Enkel und Urenkel sind „gemeinschaftliche Abkömmlinge“

Beim Auslegen von Testamenten geht es um viel. Deshalb sollten sie eindeutig gefasst sein. In einem Berliner Testament hatten Eheleute ihre „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ bedacht. Ob damit auch Enkel gemeint waren, hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden. Nach seinem Urteil sind darunter neben eigenen Kinder, auch die Kindeskinder zu verstehen.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Eheleute hatten sich in einem notariellen Ehegattentestament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten „die gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein. 

Überlebenden Ehegatte durfte Erbfolge unter gemeinschaftlichen Abkömmlingen abändern

Dem Überlebenden wurde im Wege einer Freistellungs- bzw. Abänderungsklausel die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen abzuändern. Dies tat die überlebende Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes auch und bestimmte in einem zweiten Testament eine der gemeinsamen Töchter und deren Sohn als Erben.

Sind gemeinschaftliche Abkömmlinge nur die gemeinsamen Kinder?

Damit war die andere Tochter jedoch nicht einverstanden. Sie vertrat die Auffassung, dass die nachträgliche Erbeinsetzung des Enkelsohnes nicht zulässig gewesen sei. Mit den „gemeinschaftlichen Abkömmlingen“ seien nur die gemeinsamen Kinder der Eheleute zu verstehen.

Die Erbeinsetzung der Ehefrau sei daher unwirksam und Erben nur – so wie im ersten Testament verfügt - die beiden Töchter des Paares, so die Klägerin. Zunächst bestätigte das Landgericht Osnabrück die Ansicht der Klägerin. Eine Erbeinsetzung des Enkels sei nach dem gemeinsamen Testament nicht möglich gewesen. Erben seien daher nur die beiden Töchter geworden. Gegen diese Entscheidung legten die andere Tochter und deren Sohn Berufung ein und bekamen nun vom OLG Oldenburg Recht.

Bedenken des Enkels im zweiten Testament war zulässig

Der Begriff der „Abkömmlinge“ beschränke sich nicht nur auf die eigenen Kinder, sondern umfasse auch Enkel, Urenkel, usw. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB). Hätten die Eheleute nur die Kinder berücksichtigen wollen, hätten sie auch nur den Begriff „Kinder“ gewählt. Zudem sei es durchaus nachvollziehbar, dass die Eheleute bei dem Begriff „Abkömmlinge“ die Kinder und Enkel bzw. Urenkel gleichbehandeln wollten. Häufig hätten die Kinder nach dem Versterben ihrer Eltern eine gefestigete Lebensposition, während die Enkel bzw. die Urenkel noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen seien, so das Gericht.

Darüber hinaus sei es plausibel, „dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob deren eigenen Eltern noch lebten und wieviele Geschwister sie noch jeweils hätten.“

(OLG Oldenburg, Urteil v. 11.09.2019, 3 U 24/18).

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Hintergrund:

Freistellungs- bzw. Abänderungsklauseln beim Ehegattentestament

Bei der Bindungswirkung des Ehegattentestaments für den letztversterbenden Ehepartner  spielt die Frage eines Abänderungsrechts des überlebenden Ehegatten (Freistellungsklauseln) eine große Rolle.

In § 2270 Abs. 1 BGB ist es den Ehegatten freigestellt, ob sie ihre letztwilligen Verfügungen wechselbezüglich und bindend sein lassen wollen. Die Ehegatten können sich demnach auch das Recht einräumen, diese Bindungswirkung nach dem ersten Erbfall ganz oder teilweise aufzuheben bzw. abzuändern.

Eine solche Freistellungs- bzw. Abänderungsklausel hat den Vorteil, dass der nach dem Tod des Erstversterbenden gebundene Ehegatte die Möglichkeit hat, auf gewisse Änderungen im Leben der möglicherweise als Schlusserben eingesetzten Kinder zu reagieren. Die Ehegatten sind bei der Gestaltung der Freistellungsklausel hinsichtlich der Art und des Umfanges völlig frei.

So kann sich die Abänderungsbefugnis auf eine rein gegenständliche Abänderung, eine Quotenabänderung oder eine allgemeine Abänderung beschränken. Ebenso kann auch der Personenkreis, z.B. die ehegemeinschaftlichen Kinder, festgelegt werden. Häufig besteht ein Abänderungsvorbehalt auch darin, dass der Überlebende hinsichtlich der Erbfolge gebunden ist, jedoch das Recht hat, im gewissen Umfang Vermächtnisse auszusetzen.

Aus: Deutsches Anwalt Office Premium

Schlagworte zum Thema:  Ehegatte, Berliner Testament, Testament