Impfung oder Test dürfen (noch) nicht zur Bedingung für das Umgangsrecht gemacht werden

Getrennt lebende Eltern hatten sich über das Umgangsrecht der Mutter geeinigt
Das OLG Nürnberg entschied den Fall eines geschiedenen Ehepaares mit 14- und 16-jährigen Kindern, die beim Vater lebten. Die Mutter litt unter einer psychischen Erkrankung, war aber in stabilem Zustand und berufstätig. Die Elternteile hatten sich auf einen dreistündigen, begleiteten Umgang pro Monat geeinigt.
Versuch, die Pandemielage zur Verhinderung des Umgangs auszunutzen
Trotz Einigung sträubte sich der Vater der Heranwachsenden, diesen Umgang geschehen zu lassen, so jedenfalls der Eindruck des Jugendamts. Seit Beginn der Pandemie versuchte er diese für sich nutzbar zu machen, indem er zunächst verlangte, die Mutter solle vor jedem Treffen mit ihren Sprösslingen einen Corona-Test vornehmen lassen.
Unwahre Behauptungen zeigen, dass viele Mittel recht sind, um Umgang zu unterbinden
Das Testerfordernis begründete er mit Reisen der Mutter in den Kosovo und ihren zahlreichen Kontakten bei der Arbeit. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Mutter in den letzten drei Jahren nicht mehr im Kosovo war und – im Vergleich zum Vater, der als Arzt im Krankenhaus tätig ist – als Lagerarbeiterin wesentlich weniger Kontakten ausgesetzt ist.
Auch die Kinder wurden zur Manipulation eingesetzt
Der Vater ließ zudem seine Kinder mehrere Briefe schreiben, in denen diese bekundeten, ihre Mutter nicht sehen zu wollen, wenn diese nicht getestet oder geimpft sei. Die OLG-Richter konnten an den Formulierungen erkennen, dass der Vater bei diesen Schreiben seine Finger im Spiel hatte.
Mutter will sich freiwillig testen lassen, Vater verlangt zusätzlich Impfung
Nachdem die Kindsmutter sich freiwillig zu Tests bereit erklärt hatte, verlangte ihr Ex-Ehemann, dass sie geimpft sein müsse, bevor sie die Kinder wiedersehen könne. Diesem Verlangen setzten erst das Familiengericht, zuletzt das OLG Nürnberg ein Ende.
Fehlender staatlicher Impfzwang schlägt auf Umgangsrecht durch
Da schon nach den gesetzlichen Vorschriften keine Impfverpflichtung besteht, kann eine solche auch nicht von einem Elternteil zur Ausübung des Umgangsrechts verlangt werden. Bei der Impfstoffknappheit und - zum Zeitpunkt der Entscheidung noch bestehenden - Impfpriorisierung stand es in den Sternen, wann die Mutter an eine Impfung kommt. Das liefe faktisch auf einen Ausschluss des Umgangs hinaus.
Wenn die Impfpflicht käme, könnte sich die Rechtsprechung ändern
Es ist nicht auszuschließen, dass sich die Rechtsprechung durch die Einführung einer Impfpflicht ändert, da das Gericht darauf abgestellt, hat, dass keine generelle Impfpflicht gegen das Corona-Virus in Deutschland gibt und zum Zeitpunkt der Entscheidung unklar war, wann es für die Mutter überhaupt möglich wäre, eine Impfung zu erhalten. Auch Letzteres ist heute nicht mehr der Fall.
Corona-Test als Bedingung für Umgang nur bei konkreter Gefahrenlage
Was die Bewertung der Testpflicht betrifft, so war die Mutter den Richtern durch ihre erklärte Bereitschaft, sich den Tests zu unterziehen zuvor gekommen. Das OLG Nürnberg hat dennoch seine Meinung bekundet, dass Corona-Tests nur verlangt werden könnten, wenn typische Covid-19-Symptome vorliegen oder Kontakt mit einer erkrankten Person bestand.
Fazit: Gegenüber einem Umgangsberechtigten kann eine Impfung gar nicht verlangt werden und eine Testung nur dann, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls dazu Anlass geben. Die allgemeinen, einer Pandemielage innewohnenden Ansteckungsgefahren reichen nicht, um den Umgang zu verhindern, dazu steht das Kindeswohl zu hoch.
(OLG Nürnberg, Beschluss v. 14.4.2021, 10 UF 72/21).
Vgl. zu dem Thema auch:
Keine Verweigerung des Umgangsrecht wegen Corona-Pandemie
Schadensersatz für einen Elternteil, wenn der andere das Umgangsrecht aushebelt
Andere Seite des Umgangsrechts ist die Umgangspflicht
Hintergrund:
Nach § 1684 Abs. 2 BGB sind die Eltern zum wechselseitigen loyalem Verhalten bei der Verwirklichung des Umgangsrechts verpflichtet (OLG Köln, Beschluss v. 4.7.2014, 4 UF 22/13).
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