Betroffenheit bei Todesnachricht ist kein Wiedereinsetzungsgrund

Die telefonische Nachricht des Todes eines besten Freundes lässt nach einem BGH-Beschluss noch nicht erkennen, warum es dem Anwalt nicht möglich gewesen sein soll, eine Berufungsschrift rechtzeitig zu erstellen oder einen Vertreter bzw. das Büropersonal zu aktivieren.  

In dem Fall hatte der Mandant Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil sein Anwalt eine Berufungsbegründungsfrist hatte platzen lassen.

Was war passiert?

Der Anwalt habe am Vormittag des letzten Tages vor Fristablauf nach dem Ende einer Besprechung gegen 10.45 Uhr einen Anruf erhalten, mit dem ihm mitgeteilt worden sei, dass ein Freund am Vortag tödlich verunglückt sei. Bei dem Verstorbenen handele es sich um einen langjährigen und besten Freund des Rechtsanwalts.

Rechtsanwalt nach Todesnachricht "durch den Wind"

Der Anwalt sei auf Grund der Nachricht völlig paralysiert gewesen, habe im Augenblick keinen Ton mehr reden und erst recht keinen anderen Gedanken fassen können. Er sei kurzerhand nach Hause gegangen, um diese schreckliche Nachricht auch seiner Ehefrau weiterzugeben. Er habe noch einige Akten, die bereits in der Aktentasche gewesen seien, mitgenommen, um gegebenenfalls am Nachmittag zu Hause etwas zu arbeiten. Dies sei ihm nicht gelungen. Die Akte des vorliegenden Rechtsstreits sei auf seinem Schreibtisch verblieben.

Ohne das dramatische Ereignis, das den Rechtsanwalt in einen seelischen Ausnahmezustand versetzt habe, wäre es nicht zur Versäumung der Berufungsfrist gekommen.

Kein Nachweis, wegen Trauer arbeitsunfähig gewesen zu sein

Diese Schilderung reichte dem Bundesgerichtshof als Erklärung des versäumten Frist nicht aus.

  • Dem Wiedereinsetzungsantrag lasse sich nicht entnehmen, dass der Prozessbevollmächtigte alle ihm trotz der unvorhergesehenen Situation möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung der Frist unternommen habe.
  • Die Fristversäumnis wäre nur dann unverschuldet, wenn es dem Prozessbevollmächtigten nicht möglich und zumutbar gewesen wäre, bis zum Fristablauf die Berufungsschrift selbst zu fertigen oder durch eine Information des Vertreters oder des Büropersonals eine Fertigung durch einen Vertreter zu veranlassen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ergibt sich nach Ansicht des BGH aus dem anwaltlich versicherten Vortrag nicht.

Berufungsschrift war keine große Herausforderung

Angesichts der Tatsache, dass nach dem eigenen Vortrag die Einlegung der Berufung bereits mit dem Kläger vereinbart war, sei lediglich die Berufungsschrift noch zu fertigen gewesen. Deren Fertigung stelle - so der BGH - an den Anwalt keine großen inhaltlichen und zeitlichen Herausforderungen.

  • Ein vertieftes Aktenstudium oder eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Streitstoff ist hierfür nicht erforderlich.
  • Auch für einen Vertreter sei die Einlegung der Berufung demnach kurzfristig und ohne großen Aufwand möglich, befanden die Karlsruher Richter.
  • Der Vortrag des Klägers lasse bereits nicht erkennen, aus welchem Grund diese einfache Tätigkeit dem Prozessbevollmächtigten während des gesamten Tages bis zum Fristablauf nicht mehr möglich gewesen seil.
  • Erst recht ergebe sich aus dem Vortrag nicht, dass es ihm noch nicht einmal möglich war, seine Vertreter oder sein Büropersonal zu informieren, um eine Vertretung zu veranlassen.

BGH kennt kein Pardon

Dem Vortrag könne nur entnommen werden, dass der Anwalt im Anschluss an den Anruf gegen 10.45 Uhr paralysiert war, im Augenblick keinen Ton mehr reden und erst recht keinen anderen Gedanken fassen konnte und er unter Mitnahme von Akten, allerdings ohne die maßgebliche Akte, nach Hause ging.

Für die weitere Zeit bis zum Fristablauf am Ende des Tages finde sich nur die Erklärung, dass es nicht gelungen sei, die mit nach Hause genommenen Akten am Nachmittag zu bearbeiten. „Dies besagt aber nichts darüber, dass er auch außer Stande war, die einfache Berufungsschrift zu fertigen und versenden zu lassen oder wenigstens seine Kanzlei zu benachrichtigen“, kritisierte hartleibig der Bundesgerichtshof.

(BGH, Beschluss v. 2.6.2016, III ZB 2/16).

Hinweis: Sinnvoll wäre hier vielleicht ein Attest über die desolate Verfassung gewesen.

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(vgl. auch: Klinikaufenthalt ist kein Wiedereinsetzungsgrund) und bei Verhinderungen auf die Nortwendigkeit funktionierender Organisation und Notfallpläne der Kanzlei gepocht wird.