Die Situation auf dem Zahnarztstuhl dürfte von den meisten Patienten als wenig angenehm empfunden werden. Unter solchem Psychostress kann es schon mal zu ungeschickten Bewegungen kommen. Dies muss ein Zahnarztstuhl nach einer Entscheidung des AG München aber aushalten, und zwar auch dann, wenn es sich - wie im entschiedenen Fall - um einen ungewöhnlich großen Patienten handelt.
Vernehmbares Knacken im Behandlungsstuhl
In einer Münchner Zahnarztpraxis hatte ein Patient mit einer Körpergröße von ca. 2 m im Behandlungszimmer auf dem Zahnarztstuhl Platz genommen. Ob der besonderen Stresssituation auf dem Zahnarztstuhl geschuldet oder einfach nur, um es sich bequem zu machen, bewegte sich der Patient unglücklich auf dem Stuhl, er reckte und streckte sich, als plötzlich ein deutlich vernehmbares Knacken in der komplexen Stuhlmechanik zu hören war.
Reparatur kostete rund 1.700 EUR
Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte der Behandlungsstuhl infolge der Bewegungen des Patienten Schaden genommen. Wahrscheinlich durch das Strecken des Kopfes war die Kopfstütze ramponiert und verursachte Reparaturkosten in Höhe von 1.706,82 EUR, die der Zahnarzt von seinem Patienten ersetzt haben wollte.
Patient vom Zahnarzt auf Schadenersatz verklagt
Weder der Patient selbst noch seine Haftpflichtversicherung waren zur Zahlung der geforderten Summe bereit. Der Zahnarzt verfolgte seine Forderung daher vor Gericht weiter. Er begründete seine Klage mit der Behauptung, der 2 m große Patient habe sich auf dem Behandlungsstuhl in ungewöhnlicher Weise ungeschickt verhalten. Insbesondere habe er sich lang gestreckt, obwohl sich der Behandlungsstuhl noch in der Ausgangsposition und noch nicht in der Liegeposition befunden habe. Dies habe zur Beschädigung der Kopfstütze des Behandlungsstuhls geführt. Durch sein ungeschicktes Verhalten habe der Patient den entstandenen Schaden schuldhaft herbeigeführt.
Patient wollte es sich nur bequem machen
Das AG hat Beweis erhoben. Die vom Gericht als Zeugin vernommene Zahnarzthelferin erklärte, der Patient habe seine Position auf dem Behandlungsstuhl mehrfach verändert. Sie habe den Eindruck gehabt, er habe es sich bequem machen wollen. Ein solches Verhalten sei aber nicht ungewöhnlich, sondern auch bei anderen Patienten zu beobachten. Der Patient habe sich weder besonders hektisch noch in ungewöhnlicher Weise auf dem Behandlungsstuhl bewegt.
Auch große Patienten dürfen sich auf dem Zahnarztstuhl strecken
Aufgrund der Zeugenaussage konnte das AG kein Verschulden des beklagten Patienten an der Beschädigung des Stuhls feststellen. Auch der vom Gericht persönlich angehörte Zahnarzt habe nicht näher darlegen können, worin genau ein zumindest fahrlässiges Fehlverhalten des Patienten zu sehen sein soll. Dass der Patient sich gestreckt habe, könne ihm trotz seiner Größe von 2 m nicht ernsthaft vorgeworfen werden. Der Kläger selbst habe eingeräumt, dass auch andere Patienten sich auf den Behandlungsstuhl strecken und versuchen, eine möglichst bequeme Haltung einzunehmen. Er habe dargelegt, dass beim Positionieren der Patienten im Behandlungsstuhl - unabhängig von der Körpergröße - normalerweise keine Schäden entstehen würden.
Patienten dürfen auf die Stabilität eines Behandlungsstuhls vertrauen
Nach Auffassung des Gerichts durfte der Beklagte auch angesichts seiner Körpergröße von etwa 2 m davon ausgehen, dass der ihm zur Behandlung angebotene Stuhl ausreichend stabil und für ihn geeignet ist. „Übliche Bewegungen im Rahmen des Sich-Bequem-Machens“ müsse ein Zahnarztstuhl aushalten. Demgegenüber könnten von Patienten in der besonderen psychischen Stresssituation im Behandlungsstuhl eines Zahnarztes keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen zur Schonung des Behandlungsstuhls verlangt werden. Es müsse daher nicht weiter geklärt werden, ob der eingetretene Schaden auf mechanischen Verschleiß - wie vom Beklagten behauptet - oder auf dessen Bewegungen zurückzuführen sei. Ein irgendwie geartetes Patientenverschulden sei nicht festzustellen.
Patient muss nicht für den Schaden aufkommen
Im Ergebnis wies das AG die Klage des Zahnarztes auf Schadenersatz gegen seinen Patienten in vollem Umfang ab.
(AG München, Urteil v. 12.8.2025, 283 C 4126/25)