BGH: Halterhaftung bei geparkten Anhängeren

Der Halter eines ordnungsgemäß am Straßenrand geparkten Anhängers haftet nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) für Schäden, die dadurch entstehen, dass der Anhänger durch ein schleuderndes Kfz ins Rollen gebracht wird.

In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH die Haftung des Halters eines am Straßenrand abgestellten Anhängers für den Fall angenommen, dass der Anhänger ohne Zutun des Halters durch fehlerhaftes Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers in Bewegung gesetzt wurde und hierdurch Schäden an einem Gebäude angerichtet hat.

Anhänger durch Fremdverschulden zum Rollen gebracht

In dem vom BGH entschiedenen Fall war ein Autofahrer in einer Linkskurve ins Schleudern geraten und von der Fahrbahn abgekommen. Dabei stieß er gegen den am Fahrbahnrand ordnungsgemäß abgestellten Anhänger, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war. Der Anhänger setzte sich infolge des Anstoßes in Bewegung und verursachte Schäden an einem Gebäude.

Gebäudeversicherung forderte Regress

Die Gebäudeversicherung klagte aus übergegangenem Recht gegen den Haftpflichtversicherer des Anhängers auf Ersatz der von ihr an den Gebäudeeigentümer geleisteten Schadenssumme. Das Amtsgericht (AG) gab der Klage aus dem Gesichtspunkt der Haftung des Halters für die Betriebsgefahr des Anhängers statt.

LG verneinte Verwirklichung der Betriebsgefahr des Anhängers

Die gegen das Urteil eingelegte Berufung des Haftpflichtversicherers hatte beim Landgericht (LG) Erfolg. Nach Auffassung des LG war nach der gebotenen wertenden Betrachtung der Gebäudeschaden dem Betrieb des Anhängers nicht zuzurechnen. Der Fahrer des verunfallten PKW habe das Unfallgeschehen so maßgeblich bestimmt, dass die Betriebsgefahr des ordnungsgemäß abgestellten Anhängers hinter dem Verschulden des PKW-Führers vollständig zurücktrete.

Weite Auslegung der Betriebsgefahr durch BGH

Diese Beurteilung des LG teilte der BGH in der Revisionsinstanz nicht. Die in der bis zum 16.7.2020 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 StVG und danach in § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG geregelte Haftung des Halters eines Anhängers habe zur Voraussetzung, dass ein Schaden beim Betrieb des Anhängers entstanden ist. Erforderlich sei hiernach lediglich, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen wurde.

Örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zum Anhängerbetrieb erforderlich

Die hiernach für eine Haftung maßgebliche Betriebsgefahr sei unter Berücksichtigung des Normzwecks dann dem Halter zuzurechnen, wenn die Schadensursache in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Kraftfahrzeugs bzw. Anhängers steht (BGH, Urteil v. 20.10.2020, VI ZR 319/18).

Unkontrollierter Rollvorgang als typische Gefahrenquelle eines Anhängers

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stehe der Gebäudeschaden nicht in einem eher zufälligen Zusammenhang mit der vom Anhänger ausgehenden Betriebsgefahr. Vielmehr wirke in dem Gebäudeschaden die dem Anhänger konstruktionsbedingt innewohnende Gefahr einer unkontrollierten Bewegung durch Fremdeinwirkung fort. In dem unkontrollierten Rollvorgang verwirkliche sich eine typische Gefahrenquelle eines solchen Anhängers. Daran ändere es nichts, dass der Anhänger im öffentlichen Verkehrsraum ordnungsgemäß abgestellt worden sei.

Dritteinwirkung beseitigt nicht die Betriebsgefahr des Anhängers

Diese Beurteilung ändere sich auch nicht dadurch, dass der Fahrer des PKW, der die Kontrolle über das von ihm geführte Fahrzeug verloren hatte, das Unfallgeschehen maßgeblich bestimmt hat. Diese Dritteinwirkung rechtfertige nicht den Schluss, dass es an dem für die Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem eingetretenen Gebäudeschaden und dem Betrieb des Anhängers gefehlt habe. Das Maß der Verantwortlichkeit des Drittschädigers sei ggfls. im Rahmen eines etwaigen Gesamtschuldnerinnenausgleichs der Schädiger gemäß §§ 426, 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen.

BGH trifft eigene Endentscheidung

Mit dieser Begründung gab der BGH der Revision der Gebäudeversicherung statt und hob das Berufungsurteil auf. Da die Sache zur Endentscheidung reif war, wies der BGH auch die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurück und stellte dieses damit wieder her.

(BGH, Urteil v. 7.2.2023, VI ZR 87/22)