2-G-Regel im Einkauf in Bayern und Baden-Württemberg gekippt

Nachdem der Bayerische VGH die 2-G-Regelung für den Einzelhandel in Bayern vorläufig außer Vollzug gesetzt hat, hat nun auch der VGH Baden-Württemberg die 2-G-Regel für den Einzelhandel gekippt: Sie sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 28a IfSG gedeckt. Es gilt dort nun wieder 3-G.

Mit den Entscheidungen der Verwaltungsgerichtshöfe Bayern und Baden-Württemberg ist die 2-G-Regel nun in zwei großen Flächenländern außer Kraft gesetzt. Diese Schlappe für gleich zwei Landesregierungen freut den Einzelhandel - und möglicherweise Omikron.

2-G-Regelung ist voraussichtlich verfassungswidrig

In Baden-Württemberg hatte die Betreiberin eines Schreibwarengeschäfts aus dem Ortenaukreis gegen die 2-Regel geklagt und einstweiligen Rechtschutz beantragt. Der VGH gab dem Begehren der Antragstellerin statt. Das Gericht bewertet die 2-G-Regelung für den Einzelhandel gemäß § 17 Abs. 1 der CoronaVO BW als voraussichtlich nicht verfassungsgemäß. Nach dieser Vorschrift durften in Baden-Württemberg ausschließlich geimpfte und genesene Personen Einzelhandelsgeschäfte betreten.

2-G ist schwerer Eingriff in Verfassungsrechte

Diese Regelung bewertete der VGH als schwerwiegenden Eingriff in Grundrechte, unter anderem in das durch Art. 12 GG geschützte Recht der Berufsausübungsfreiheit und in das durch Art. 14 GG geschützte Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs.

Die Verfassung schließt eine 2-G-Regelung nicht grundsätzlich aus

Der VGH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass die Einführung einer 2-G-Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sondern zum Schutz des überragenden Rechtsgutes der Gesundheit der Bevölkerung grundsätzlich gerechtfertigt sein kann. Dies setze aber voraus, dass die entsprechende Regelung die Vorgaben der zugrundeliegenden Ermächtigungsgrundlage ausreichend beachtet.

Ankopplung an die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz ist zwingend

Nach der Entscheidung des VGH ist die Regelung des § 17 Abs. 1 der CoronaVO BW nicht von der maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 28a IfSG gedeckt.  § 28a, auf welcher die Coronaschutzverordnungen auch der anderen Bundesländer beruhen, misst der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz eine entscheidende Bedeutung für die Anordnung von Corona-Maßnahmen wie Zugangsbeschränkungen zu. Nach Auffassung des VGH muss hiernach eine wirksame Zugangsbeschränkung wie die 2-G-Regelung zwingend an die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz gekoppelt werden. Die Nichtbeachtung dieser entscheidenden Voraussetzung führt nach der Bewertung des VGH zur Unwirksamkeit entsprechender landesrechtlicher Verordnungsbestimmungen.

Im baden-württembergischen Einzelhandel gilt wieder 3-G

Infolge dieser unzulässigen Abkoppelung bewertet der VGH die baden-württembergische 2-G-Regelung als voraussichtlich verfassungswidrig und setzte deshalb die 2-G-Regelung für den Einzelhandel vorläufig außer Vollzug. Seitdem gilt in Baden-Württemberg im Einzelhandel wieder 3-G.

(VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 25. 1. 2022, 1 S 89/22)

Bereits zuvor hatte der VGH für Uni-Vorlesungen ähnlich entschieden

Der VGH warf der Landesregierung Baden-Württemberg in seiner Entscheidung unter anderem vor, die Entscheidungen des VGH zu wenig zu beachten. Erst in der Vorwoche hatte der VGH dem Eilantrag eines Pharmaziestudenten gegen die Zutrittsbeschränkungen zur Universität stattgegeben und die 2-G-Regelung des § 2 Abs. 5 CoronaVO BW für rechtswidrig erklärt. Zur Begründung hatte der VGH auch hier ausgeführt, eine Vorschrift, die ausdrücklich unabhängig von der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz verschärfte Zugangsbeschränkungen für nicht immunisierte Personen normiert, stehe nicht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG.

In Baden-Württemberg dürfen auch ungeimpfte Studenten wieder zur Uni

Nach der Entscheidung des VGH dürfen seit dem 24.1.2022 auch ungeimpfte Studenten wieder in die Hörsäle der baden-württembergischen Universitäten.

(VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 20.1.2022, 1 S 3846/21).

Landesregierung Baden-Württemberg unter Druck

Die baden-württembergische Landesregierung gerät durch die beiden VGH-Entscheidungen zunehmend unter Druck. Die Landesregierung hat inzwischen reagiert und erklärt, das „Einfrieren der Alarmstufe II“ sei ohnehin nur als Übergangslösung bis maximal 1. Februar geplant gewesen. Die CoronaschutzVO werde umgehend angepasst und die 2-G-Regel wieder an die Hospitalisierungsinzidenz gekoppelt.

Auch in Bayern kein 2-G im Einzelhandel mehr

In Bayern wurden 2G und 3G im Einzelhandel gänzlich abgeschafft, nachdem der Bayerische VGH die 2-G-Beschränkungen für den Einzelhandel in dem vom Inhaber eines Beleuchtungsgeschäfts eingeleiteten Eilverfahren vorläufig außer Vollzug gesetzt hatte. Der Bayerische VGH monierte, die dortigen Regeln zur 2-G- Beschränkung seien nicht klar genug formuliert. Sie seien insbesondere hinsichtlich der Behandlung von Einzelhandelsgeschäften mit Mischsortimenten nicht präzise genug. Die dies regelnde Verordnung erfülle daher insoweit nicht die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage des § 28a IfSG.

(BayVGH, Beschluss v. 19.1.2022, 20 NE 21.3119)

Hintergrund

Die baden-württembergische Corona-VO sieht in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 vor, dass die Alarmstufe II mit verschärften Beschränkungsoptionen erreicht ist, sobald landesweit die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz den Wert 6 erreicht oder überschreitet oder wenn landesweit die Auslastung der Intensivbetten mit COVID-19-Patientinnen und Patienten die Zahl von 450 erreicht oder überschreitet. In einem Zusatz wird dann im Hinblick auf die erhöhte Infektiosität der derzeit vorherrschenden Omikron-Variante bestimmt, dass die Alarmstufe II bis einschließlich 1. Februar 2022 unabhängig von der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz Anwendung findet. Darin sahen die Richter des VGH BW eine unzulässige Abkopplung möglicher Einschränkungen von den Vorgaben des IfSG.

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