Sind Kopien aus der digitalen Akte erstattungsfähig?

Der elektronische Rechtsverkehr wird im Strafrecht voraussichtlich erst ab 1.1.2026 verbindlich. Trotzdem bekommen Strafverteidiger schon jetzt Probleme mit der Erstattung der Kopierkosten, wenn sie von der elektronischen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Printkopien ziehen. Hierzu hat das OLG Nürnberg klargestellt, dass der Strafverteidiger nicht auf Datenkopien im Laptop verwiesen werden kann.

Der Elektronische Rechtsverkehr ist auf dem Vormarsch.  Die Rechtsanwälte sind ab dem 1.1.2018 mit dem besoderen elektronischen Anwaltspostfach in der Pflicht und sollten mittlerweile in der heißen Vorbereitungsphase stecken. Auch bei den Gerichten setzt sich die Digitalisierung immer mehr durch.

Elektronische Rechtsverkehr wirft neue Fragen auf

Nicht nur die Umstellung bereitet Anwälten und Gerichten teilweise Probleme, es werden auch neue Rechtsfragen aufgeworfen.

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Dies Problem stellte sich einem Pflichtverteidiger, der für sich und seinen Mandanten jeweils über 28.000 Kopien aus der Ermittlungsakte hatte kopieren lassen. Die Akte war ihm zuvor in elektronischer Form zur Verfügung gestellt worden. Dafür machte er gegenüber der Staatskasse zwei Mal rund 4.200 Euro geltend. Doch diese Kostenerstattung wurde abgelehnt

Trotz elektronischer Akte Kopien der Ermittlungsakte?

Der Anwalt müsse sich zur Not halt einen Laptop anschaffen, auf dem er die Ermittlungsakte mit seinem Mandanten in der Hauptverhandlung einsehen könne. Der Anwalt ließ das nicht auf sich bewenden und zog vor Gericht: Der Ausdruck der Ermittlungsakte sei schon deshalb erforderlich, weil er keinen Laptop besitze, den er mit in die Hauptverhandlung nehmen könne.

Keine gesetzliche Pflicht, elektronische Akte zu führen

Das Oberlandesgericht Nürnberg lehnte zwar die Übernahme der Kosten für die Mandantenkopie ab, hielt aber die Geltendmachung der Kopierkosten seitens des Anwalts für gerechtfertigt.

Die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziff. 1 VV RVG sei dann zu gewähren, wenn die Kopien für die sachgerechte Bearbeitung des Mandats geboten erscheine. Davon sei wie im vorliegenden Fall bereits dann auszugehen, wenn der Anwalt keinen Laptop besitze.

Denn derzeit bestehe noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur Verwendung einer elektronischen Akte in Strafsachen samt Anschaffung einer entsprechenden technischen Ausstattung.

Waffengleichheit gebietet Kostenübernahme für Kopien

Umgekehrt seien auch die Strafgerichte nicht verpflichtet, mit einer elektronischen Akte zu arbeiten. Insoweit gebiete es die Waffengleichheit, dass sich der Verteidiger Auszüge aus den Akten fertigen darf. Dabei mache es keinen Unterschied, ob diese aus der Papierakte kopiert oder aus der elektronischen Akte ausgedruckt werden.

Bis zur gesetzlich verbindlichen Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen verbleibt es somit bei der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Dokumentenpauschale gemäß § 46 RVG i.V.m. Nr. 7000 Ziff. 1 lit. a VV RVG.

Demgemäß ging auch das Oberlandesgericht Celle in einer früheren Entscheidung (Beschluss v. 11.12.2015, 1 Ws 518/15) davon aus, dass das Anfertigen von Ausdrucken von dem Verteidiger im Rahmen der Akteneinsicht überlassener, auf CDs gespeicherter Textdateien, bei denen es sich um Kurzübersetzungen überwachter Telefonate handelte, jedenfalls bei einem weit überdurchschnittlichen Umfang  - hier: 81.900 Telefongespräche auf 43.307 Seiten - zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sei.

Im Strafrecht wird elektronische Akte nicht so bald eingeführt

Im Bereich der Strafjustiz könne auch nicht damit gerechnet werden, dass die elektronische Akte „demnächst“ oder „in Kürze“ eingeführt werde, befand das Gericht weiter. Mit dieser Begründung hatten einige Oberlandesgerichte die Kostenübernahme der Kopien abgelehnt.

Derzeit existieren laut Oberlandesgericht Nürnberg nur im Bereich des Zivilrechts Pilotprojekte.

Dort sollen die Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr spätestens zum 01.01.2022 bundesweit auch für Rechtsanwälte verpflichtend in Kraft treten.

Für das Strafverfahren soll nach dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17.08.2016 (BT- Drucks. 18/9416) für die elektronische Aktenführung eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Dabei soll die elektronische Aktenführung bis zum 31.12.2025 „lediglich eine Option“ darstellen, und erst ab dem 1.1.2026 – mithin in knapp neun Jahren – verbindlich werden (BT-Drucks. a.a.O. Seite 1).

(OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.5.2017, 2 Ws 98/17)


Hintergrund

Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten folgt aus § 1 RVG in Verbindung mit Nr. 7000 VV RVG. Gemäß Nr. 7000 Nr. 1 a.) VV RVG sind die Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit die Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung geboten war.

Zur Erforderlichkeit von Fotokopien

Grundsätzlich sind alle Auslagen des beigeordneten Anwaltes, mithin auch die Kosten für das Anfertigen von Aktenauszügen, als für eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten bzw. Angeklagten notwendig und erforderlich anzusehen und es obliegt der Staatskasse nachzuweisen, welche Auslagen im konkreten Einzelfall für die sachgerechte Interessenwahrnehmung nicht geboten waren.


Zeitplan zum Elektronischen Rechtsverkehr:

  • Am 1.7.2014 treten die Beweisvorschrift für De-Mail-Nachrichten sowie die Vorschriften, die eine Zustellung von Urteilen und Beschlüssen nicht mehr in Ausfertigung, sondern nur noch in beglaubigter Abschrift vorsehen, in Kraft.
  • Zum 1.1.2016 treten die Vorschriften über das Schutzschriftenregister sowie über das elektronische Anwaltspostfach in Kraft. Ab 2016 sollen - so die Bundesrechtsanwaltskammer, alle und Rechtsanwälte auch über sichere elektronische Postfächer, die die BRAK einrichten wird, für Gerichte elektronisch erreichbar sein.
  • Ab 1.1.2018 soll der elektronische Zugang zu allen deutschen Gerichten ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges eröffnet sein. Da einzelne Länder für die Einrichtung der notwendigen IT-Infrastruktur mehr Zeit benötigen, erlaubt das Gesetz, das Inkrafttreten der Zugangsregelungen durch Länderverordnung bis zum 1.1.2020 hinauszuschieben.
  • Spätestens ab 1.1.2020 ist der elektronische Zugang zu den Gerichten bundeseinheitlich eingeführt.
  • Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte und Behörden können die Länder frühestens ab 2020 vorsehen, wobei eine einjährige Phase der Freiwilligkeit im betreffenden Land vorauszugehen hat.
  • Bundesweit tritt die Nutzungspflicht 2022 in Kraft.
  • Im Strafrecht wird die elektronische Aktenführung voraussichtlich erst ab dem 1.1.2026 verbindlich.
Schlagworte zum Thema:  Rechtsanwalt, Kostenerstattung