Leitsatz

  1. Der Erwerber einer Wohnung ist als Zustandsstörer nur zur Duldung der Beseitigung einer baulichen Veränderung (durch den Handlungsstörer oder die Wohnungseigentümergemeinschaft) verpflichtet
  2. Nach dem Tod des Handlungsstörers geht dessen Beseitigungsverpflichtung gemäß § 1967 BGB auf die Erben über
 

Normenkette

§§ 14, 22 Abs. 1 WEG; §§ 1004, 1967 BGB

 

Kommentar

  1. Die Eltern der Antragsgegnerin hatten auf dem Balkon ihrer Eigentumswohnung die Außenseite von Blumentrögen als Brüstungsabschluss (Gemeinschaftseigentum) schon vor dem Jahr 1989 verfliest. Seit 2002 wurde die Antragsgegnerin als Erbin ihrer Eltern mehrfach aufgefordert, die Fliesen zu entfernen, da andernfalls die anstehende, beschlossene Sanierung auch ihres Balkons nicht möglich sei. Sie erklärte darauf lediglich, dass die Fliesen entfernt werden könnten, sofern dies erforderlich sei.

    Während das Amtsgericht den Beseitigungsantrag einer Miteigentümerin sowie einen Schadensersatz- und einen Feststellungsantrag abgewiesen hatte, bestätigte das Landgericht den Beseitigungsantrag.

  2. Der Anspruch der Antragstellerin als Einzeleigentümerin war auch ohne Ermächtigung der übrigen Eigentümer als Individualanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG und § 1004 BGB zulässig (vgl. OLG München, NZM 2005, S. 672 und BayObLG, NZM 2004, S. 344). Bei der Verfliesung war von einer Beeinträchtigung nach § 14 Nr. 1 WEG auszugehen.

    Seit dem Eintritt des Nacherbfalls im Jahr 2005 ist die Antragsgegnerin als Handlungsstörerin verpflichtet, die Fliesen an der Außenseite der Blumentröge zu beseitigen (vgl. BGH, NJW 2007, S. 432, 433; BayObLG, NJW-RR 2002, S. 660; u. a. Spielbauer/Then, WEG, § 15 Rn. 21). Dagegen ist ein Zustandsstörer, der eine bauliche Veränderung nicht selbst verursacht hat, sondern nur willentlich, unter Beherrschung der Störungsquelle, den beeinträchtigenden Zustand aufrechterhält, nicht zur Beseitigung, sondern nur zur Duldung der Beseitigung verpflichtet (BGH, NJW 2007, S. 432, 433; BayObLG, NJW-RR 202, S. 660). Ein Störer haftet nämlich nur in dem Maße, wie er in zurechenbarer Weise an der Beeinträchtigung mitwirkt; besteht der Beitrag eines Besitzers – wie im Fall des Zustandsstörers – nur darin, dass er sich kraft seiner nunmehrigen Sachherrschaft der Beseitigung der Störung widersetzt, kann er deshalb auch nur auf Duldung der Beseitigung in Anspruch genommen werden.

    Im vorliegenden Fall waren Handlungsstörer die Voreigentümer der Wohnung, also die Eltern der Antragsgegnerin.

    Bis zum Eintritt des Nacherbfalls im Jahr 2005 war die Antragsgegnerin nur Zustandsstörerin und damit nur zur Duldung einer Beseitigung der Fließen durch die Gemeinschaft verpflichtet.

  3. Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Eigentumsübertragung im Jahr 1995 ausweislich notarieller Urkunde zur vorweggenommenen Erbfolge und in vorzeitiger Erfüllung eines Erbvertrags der Eltern der Antragsgegnerin erfolgt ist. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls durch das Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung seitens der Mutter der Antragsgegnerin eine Sonderrechtsnachfolge eingetreten. Eine Gesamtrechtsnachfolge nach dem 1991 verstorbenen Vater der Antragsgegnerin konnte damit erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls entstehen. Dem steht auch nicht gleich, dass mit dem Vorerbfall der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht erwirbt. Ob dieses Anwartschaftsrecht tatsächlich durch eine Eigentumsübertragung eines konkreten Erbschaftsgegenstands unter Lebenden vom Vorerben an den Nacherben "erstarkt", kann dahingestellt bleiben. Beim möglichen "Erstarken" handelt es sich jedenfalls nicht um eine Gesamtrechtsnachfolge, welche Auswirkungen auf die Stellung als Handlungsstörer haben kann. Entgegen der Meinung der Antragstellerin führt dies auch nicht zu einer Rechtlosstellung der anderen, beeinträchtigten Wohnungseigentümer. Ein Vorerbe ist nur als Gesamtrechtsnachfolger Handlungsstörer, der zur Beseitigung verpflichtet ist; dagegen ist der Sonderrechtsnachfolger nur Zustandsstörer und hat die Beseitigung zu dulden.

    Seit dem Jahr 2000 ist die Antragsgegnerin wegen des eingetretenen Nacherbfalls nach ihrem Vater und der Alleinerbschaft nach ihrer Mutter als Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Handlungsstörer selbst Handlungsstörerin. Maßgeblich hierfür ist nicht die Sonderrechtsnachfolge wegen der erfolgten Eigentumsübertragung, sondern die Verpflichtung zur Beseitigung, welche für die ursprünglichen Handlungsstörer bestand. Diese Verpflichtung geht nach § 1967 BGB auf die Erben über (vgl. OLG Frankfurt, NZM 2005, S. 68).

    Die Verpflichtung zur Beseitigung, welche nach dem Tod des Vaters der Antragsgegnerin im Jahr 1991 nunmehr allein die Mutter der Antragsgegnerin traf, ist auch nicht durch die Eigentumsübertragung im Jahr 1995 erloschen.

    § 1004 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass der Schuldner Miteigentümer ist. Die Norm setzt vielmehr nur voraus, dass der Gläubiger (Mit-)Eigentümer ist und in seinem Miteigentum verletzt wird. Die Eigentumsübertragung der Mutter an die Antragsgegnerin lässt die Anspruchsvoraussetzun...

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