EuGH stützt Fremdkapitalverbot für Rechtsanwälte

Der EuGH hält das in Deutschland geltende Verbot der Beteiligung von Fremdkapital an Anwaltskanzleien für mit dem Unionsrecht vereinbar. Die Anwaltsverbände zeigten sich erleichtert.

Die Befürchtung deutscher Anwaltsverbände, der EuGH könnte das strikte Verbot der Beteiligung von Fremdkapital an Anwaltskanzleien relativieren, hat sich nicht bestätigt. Dies ist umso bemerkenswerter, als der Generalanwalt in seinem Schlussplädoyer die Zweifel des Vorlagegerichts an der Vereinbarkeit mit Unionsrecht geteilt und das Fremdkapitalverbot in der in Deutschland geltenden Form für zumindest teilweise unionsrechtswidrig gehalten hat.

Fremdkapitalverbot für Anwaltskanzleien in Deutschland besonders strikt

Am 1.8.2022 war eine große BRAO-Reform in Kraft getreten, die anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften die interprofessionelle Zusammenarbeit mit anderen freien Berufsgruppen wie Architekten, Medizinern und Sachverständigen ermöglichte. Das strikte Verbot der Beteiligung von Fremdkapital an Anwaltsgesellschaften blieb dabei unangetastet. Die Anwaltsverbände befürchteten, dass der EuGH dies ändern könnte.

BayAGH bezweifelte Vereinbarkeit des Fremdkapitalverbots mit EU-Recht

Der BayAGH hatte Zweifel an der Vereinbarkeit des deutschen Fremdkapitalverbots mit EU-Recht und legte die Frage – allerdings noch auf dem Stand vor der am 1.8.2022 in Kraft getretenen Reform – dem EuGH zur Entscheidung vor. Als Vorlagegericht äußerte der BayAGH in seinem Vorlagebeschluss deutliche Zweifel, ob das strikte Verbot der Beteiligung von Finanzinvestoren an einer Anwaltsgesellschaft eine unionsrechtlich zulässige Beschränkung der Freiheit des Kapitalverkehrs darstellt und möglicherweise einen unionrechtswidrigen Eingriff in die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU beinhaltet.

Anteilsmehrheit an österreichische GmbH veräußert

In dem vor dem BayAGH anhängigen Verfahren ging es um den Widerruf der Zulassung einer Rechtsanwaltsgesellschaft in Form einer Unternehmergesellschaft mit beschränkter Haftung (UG) durch die RAK München. Der alleinige Inhaber der UG veräußerte im Juni 2021 51 % seiner Geschäftsanteile an eine österreichische GmbH. Die Satzung der UG enthielt umfangreiche Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der anwaltlichen Berufsausübung gegenüber einem möglichen Einfluss der Gesellschafter und auch darüber hinaus Regelungen zur strikten Einhaltung der anwaltlichen Berufsregeln.

Widerruf der Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer

Die RAK München entzog nach Bekanntwerden der österreichischen Beteiligung der Anwaltsgesellschaft die Zulassung. Hiergegen klagte die UG vor dem AGH München. Dieser hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der geltenden Regelungen der §§ 59i, 59j BRAO mit EU-Recht. Er bat daher den EuGH um Klärung folgender Fragen:

  • Wird durch die deutsche Regelung die Freiheit des Kapitalverkehrs in unzulässiger Weise dadurch beschränkt, dass die Anteile einer Anwaltsgesellschaft nicht an nicht zur Anwaltschaft zugelassene Personen oder Gesellschaften veräußert werden dürfen?
  • Wird durch die deutsche Regelung die EU-Dienstleistungsrichtlinie in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt?
  • Beschneidet die deutsche Regelung in unionsrechtswidriger Weise die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften anderer Länder?

Berechtigtes Gesetzgeberinteresse an der Unabhängigkeit der Rechtspflege

Der EuGH kam in seinem Urteil nun zu dem - für manche überraschend eindeutigen - Ergebnis, dass die strikte deutsche Regelung durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Auch die Auffassung des Generalanwalts, dass die seit August 2022 geltende Neuregelung Inkohärenzen aufweise, die nicht durch Gemeinwohlinteressen gedeckt seien, teilte der EuGH nicht. Nach Auffassung des Gerichts ist die deutsche Regelung durch das Interesse des Gesetzgebers an der Unabhängigkeit der Rechtspflege und damit auch der Unabhängigkeit der Anwaltschaft gerechtfertigt. Der EuGH betonte hierbei den dem nationalen Gesetzgeber zustehenden weiten Beurteilungsspielraum.

Kurzfristige Reform des Fremdkapitalverbots nicht mehr zu erwarten

Der EuGH stellte klar, dass die wirtschaftlichen Interessen eines Investors sich durchaus ungünstig auf die unabhängige Tätigkeit einer Anwaltskanzlei auswirken könnten. Insoweit ist es nicht uninteressant, dass der Koalitionsvertrag der inzwischen abgelösten Ampel-Regierung eine Überprüfung des Fremdkapitalverbots vorsah. Teile der Anwaltschaft stellten sich dem entgegen, weil sie bei einer Lockerung des Fremdkapitalverbots eine zu große Einflussnahme von Kapitalinteressen auf die Ausübung des Anwaltsberufs befürchten. Der DAV hat demgemäß die Entscheidung des EuGH rundum begrüßt. Eine von einigen Kanzleien befürwortete Reform des Fremdkapitalverbots dürfte damit auf absehbare Zeit vom Tisch sein.

(EUGH, Urteil v. 19.12.2024, C- 295/23)


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