Leitsatz

  1. Der Zustandsstörer kann zur Beseitigung einer Störung (und nicht nur zur Duldung der Störbeseitigung) verpflichtet sein. (hier: Rückschnitt einer zu hoch gewachsenen Thujenhecke zu angrenzender Sondernutzungsfläche)
  2. Verjährungsfragen
 

Normenkette

§ 1004 Abs. 1 BGB

 

Kommentar

  1. Das OLG München hatte mit Beschluss vom 3.8.2009 (32 Wx 008/09) die Rechtsbeschwerdesache unter Hinweis darauf, dass auch der Zustandsstörer auf Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 BGB für den Rückschnitt der Grenzhecke hafte – entgegen der Meinung des KG Berlin vom 19.3.2007 (NZM 2007 S. 845), welches nur von einer Duldungspflicht des Zustandsstörers ausging –, vorgelegt. Der BGH entschied im Sinne des OLG München, hob die Erstbeschwerdeentscheidung des LG München I vom 23.12.2008 (36 T 2377/07) auf und verwies die Streitsache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG München I zurück.
  2. Auch ein Zustandsstörer kann zur Beseitigung einer ihm zurechenbaren Störung verpflichtet sein (vgl. bereits BGH v. 30.3.2007, NJW 2007 S. 2182 und v. 29.2.2008, NJW-RR 2008 S. 827). Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht nur tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die Störung zu beseitigen, sondern zudem, dass die Störung bei der gebotenen wertenden Betrachtung durch seinen maßgeblichen Willen zumindest aufrecht erhalten wird (BGH v. 1.12.2006, NJW 2007 S. 432). Mieter sind demgegenüber grundsätzlich nur verpflichtet, eine Störbeseitigung zu dulden, nicht jedoch gehalten, diese durch einen Eingriff in das Eigentum des Vermieters zu beseitigen; die Beseitigung bleibt in solchen Fällen Sache des Eigentümers. Diese Situation ist allerdings mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da hier allein die Aufrechterhaltung der von der Hecke ausgehenden Störung auf dem maßgebenden Willen des Antragsgegners beruht, der nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich zur Beseitigung der Störung in der Lage ist. Zwar sind Pflanzen wesentlicher Bestandteil des gemeinschaftlichen Grundstücks. Kürzungsbefugnisse ergeben sich allerdings bereits aus der Vereinbarungsregelung in der Teilungserklärung, wonach Eigentümer möglichst so zu stellen sind, wie sie bei einer Realteilung stünden. Davon abgesehen folgen Handlungspflichten auch aus dem in dem Rückschnittverlangen liegenden Einverständnis der übrigen Eigentümer. Ein anders lautender früherer Beschluss auf bestimmte Gestattung einer Wachstumshöhe der Hecke ist durch die zuletzt erfolgte Beschlussfassung jedenfalls als Widerruf dieser Gestattung auszulegen.
  3. Es kann auch nicht von einer Verwirkung von Ansprüchen nach § 242 BGB gesprochen werden, also auch nicht von einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Härte, weil das erforderliche Umstandsmoment fehlt.
  4. Was landesrechtliche Verjährungsbestimmungen betrifft (hier: Art. 47 BayAGBGB), sind diese zwar aufgrund der vereinbarten Gleichstellung mit Realeigentümern analog anwendbar, damit auch dortige Verjährungsregelungen in Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB (vgl. auch BGH, NJW 2007 S. 3636/3637). Zu diesen noch offenen Verjährungsfragen muss sich das Landgericht noch äußern.

    Allerdings verhindert eine landesrechtliche Verjährungsbestimmung nicht etwa weitergehende Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 BGB, die nunmehr in 3-jähriger Frist gemäß § 195 BGB n.F. (seit Schuldrechtsreform ab 1.1.2002) verjähren. Auch Art. 124 EGBGB belegt, dass einem Nachbarn nicht Rechte genommen werden können, die sich aus bundesrechtlichen Vorschriften – etwa aus § 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 WEG – ergeben (vgl. BGH, NJW 2004 S. 1035/1037). Die Verjährung des für den Nachbarn vorteilhafteren landesrechtlichen Anspruchs bleibt damit auf ihren Anwendungsfall beschränkt und lässt konkurrierende Ansprüche nach BGB unberührt. Die Verjährungseinrede nach Landesrecht führt also nicht dazu, dass deshalb von § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasste Eigentumsbeeinträchtigungen hingenommen werden müssen. Auch die Frage weitergehender Eigentumsbeeinträchtigung muss das Landgericht neuerlich überprüfen.

  5. Zur Verfahrensführung im eigenen Namen war der Antragsteller nach altem Recht durch Beschluss entsprechend ermächtigt (gewillkürte Verfahrensstandschaft).
 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 04.03.2010, V ZB 130/09

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