Abgasskandal: Audi-Fahrer haben Probleme mit Schummelsoftware

Die Manipulationssoftware von VW/Audi beschäftigt immer öfter auch deutsche Gerichte. Deutsche VW- und Audi-Käufer haben allerdings größte Schwierigkeiten, vor Gericht Schadensersatz- bzw. Rückabwicklungsansprüche durchzusetzen.  

Dies hat sich jetzt wieder in einem Verfahren vor dem LG Düsseldorf bestätigt. Der Kunde hatte im Jahr 2012 ein Kraftfahrzeug der Marke Audi zu einem Kaufpreis von 46.250 Euro erworben. Das Fahrzeug wird von einem Dieselmotor der Serie EA 189 angetrieben. Dieser Motor verfügt über die so genannte Manipulationssoftware, die den Schadstoffausstoß im Testfall erheblich herunterregelt. Im Oktober 2015 forderte der Käufer vom Autohaus eine komplette Rückabwicklung des Kaufvertrages. Vorsorglich erklärte er die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und stellte ausdrücklich klar, dass er eine Nachbesserung ablehne.

Vorgerichtlich blieben beide Seiten stur

Das Autohaus antwortete hierauf mit der Mitteilung, der Volkswagenkonzern arbeite mit Hochdruck daran, einen mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmten Maßnahmenplan umzusetzen. Ab Januar 2016 werde mit der Nachbesserung der betroffenen Fahrzeuge begonnen. Auch das Fahrzeug des Klägers werde nachgebessert. Hiermit erklärte sich der Käufer nicht einverstanden. Er forderte weiter Rückabwicklung des Kaufvertrages. Ersatzweise bot er dem Autohaus an, das Fahrzeug zu einem angemessenen Preis zurückzunehmen. Im Gegenzug sei er bereit, ein neues Fahrzeug zu erwerben. Da eine Einigung zwischen den Parteien nicht zustande kam, landete die Sache schließlich vor dem Landgericht.

Manipulationssoftware hat erhebliche Folgen für Käufer

Mit Spannung erwartet wurde vor allem die Entscheidung des Gerichts zu der Frage, ob ein Fahrzeug mit Manipulationssoftware mangelhaft ist oder nicht. Für die Mangelhaftigkeit sprechen einige gewichtige Gründe:

  • Die Manipulationssoftware führt dazu, dass die amtliche Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge nicht mehr gilt. Allerdings hat das Kraftfahrtbundesamt erklärt, die betroffenen Fahrzeuge vor Durchführung der geplanten Rückkaufaktion nicht stillzulegen.
  • Die Durchführung der Rückrufaktion kann nach Angaben von VW zu einem geringfügigen Leistungsverlust führen, der das Beschleunigungsvermögen und die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge leicht beeinträchtigt (nach ADAC-Messungen sehr gering).
  • Nach Durchführung des Rückrufs werden die nachgebesserten Fahrzeuge mit hoher Wahrscheinlichkeit einen geringfügig erhöhten Benzinverbrauch aufweisen.
  • Es besteht die Gefahr erhöhter Kraftfahrzeugsteuer durch eine geänderte Einstufung.
  • Auch die Zulassung einzelner Fahrzeuge zu Umweltzonen könnte problematisch werden.
  • Wahrscheinlich ist mit gewissen Einbußen beim Wiederverkaufswert zu rechnen.

Rückabwicklung setzt Nacherfüllungsverlangen voraus

Die spannende Frage der Fehlerhaftigkeit beantwortete das Gericht allerdings nicht. Das Gericht ließ die Frage, ob ein Mangel im Sinne von § 434 BGB vorliegt oder nicht, offen. Auf die Beantwortung dieser Frage kam es nach Auffassung des LG für die Entscheidung nicht an. Falls nämlich die Mangelhaftigkeit zu bejahen wäre, hätte der Fahrzeug-Käufer nach Auffassung des LG dem Autohaus eine Frist zur Nacherfüllung setzen müssen. Der Rücktritt wegen Mängeln am Kaufgegenstand setze nach § 323 Abs. 1 BGB in jedem Fall die Einräumung einer Frist zur Nacherfüllung voraus. Dies habe der Käufer unterlassen. Im Gegenteil: Der Käufer habe auf das Nachbesserungsangebot des Autohauses die Teilnahme an der Rückrufaktion explizit abgelehnt. Damit sei eine wesentliche Voraussetzung für die Rückabwicklung des Vertrages nicht erfüllt.

Keine Arglist des Autohauses

Nach Auffassung des LG war die Fristsetzung zur Nacherfüllung auch nicht entbehrlich. Entbehrlich könne die Fristsetzung dann sein, wenn besondere Umstände unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel der Sache arglistig verschwiegen hat (BGH, Beschluss v. 8.12.2006, V ZR 202/05). Nach Auffassung des LG hat das beklagte Autohaus bei Abschluss des Kaufvertrages aber nicht arglistig gehandelt, da dem Autohaus zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Problem der Manipulationssoftware nicht bekannt gewesen sei. Das Wissen des Herstellers müsse sich ein selbständiger Vertragshändler nicht zurechnen lassen. Aus diesem Grunde scheiterte auch die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Teilnahme an der Rückrufaktion von VW/Audi ist zumutbar

Eine Teilnahme an der Rückrufaktion war dem Käufer nach Auffassung des LG auch zumutbar. Durch die fehlende Zulassungskonformität wurde der Kläger nach Auffassung des LG in der Nutzung des Fahrzeuges nicht wesentlich beeinträchtigt, da das Kraftfahrtbundesamt offiziell von einer Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge absieht. Im Ergebnis hatte der Käufer also mit seiner Klage keinen Erfolg. Allerdings bleibt ihm noch die Möglichkeit, gegen das Urteil Berufung beim OLG einzulegen.

 

(LG Düsseldorf, Urteil v.23.8.2016, 6 O 413/15)

 

Einheitliche Rechtsprechung zur Schummelsoftware ist bisher nicht erkennbar

Eine klare Tendenz der Rechtsprechung in Deutschland hinsichtlich der Behandlung der Schummelsoftware ist bisher nicht erkennbar.

  • Das LG Bochum hat eine wesentliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit eines betroffenen Fahrzeugs und damit das Vorliegen eines Mangels verneint und die Klage eines Käufers abgewiesen (LG Bochum, Urteil v. 16.3.2016, I – 2 O 425/15).
  • Das OLG Hamm und das OLG Celle haben im Rahmen der Prüfung von Prozesskostenhilfeanträgen den jeweiligen Antragstellern PKH gewährt mit der Begründung, dass Rückabwicklungsansprüche wegen der Schummelsoftware zumindest nicht generell auszuschließen seien (OLG Hamm, Beschluss v. 21.6.2016, 28 W 14/16; OLG Celle, Beschluss v. 30.6.2016, 7 W 26/16).

Die Weiterentwicklung der den Prozesskostenhilfeverfahren folgenden Klageverfahren dürfte noch spannend werden. Für Volkswagen/Audi bedeutet diese Unsicherheit hinsichtlich der deutschen Rechtsprechung neben den Milliardenzahlungen auf dem US-Markt ein weiteres erhebliches Kostenrisiko.


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