Auffahrunfall auf der Autobahn wegen Notfallbremsassistent-Defekt

Ein technisches Versagen des Notfallbremsassistenten führte dazu, dass ein Pkw auf der Autobahn ohne ersichtlichen Grund abrupt abgebremst wurde. Ein nachfolgender Lkw-Fahrer schafft es nicht mehr zu bremsen und fuhr auf das Auto auf. Das OLG Frankfurt sah bei der Pkw-Fahrerin zwar einen Verursachungsbeitrag für den Unfall, sah darin aber kein Verschulden.

Eine Frau fuhr mit ihrem Pkw auf der Autobahn. Direkt hinter ihr befand sich,  auf derselben Spur, ein Lkw. Der Lkw-Fahrer fuhr auf das Auto auf, als es ohne ersichtlichen Grund plötzlich durch den Notfallbremsassistent gestoppt wurde. Vor Gericht musste die Haftungsverteilung geklärt werden.

Das Landgericht hatte der klagenden Pkw-Fahrerin nur ein Drittel des geltend gemachten Schadens zugesprochen. Das OLG Frankfurt am Main kam zu einer anderen Einschätzung und sprach der Frau zwei Drittel ihres Schadens zu.

Zu geringer Abstand des Lkw war mitursächlich für den Unfall

Der Unfall sei durch den Lkw mitverursacht worden, so das Gericht. Denn mitursächlich für die Kollision sei der zu geringe Abstand des Lkws zum vorausfahrenden Pkw gewesen.

Der Lkw mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen war schneller als 50 km/h unterwegs und hatte den Mindestabstand von 50 Metern unterschritten, den er gemäß § 4 Abs. 3 StVO auf der Autobahn zum vorausfahrenden Fahrzeug hätte einhalten müssen. Dass dieser Mindestabstand von dem Lastwagenfahrer nicht eingehalten worden war, hatten Sachverständige geklärt.

§ 4 Abs. 1 StVO
Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem angehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.

§ 4 Abs. 3 StVO
Wer einen Lastkraftwagen mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t oder einen Kraftomnibus führt, muss auf Autobahnen, wenn die Geschwindigkeit mehr als 50 km/h beträgt, zu vorausfahrenden Fahrzeugen einen Mindestabstand von 50 m einhalten.

Hinsichtlich des Lkw-Fahrers sei, so das Gericht, von einem Verschulden auszugehen, da er den erforderlichen Mindestabstand ohne zwingende Gründe um etwa 30 Prozent unterschritten habe, der Abstand zum vorausfahrenden Pkw nur etwa 35 Meter betragen habe.

Auffahrender Lkw-Fahrer haftet zu zwei Dritteln

Die klagende Autofahrerin musste sich aber ebenfalls einen Verursachungsbeitrag vorwerfen lassen, da sie ihr Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund auf freier Strecke stark abgebremst habe. Da das abrupte Abbremsen der Klägerin aber unstreitig auf ein technisches Versagen bei ihrem Fahrzeug zurückzuführen war, treffe sie kein Verschulden. Im Ergebnis kam das Gericht zu einer Haftungsverteilung von zwei Dritteln zu Lasten der Beklagten und zu einem Drittel zu Lasten der Klägerin.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 09.03.2021, 23 U 120/20).

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Hintergrund: Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall

Die schuldhafte Verursachung des Unfalls durch den Auffahrenden ist anzunehmen, da für das Auffahren auf erste Sicht die Erklärungen sprechen, dass der Auffahrende entweder keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat, mit überhöhter Geschwindigkeit oder unaufmerksam gefahren ist (u.a. BGH, Urteil v. 13.12.2016, VI ZR 32/16).

Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises muss der Auffahrende den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis dadurch erschüttern, dass er die Typizität des Geschehensablaufs ausräumt. Die Anforderungen hieran sind hoch. 

Schlagworte zum Thema:  Verkehrsunfall, Haftung