Rail & Fly: Mit Unpünktlichkeit der Bahn muss gerechnet werden
Das LG Koblenz hat sich mit der Frage befasst, inwieweit Reisende sich bei einer Anfahrt zum Abflugflughafen mit der Bahn auf die Pünktlichkeit der Bahn verlassen dürfen. Die Antwort des Gerichts ist eindeutig: Auf die Pünktlichkeit der Bahn darf nicht vertraut werden, vielmehr ist ein großzügiger zeitlicher Puffer für erwartbare Verspätungen einzuplanen.
Rail&Fly-Gutschein ermöglichte kostenfreie Zuganreise
Ein Ehepaar hatte im Rahmen einer Pauschalreise eine Nordeuropa-Kreuzfahrt gebucht. Zum Pauschalangebot gehörte ein Rail&Fly-Gutschein. Dieser ermöglichte es dem Ehepaar, ohne zusätzliche Kosten mit dem Zug zum Flughafen anzureisen. Die Wahl der Bahnverbindung war den Reisenden überlassen.
Flug wegen Unpünktlichkeit der Bahn verpasst
Das Ehepaar plante für die Ankunft am Flughafen einen gut zweieinhalbstündigen zeitlichen Puffer ein. Dieser reichte allerdings bei weitem nicht aus. Zugausfälle, Verspätungen der Bahn und ein verpasster Anschlusszug führten dazu, dass die Reisenden nicht rechtzeitig zum Check-In am Flughafen waren und den Flug verpassten. Damit war die gesamte Kreuzfahrt dahin.
Vorabhinweis des Reiseveranstalters auf zeitlichen Puffer
Hierauf wollten das Ehepaar den Reisevertrag stornieren und wegen der ins Wasser gefallenen Kreuzfahrt Schadenersatz bzw. Entschädigung vom Reiseveranstalter. Dieser wendete ein, die Anreise zum Flughafen mit der Bahn mit dem Rail&Fly-Ticket sei nicht Bestandteil der Pauschalreise gewesen. Die Reisenden hätten die Bahnverbindung selbst eigenverantwortlich wählen dürfen. In den dem Ehepaar ausgehändigten Reiseinformationen sei darauf hingewiesen worden, dass bei der Anreise mit der Bahn ein zeitlicher Puffer von 4 Stunden hinsichtlich der Ankunft am Flughafen einzuplanen sei, um einen sicheren Check-In zu gewährleisten.
Verpassen des Fluges war selbstverschuldet
Das seitens des Ehemanns aus eigenem und abgetretenem Recht angerufene LG war zwar der Auffassung, dass die Bahnreise zum Flughafen mit dem Rall&Fly-Ticket Bestandteil der Pauschalreise sei, allerdings habe das Ehepaar die verspätete Ankunft am Frankfurter Flughafen selbst verschuldet. Das beklagte Reiseunternehmen habe in den Reiseinformationen an hervorgehobener Stelle darauf hingewiesen, dass bei Reisen ins Nicht-EU-Ausland ein zeitlicher Puffer von dreieinhalb (nicht 4) Stunden vor dem Check-In am Flughafen eingeplant werden müsse. Dieser Empfehlung sei das Ehepaar nicht gefolgt.
Vertrauen auf pünktliche Bahn ist grob fahrlässig
Das LG warf dem Ehepaar vor, die Anfahrt mit der Bahn in der Weise geplant zu haben, dass bei einer 100 % pünktlichen Ankunft des Zuges am Bahnhof des Frankfurter Flughafens ein zeitlicher Puffer von ca. zweieinhalb Stunden entstanden wäre. Dieser Puffer sei bei optimalem Anreiseverlauf schon sehr kurz gewesen. Auf eine pünktliche Ankunft der Bahn am Flughafen hätte das Paar aber nicht vertrauen dürfen, dies sei grob fahrlässig. Verspätungen der Bahn seien immer möglich und daher großzügig einzuplanen. Auch wenn das Ehepaar die Zugverbindung selbst habe auswählen können, so habe es sich an die Empfehlung des Reiseveranstalters halten müssen, einen zeitlichen Puffer von mindestens dreieinhalb Stunden einzuplanen. Die Nichteinhaltung dieser Empfehlung sei letztlich der Grund für den verpassten Flug.
Weder Entschädigung noch Schadenersatz
Das LG stellte in seiner Entscheidung maßgeblich auf die Vorschrift des § 651n BGB ab. Gemäß § 651n Abs. 1 BGB können Reisende wegen eines Reisemangels unbeschadet einer Minderung oder Kündigung Schadenersatz verlangen, es sei denn sie haben den Reisemangel selbst verschuldet. Gemäß § 651n Abs. 2 BGB haben Reisende einen Anspruch auf Entschädigung bei einer erheblichen Beeinträchtigung oder Vereitelung der Reise. Das LG lehnte solche Ansprüche des Ehepaars ab. Das Ehepaar habe durch die zeitlich viel zu knappe Anreiseplanung das Nichterreichen des Fluges und damit den Ausfall der Anreise selbst verschuldet. Ein Anspruch auf Schadenersatz bzw. Entschädigung sei daher ausgeschlossen.
Klage abgewiesen
Mit dieser Begründung wies das LG die aus eigenem und abgetretenem Recht erhobene Klage des Ehemanns in vollem Umfang ab.
(LG Koblenz, Urteil v. 3.7.2025, 16 O 43/24)
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