsche-Klägers hatte das OLG Düsseldorf noch zugunsten des Käufers entschieden und diesem eine hohe Schadenersatzsumme zugesprochen. An der Kenntnis führender Vertreter auch der Firma Porsche zu den Vorgängen rund um die Schummelsoftware hatte das OLG damals keinerlei Zweifel und zitierte hierzu spitzfindig eine Volksweisheit:

... verschloss sie die Augen, betrieb ihre Geschäfte ungerührt weiter und zieht sich jetzt darauf zurück, der Hersteller habe ihr weiterhin versichert, die Motoren entsprächen den gesetzlichen Vorgaben. Der Volksmund beschreibt diese Verhaltensweise mit "Frog min Broder Jeck, dä is genauso schleit wie eck".„Frog min Broder Jeck, dä is genauso schleit wie eck“ ( OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.1.2020, 13 U 81/19).

Weitere News zum Thema:

EuGH stuft Abgasmanipulationssoftware als illegal ein

BGH macht heftige Einschränkungen beim Schadenersatz von VW-Dieselkäufern