Muss ein Vollkaskoversicherter Rechnungspositionen einer Werkstatt ohne Anlass hinterfragen?

Der BMW der Klägerin, die das Auto vollkaskoversichert hatte, wurde beschädigt. Die Frau ließ darauf hin das Fahrzeug in einer Werkstätte reparieren. Die Rechnung in Höhe von 2356 EUR wollte die Versicherung nicht zur Gänze bezahlen.
Werkstatt hatte höheren Preis für Lackierarbeiten abgerechnet als der Subunternehmer
Die Versicherung argumentierte, dass der Subunternehmer, der die notwendigen Lackierarbeiten durchgeführt hatte, für diese einen geringeren Betrag angesetzt hatte als die Werkstatt gegenüber der Halterin des BMWs. Es sei gerichtsbekannt, dass das Lackierunternehmen für seine Arbeiten weniger ansetze als die Werkstatt. Sie sei nicht verpflichtet, diesen erhöhten Betrag zu bezahlen.
Die klagende BMW-Fahrerin war der Ansicht, dass sie sich nicht entgegenhalten lassen müsse, dass das Lackierunternehmen weniger abgerechnet hatte als ihre Werkstatt.
Vollkaskoversicherer muss vollen Reparaturbetrag bezahlen
Das Amtsgericht Kassel bestätigte in diesem Punkt die Auffassung der Klägerin. Die Halterin des BMW könne von ihrer Versicherung verlangen, dass sie den vollen Rechnungsbetrag erstatte – abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung.
Nach den allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung hat die Beklagte im Falle der Beschädigung des versicherten Fahrzeugs die für die Reparatur erforderlichen Kosten zu bezahlen. Das betreffe sämtliche Kosten, die ein verständiger und vernünftiger Versicherungsnehmer zur vollständigen und fachgerechten Beseitigung der eingetretenen Schäden aufwenden würde, wenn er nicht kaskoversichert wäre.
Versicherter muss nicht ohne Anlass Werkstattrechnung in Frage stellen
Vom Versicherungsnehmer könne nicht gefordert werden, dass er ohne konkreten Anlass Nachforschungen darüber anstellt, ob eine solche Rechnung fehlerhaft ist, etwa weil nicht angefallene Kosten oder Ähnliches Gegenstand der Rechnung seien.
Die Rechnung biete keinen Anlass dafür, dass die BMW-Halterin einzelne Rechnungspositionen der Werkstatt in Frage stellt. Dass ein Subunternehmen für die Reparatur hinzugezogen wurde, sei gängige Wirtschaftspraxis und spiele deshalb bei der Abrechnung gegenüber dem Auftraggeber keine Rolle.
(AG Kassel, Urteil v. 12.09.2023, 423 C 41/23)
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