Ex-Richter darf am früheren Dienstgericht als Anwalt arbeiten

Der Präsident des OLG Hamm hat vor dem Verwaltungsgericht Münster eine Schlappe einstecken müssen. Er hatte einem ehemaligen Richter untersagt, als Rechtsanwalt vor seinem ehemaligen Dienstlandgericht aufzutreten. Die lange Sperrfrist für den früheren Richter ging dem Verwaltungsgericht zu weit.

Als die Dienstzeit des Richters Ende 2014 endete, beantragte er nahtlos mit Beginn des Ruhestands die Zulassung als Rechtsanwalt.

Erst mal eine paar Jahre Wartezeit?

Nachdem bekannt geworden war, dass der Antragsteller in verschiedenen Verfahren vor seinem ehemaligen Dienstgericht als Rechtsanwalt auftritt, untersagte ihm der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, bis zum 31. Dezember 2019 vor diesem Landgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Verbots an.

Hiergegen hat der Antragsteller Klage erhoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt.

Vertrauens in Integrität des Berufsbeamtentums verlangt keine lange Sperrzeit

Der Ex-Richter und Junior-Anwalt wehrte sich mit Erfolg – denn das VG Münster entschloss sich, seine neuen Karriere erstmal keine Steine in den Weg zu legen. Es und setzte das vom Präsidenten des OLG Hamm erlassene befristete Verbot, vor dem Landgericht als Rechtsanwalt aufzutreten, vorläufig aus.  Die Maßnahme schien den VG-Richtern überdimensioniert.

  • Schon die Frist von fünf Jahren hielten die Verwaltungsrichter für unverhältnismäßig lang.
  • Maximal drei Jahre wären hier überhaupt in Betracht gekommen.
  • Doch das erlassene Verbot ist vor allem deshalb offensichtlich rechtswidrig,
  • weil durch die Erwerbstätigkeit des Antragstellers als Rechtsanwalt keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen sei.

Das geschützte dienstliche Interesse bestehe ausschließlich im Schutz des Vertrauens in die Integrität des Berufsbeamtentums.

Beeinträchtigungen dienstlicher Interessen?

Das Verwaltungsgericht Münster nimmt Beeinträchtigungen dienstlicher Interessen nur dann an, wenn die Tätigkeit nachteilige Rückschlüsse auf die frühere Amtsführung des Ruhestandsbeamten zulässt.

  • Die Erwerbstätigkeit im Ruhestand dürfe zum einen nicht den Eindruck erwecken, der Ruhestandsbeamte beachte eine nachwirkende Dienstpflicht - wie etwa die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit - nicht.
  • Zum anderen dürfe die Erwerbstätigkeit im Ruhestand nicht den Anschein begründen, der Beamte habe bereits während des Dienstes die Integrität der Amtsführung, d. h. die Pflichten zur unparteilichen und uneigennützigen Amtsführung, zurückgestellt,
  • um sich die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit im Ruhestand zu eröffnen oder nicht zu verbauen.

Besorgnis der Befangenheit unbegründet

Indes habe der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm das alles nicht vorgetragen. Und allein der Umstand, dass er sein durch seine aktive Dienstzeit als Richter am Landgericht erworbenes Wissen um die von ihm bearbeiteten Rechtsmaterien in seine Tätigkeit als Rechtsanwalt einbringe und davon unter anderem auch bei seiner Prozessvertretung Gebrauch mache, lasse eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht besorgen.

Auch die Besorgnis eines Prozessbeteiligten, ein Mitglied des Landgerichts sei wegen des Auftretens eines ehemaligen richterlichen Kollegen als Rechtsanwalt befangen und zu einer unparteilichen und unvoreingenommenen Amtsführung nicht in der Lage, genüge für sich genommen noch nicht, eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen.

(VG Münster, Beschluss v. 10.11.2015, 4 L 1081/15).


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Schlagworte zum Thema:  Befangenheit, Richter, Rechtsanwalt, Zulassung