Wer einem minderjährigen Kind volle Verfügungsgewalt über sein Playstore-Konto einräumt und die Transaktionen des Kindes über 20 Monate nicht kontrolliert, ist selber schuld. Auf diesen kurzen Nenner könnte man ein Urteil des LG Karlsruhe in einem etwas ungewöhnlichen Klageverfahren bringen, das ein Vater gegen Google als Betreiber des Google-Playstore geführt hat.
Google-Konto auf Kreditkarten-Basis
Der Vater forderte von Google die Rückzahlung von Ausgaben seines Sohnes in Höhe von 33.748 EUR, die dieser zum Erwerb von Spielen im Google-Playstore - überwiegend durch sogenannte In-App-Käufe - getätigt hatte. Der Kläger hatte entsprechend den Nutzungsbedingungen bei Google die Daten seiner Kreditkarte hinterlegt. Die Nutzungsbedingungen sehen vor, dass der jeweilige Kontoinhaber für alle anfallenden Beträge im Zusammenhang den über sein Google-Konto vorgenommenen Transaktionen verantwortlich ist. Die Nutzungsbedingungen sehen die Möglichkeit vor, für Kinder ein eigenes Nutzer-Konto einzurichten mit der Option, dort Schutzeinstellungen vorzunehmen. Dazu gehört die Implementierung limitierter Kaufgenehmigungen für die Kinder.
7-jähriger hatte Spaß und kaufte kräftig ein
Der Kläger selbst hatte zunächst in den Jahren 2019 und 2020 für seinen Sohn kostenpflichtige Inhalte zu verschiedenen Spielen für einen Gesamtbetrag von knapp 50 EUR über ein ihm gehörendes Tablet erworben. Später übergab er das Tablet seinem 7-jährigen Sohn mit der Maßgabe, keine Spiele ohne Zustimmung seines Vaters zu kaufen. Dieser fasste die Gelegenheit beim Schopf und erwarb in dem Zeitraum Februar 2021 bis einschließlich September 2022 über die Kreditkarte seines Vaters Spiele zu einem Gesamtbetrag von 33.748 EUR. Dem lagen 1.210 Einzelkäufe zu Grunde. In einzelnen Monaten betrug das Transaktionsvolumen mehrere Tausend Euro.
Vater forderte von Google Erstattung
Erst Ende September 2022 fiel dem Kläger bei der Kontrolle seines Kontos die Höhe des von seinen 7-jährigen Sohn getätigten Transaktionsvolumens auf. Die hierauf an Google gerichtete Aufforderung zur Rückerstattung der gezahlten Beträge, erfüllte das Online-Unternehmen nicht. Die auf Rückerstattung gerichtete Klage hatte beim LG keinen Erfolg.
Deutsches Gericht zuständig
Das Karlsruher Gericht folgerte seine Zuständigkeit aus den Vorschriften der Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Der Kläger sei Verbraucher und leite seinen Rückzahlungsanspruch aus Verträgen über den Erwerb digitaler Inhalte für private Zwecke ab. Rechtlich handle es sich bei dem geltend gemachten Rückzahlungsanspruch um einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß Art. 10 Abs. 1 Rom-II-VO i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt.1 BGB. Die Zuständigkeit liege in diesen Fällen bei den nationalen Gerichten am Wohnsitz des beteiligten Verbrauchers.
Kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung scheitert nach der Entscheidung des LG im konkreten Fall daran, dass zwischen dem Kläger und dem beklagten Unternehmen wirksame Kaufverträge zustande gekommen seien und damit ein Rechtsgrund für die Zahlung bestanden habe. Die von seinem Sohn getätigten Käufe rechnete das Gericht dem Kläger über die Rechtsfigur der Anscheinsvollmacht zu. Ein zurechenbarer Anschein des Bestehens einer Vollmacht werde immer dann gesetzt, wenn
- der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters zwar nicht kennt,
- er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt aber hätte erkennen und
- verhindern können und
- der Geschäftspartner annehmen durfte, dass dem Vertretenen das Handeln des Vertreters bekannt ist (BGH, Urteil v. 11.5.2011, VIII ZR 289/09).
Vater hätte mit dem Spieltrieb seines Kindes rechnen müssen
Das Gericht warf dem Kläger vor, er habe seinem Sohn den Zugang zu App-Einkäufen durch Übergabe seines Tablets selbst ermöglicht. Angesichts seiner bei der Beklagten hinterlegten Kreditkartendaten habe er damit rechnen müssen, dass sein Sohn Einkäufe tätigt, auch wenn er dies nach seinen Darlegungen verboten hatte. Von der bestehenden Möglichkeit, die In-App-Einkäufe im Volumen zu limitieren, habe er fahrlässig und vorwerfbar keinen Gebrauch gemacht.
Zeitfaktor spielt maßgebliche Rolle
Das LG ließ offen, ob die Grundsätze der Anscheinsvollmacht schon bei einem lediglich kurzzeitigen Einkauf mit einem hohen Volumen zur Anwendung kommen würden. Angesichts eines Zeitraums von 20 Monaten der von seinem Sohn durchgeführten Transaktionen, bestand nach Auffassung des Gerichts aber kein Zweifel, dass der Kläger hier den Rechtsschein einer wirksamen Vertretung gesetzt hat.
Vater muss sich die Transaktionen seines Sohnes zurechnen lassen
Der von ihm gesetzte Rechtsschein sei dem Kläger auch zuzurechnen. Über 20 Monate habe er sein Konto bei der Beklagten offensichtlich nicht überprüft. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte er das Einkaufsverhalten seines Sohnes erkennen können und müssen. Es sei schlicht unverständlich, weshalb er nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, für seinen Sohn ein limitiertes Kinderkonto einzurichten. Die in diesen Zeitraum fallende, belastende Trennung von seiner Ehefrau und häufige beruflich bedingte Auslandsaufenthalte entlasteten den Kläger nach Auffassung des LG nicht.
Google durfte auf Autorisierung der Käufe vertrauen
Das beklagte Online-Unternehmen hat nach Auffassung des Gerichts auf den gesetzten Rechtsschein vertrauen dürfen. Der Rechtsschein beziehe sich bei anonymen Massengeschäften nicht auf die konkrete Vertretungsmacht eines speziellen Nutzers, sondern allgemein darauf, dass die getätigten Einkäufe vom Kontoinhaber autorisiert sind. Die Zurechnung des erzeugten Rechtsscheins scheitere auch nicht an der Minderjährigkeit des Sohnes. Im Vertretungsrecht sei nicht die Geschäftsfähigkeit des Vertreters entscheidend, sondern allein die Geschäftsfähigkeit des Vertretenen. Dies folge auch daraus, dass der gemäß § 104 Nr. 1 BGB beschränkt geschäftsfähige Sohn durch die Zurechnung der getätigten Geschäfte auf seinen Vater selbst in keiner Weise belastet werde.
Papa bekommt sein Geld nicht zurück
Mit diesen Argumenten wies das LG die Klage des Vaters auf Erstattung der von seinem minderjährigen Sohn transferierten Geldbeträge ab.
(LG Karlsruhe, Urteil v. 24.9.2025, 2 O 64/23)