Anwalt: Übernachtungskostenerstattung für Gerichtstermin

Wenn der auswärtige Rechtsanwalt zum Termin eine weitere Strecke zurücklegen muss, stellt sich oft die Frage: früh aufstehen oder extern übernachten. Die Staatskasse ist oft penibel bei der Reisekostenerstattung und verlangt kostenbewusstes Anreisen. Bei einer auf 11 Uhr in Würzburg terminierten Verhandlung billigte das Gericht einem Münsteraner Anwalt keine vorherige Übernachtung zu. Wie plante es die Anreise?

Laut BGH-Rechtsprechung  kann eine Partei, die vor einem auswärtigen Gericht klagt oder verklagt wird, in der Regel einen Anwalt an ihrem Wohn- bzw. Geschäftsort beauftragen und die Erstattung der Reisekosten verlangen.

Wie teuer darf die Reise werden und wie komfortabel darf es für den Rechtsanwalt sein?

Anwalt muss Strecke Münster–Würzburg 2 x am Tag fahren 

Zu den sonstigen Auslagen, deren Erstattung gem. Nr. 7006 VV RVG bei Angemessenheit verlangt werden können, gehören  auch die Übernachtungskosten.

Hier hatte der Rechtsanwalt Anwalt hatte 126,20 EUR Übernachtungskosten zur Erstattung angemeldet. Doch  das Verwaltungsgericht Würzburg hielt die Kosten für nicht angemessen.

Das Übernachtungskosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nach Nr. 7006 VV RVG als Auslagen ist laut VG Würzburg nicht bereits erstattungsfähig,

  • wenn die Übernachtung zweckmäßig, ist,
  • sondern wenn eine Hin- oder Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Frühe Anreise zum Termin muss zumutbar sein

Von Zumutbarkeit geht die Rechtsprechung aus, wenn der Reiseantritt außerhalb der Nachtzeit also nicht vor 6 Uhr morgens läge.

Erforderlich ist eine Reise, die ein Beteiligter in der maßgeblichen Situation zur Führung des Rechtsstreits und zum Erreichen des angestrebten Prozesserfolges als sachdienlich ansehen darf.

Wegen der Kostenminimierungspflicht ist jeder Beteiligte, dies bezieht sich laut der Würzburger Richter auch auf den Bevollmächtigten, verpflichtet, die Kosten so niedrig zu halten, wie sich das mit der Wahrung der prozessualen Belange vereinbaren lässt.

Nur solche Aufwendungen sind danach erstattungsfähig, die ein objektiver und verständiger Beteiligter, der sich bemüht, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, im Zeitpunkt ihres Anfalls (ex-ante-Sicht) nach Art und Höhe als geeignet, erforderlich und angemessen ansehen würde, um das mit ihnen zu befördernde prozessuale Ziel unter voller Berücksichtigung seiner sämtlichen berechtigten Belange zu erreichen.

Anwalt muss nicht vor 6 Uhr aus dem Haus

Ausgehend davon waren die Übernachtungskosten im Hotel in Höhe von 126,20 EUR nach Meinung der Würzburger Verwaltungsrichter mangels Angemessenheit nicht erstattungsfähig. Denn erstattungsfähige Prozesskosten sind die Übernachtungskosten eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es ihm nicht zuzumuten ist, am Tag des Termins der mündlichen Verhandlung anzureisen. Auch die Hin- und Rückfahrt von 800 km schienen dem Gericht zumutbar.

Nachts muss der Anwalt nicht reisen

Ausschlaggebend: Einem Bevollmächtigten kann es nicht abverlangt werden, die in der Rechtssache notwendig werdenden Reisen in der Nachtzeit durchzuführen.

Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a Abs. 4 ZPO die Zeit von 21 Uhr bis 6 Uhr anzusehen.

Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte seine Wohnung vor 6 Uhr morgens hätte verlassen müssen, müsste dieser nicht durchführen.

Der Richter als Routenplaner: von  Münster nach Würzburg

Im vorliegenden Fall, rechnet das Gericht vor, hätte der Anwalt von 6 Uhr bis 11 Uhr ausreichend Zeit gehabt, insbesondere mit dem Pkw von Münster nach Würzburg anzureisen.

  • Bei einer laut Routenplaner knapp vierstündigen Fahrtdauer (in Google allerdings 4,11 Std.) erscheine es
  • auch unter Berücksichtigung einer ausreichenden Pause sowie einer rechtzeitigen Ankunft am Terminsort zumutbar, am Verhandlungstag selbst anzureisen.
  • Es habe auch ein ausreichender zeitlicher Puffer bestanden.

Kein hohes Alter, keine Staugefahr

Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, etwa das hohe Alter des Anwalts, bekannte erhöhte Staugefahren oder winterliche Straßenverhältnisse wurden nicht vorgebracht und seien auch nicht sonst ersichtlich. Hierbei schien es dem Gericht unbedenklich, dass die an einem Tag zu bewältigenden  Strecke hin und zurück 800 km umfasst

In einem anderen Fall hatte ein Gericht einem weit über 70-jährigem Prozessvertreter eine Fahrstrecke von insgesamt 670 km an einem Tag, auch hier unterbrochen durch die Gerichtsverhandlung, als nicht zumutbar eingeordnet (OLG Naumburg, Beschluss v. 8.6.2016, 12 W 36/16).

Subjektive Schlafgewohnheiten rechtfertigen keine Übernachtung

Subjektive Schlafgewohnheiten rechtfertigen laut dem Verwaltungsgericht Würzburg keine Ausnahme. Im Übrigen habe das Gericht den Termin eigens auf 11 Uhr terminiert, um dem Anwalt eine Anreise am Reisetag zu ermöglichen. Ein Verlegungsantrag wurde seitens des Anwalts nicht gestellt, insbesondere nicht eine spätere Terminierung am Verhandlungstag. Schließlich sei es beim Verwaltungsgericht Würzburg – wie wohl auch bei den meisten anderen Gerichten – gängige Praxis, bei kurzfristigen verkehrsbedingten Verschiebungen ohne Nachteile für den Betreffenden auf das unverschuldet verspätete Erscheinen des Anwalts zu warten.

 (VG Würzburg, Beschluss vom 11.7.2017, W 8 M 17.30937)

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Hintergrund:

Übernachtungskosten:

Auch die Kosten einer Übernachtung sind nur in angemessenem Rahmen zu erstatten (Nr. 7006 VV RVG). Die angemessene Höhe hängt von den zum Zeitpunkt des Termins ortsüblichen Preisen ab. Soweit nichts anderes vereinbart ist, hat sich der Anwalt an den Kosten eines Mittelklassehotels mit modernem Komfort zu orientieren . Eine Übernachtung in einem sog. Luxushotel ist grundsätzlich nicht geboten

Reisekostenerstattung nach Anlage 1.7 RVG

7003Fahrtkosten für eine Geschäftsreise bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer0,30 €
 Mit den Fahrtkosten sind die Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie die Abnutzung des Kraftfahrzeugs abgegolten. 
7004Fahrtkosten für eine Geschäftsreise bei Benutzung eines anderen Verkehrsmittels, soweit sie angemessen sindin voller Höhe
7005Tage- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise 
 1.von nicht mehr als 4 Stunden25,00 €
 2.von mehr als 4 bis 8 Stunden40,00 €
 3.von mehr als 8 Stunden70,00 €
 Bei Auslandsreisen kann zu diesen Beträgen ein Zuschlag von 50% berechnet werden. 
7006Sonstige Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise, soweit sie angemessen sindin voller Höhe
7007Im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Mio. € entfälltin voller Höhe
 Soweit sich aus der Rechnung des Versicherers nichts anderes ergibt, ist von der Gesamtprämie der Betrag zu erstatten, der sich aus dem Verhältnis der 30 Mio. € übersteigenden Versicherungssumme zu der Gesamtversicherungssumme ergibt. 
7008Umsatzsteuer auf die Vergütungin voller Höhe
 Dies gilt nicht, wenn die Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt.