Gesetzgeber plant Auskunftspflicht für Mütter von Kuckuckskindern
Das Thema Kuckuckskinder hat viele rechtliche Facetten und eine hohe soziale und psychologische Dynamik. Nur ein Aspekt ist der Unterhalt, den der vermeintliche Vater zu Unrecht geleistet hat. Hier setzt der Bundesjustizminister mit seinem neuesten Gesetzesvorhaben an.
Für Regress muss faktische Vater ermittelbar sein
Problematisch sieht der Justizminister, Scheinväter nach der derzeitigen Rechtslage oft keine adäquaten Möglichkeiten hätten, den biologischen Vater zu ermitteln.
Hierdurch würden sie letzlich des Rechtes beraubt, geleistete Unterhaltszahlungen für das nicht von ihnen stammende Kind, vom biologischen Vater zurückzufordern.
Dass ist umso ärgerlicher für ihn, als der BGH entschieden hat, das ein Anspruch gegenüber der Mutter selten besteht, denn weder ein Ehebruch noch das bloße Verschweigen einer hieraus entstandenen möglichen Kuckucksvaterschaft begründen nach seiner Ansicht einen Schadensersatzanspruch des Ehemanns.
Preisgabe sexueller Kontakte = tiefer Eingriff ins Persönlichkeitsrecht
Hintergrund des Gesetzes ist eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2015, in der die Verfassungsrichter die Verpflichtung einer Mutter, geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Person preiszugeben, gegenüber dem Scheinvater verneinte.
- Die Verfassungsrichter urteilten damals, dass die Bekanntgabe sexueller Kontakte eine schwere Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter darstelle.
- Der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasse die Privat- und Intimsphäre sowie das Recht, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form die Mutter dritten Personen Einblick in das eigene Geschlechtsleben gewährt.
- Diese Entscheidungsfreiheit impliziere auch das Recht, einen bestimmten Sexualpartner gegenüber anderen nicht offenbaren zu müssen.
Auskunftsanspruch setzt eine gesetzliche Regelung voraus
Das BVerfG verkannte nicht, dass dem Geheimhaltungsinteresse der Mutter ein gewichtiges Interesse des Scheinvaters an der Durchsetzung eines Regressanspruches wegen geleisteten Unterhalts gegenübersteht. Dieses Interesse kann nach dem Diktum des Gerichts durchaus das Schutzinteresse der Mutter überwiegen, jedoch könne eine gerichtliche Verpflichtung der Mutter zur Preisgabe ihrer Sexualkontakte nicht allein durch gerichtliche Rechtsfortbildung begründet werden, vielmehr bedürfe eine solche Auskunftspflicht einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.
Persönlichkeitsrecht der Mutter Rechnung tragen
An eine solche gesetzliche Grundlage stellte das Gericht dann auch gleich verfassungsrechtliche Anforderungen. Das Gericht gab dem Gesetzgeber in seinem Beschluss mit auf den Weg, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung dem entgegenstehenden Persönlichkeitsrecht der Mutter Rechnung tragen müsse und zu berücksichtigen habe, dass dieses Persönlichkeitsrecht sehr schwer wiegt (BVerfG, Beschluss v. 24.2.2015, 1 BvR 472/14).
Einzelheiten der Neufassung
Diesen Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts versucht der Bundesjustizminister mit seinem Entwurf nun gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund sieht der Entwurf in einem neugefassten § 1607 Abs. 4 Satz 2 BGB-E
- einen umfassenden Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter des Kindes auf Benennung des mutmaßlichen leiblichen Vaters des Kindes vor.
- Zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellt die Vorschrift in einem Zumutbarkeitsvorbehalt klar, dass die Auskunft nicht geschuldet wird, soweit die Erteilung für die Mutter „im Einzelfall unzumutbar“ wäre.
- Der gesetzliche Forderungsübergang hinsichtlich durch den Scheinvater geleisteter Unterhaltsbeträge gemäß § 1607 Abs. 3 BGB soll in der jetzigen Form beibehalten werden.
Gelebtes Familienleben soll nicht rückabgewickelt werden
Die Neufassung sieht allerdings auch eine wesentliche Einschränkung der Rechte des Scheinvaters vor. Das Justizministerium betont, dass nicht der gesamte Zeitraum eines gelebten Familienlebens, während dessen der Scheinvater an seiner Vaterschaft häufig nicht zweifelte, rückabgewickelt werden könne. Gemäß § 1613 Abs. 3 BGB – E wird der Regressanspruch daher auf einen zurückliegenden Zeitraum von zwei Jahren begrenzt. Das Justizministerium betont zwei Wesenszüge des Entwurfs, nämlich
- die deutliche Verbesserung der Durchsetzbarkeit der Regressansprüche des Scheinvaters sowie
- die Einschränkung des zeitlichen Umfangs des Regresses unter familiären Gesichtspunkten
Die Rechte der Kinder werden von der Reform nicht berührt
Für Kinder, die wissen wollen, wer ihr leiblicher Vater ist, bringt der Entwurf keinerlei Vorteile. Nach wie vor haben diese Kinder nicht die Möglichkeit, denjenigen, den sie für den leiblichen Vater halten, zu einem Gentest zu zwingen. Die Klärung der Abstammung ist insoweit weiterhin nur innerhalb einer Familie gegenüber dem rechtlichen Vater möglich.
Hohe Zahl von betroffenen Scheinvätern
Der Neufassung des Gesetzes dürfte eine erhebliche praktische Bedeutung zukommen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Kuckuckskinder in Deutschland zwischen 4 und 10 % liegen könnte. Nach einer im April veröffentlichten belgischen Untersuchung sind diese Zahlen allerdings weit übertrieben und liegen tatsächlich bei unter 2, wenn nicht sogar unter 1 %. Aber auch damit wäre die Zahl der betroffenen Scheinväter immer noch erheblich.
Die praktische Umsetzung dürfte Probleme bereiten
Kritiker des Gesetzentwurfs befürchten erhebliche Probleme bei der praktischen Umsetzung. Tatsächlich sind Ausflüchte der Mütter vorprogrammiert. Schwierig wird es beispielsweise, wenn die Mutter behauptet, den Erzeuger namentlich nicht zu kennen und weder Informationen über den Wohnort noch über sonstige Merkmale der Person hat oder auch den Namen einfach nicht nennt. Im letzteren Fall besteht immerhin die Möglichkeit der Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft. Aber wie lange kann man eine Mutter in einem solchen Fall in Haft nehmen?
Ein weiteres Problem könnte ein kurzzeitiger Anstieg von Regressansprüchen vor Inkrafttreten des Gesetzes sein, der durch die künftige Zweijahresbegrenzung bedingt ist. Wer klagt, bevor das Gesetz in Kraft tritt, ist nämlich von der Zweijahresbegrenzung nicht betroffen und kann nach wie vor vollen Regress verlangen. Erst einmal muss der Entwurf aber jetzt in den Bundestag.
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