Leitsatz

Auch der Zustandsstörer kann zur Beseitigung und nicht nur zur Duldung der Beseitigung verpflichtet sein (hier: Rückschnitt einer vom Rechtsvorgänger gepflanzten Hecke) – Vorlage zum BGH –

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1; 15 Abs. 3 WEG; § 1004 BGB

 

Kommentar

  1. Der Anspruch auf Rückschnitt einer Hecke gem. § 1004 Abs. 1 BGB und § 15 Abs. 3 WEG ist ein Individualanspruch einzelner Eigentümer und kein Anspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Verband (h.M.). Vorliegend war der Anspruch auch weder verjährt noch verwirkt. Auch die landesrechtlich geregelte Verjährung eines Beseitigungsanspruchs nach Art. 47, 52 BayAGBGB hindert nicht die Durchsetzung eines solchen Anspruchs auf Rückschnitt der Grenzhecke. Nach Meinung des Senats ist auch ein Zustandsstörer zur Störbeseitigung verpflichtet, wenn die Störung von seinem Sondereigentum oder seinem Sondernutzungsrecht ausgeht (a.A. allerdings Entscheidung des KG v. 19.3.2007, 24 W 317/06).

    Vorliegend war die Antragsgegnerin nicht Handlungsstörerin. Handlungsstörer ist derjenige, der die Eigentumsbeeinträchtigung durch sein Verhalten, d.h. durch positives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, adäquat verursacht hat (vgl. BGH, ZMR 2007, S. 188 = NZM 2007, S. 130). Die Hecke wurde unstreitig nicht von der Antragsgegnerin, sondern von deren Rechtsvorgänger gepflanzt.

    Allerdings ist die Antragsgegnerin Zustandsstörerin. Zustandsstörer ist derjenige, der eine Beeinträchtigung zwar nicht verursacht hat, durch dessen maßgeblichen Willen der beeinträchtigende Zustand aber aufrechterhalten wird (BGH wie vor sowie Briesemeister, ZMR 2007, S. 661/662). Als Zustandsstörer haftet grundsätzlich auch der Rechtsnachfolger eines Handlungsstörers, weil der Rechtsvorgänger regelmäßig keine Einflussmöglichkeit mehr auf die Störquelle hat. Ohne diese Verantwortlichkeit des Rechtsnachfolgers würde sonst eine Verantwortlichkeit gänzlich fehlen.

  2. Es mag nach Ansicht des Senats dahinstehen, ob die Auffassung (des KG), dass der Zustandsstörer nur dulden, aber nicht beseitigen muss, für das gemeinschaftliche Eigentum zutrifft. Für das Sondereigentum und Sondernutzungsrechte gilt dies jedenfalls nicht. Eigenhaftung ergibt sich hier auch aus Grundsätzen des § 14 Nr. 1 WEG. Insoweit wird nicht nur eine Duldung, sondern auch eine Beseitigung der Störung erfasst. Es ist auch nicht Sache der übrigen Eigentümer oder der Gemeinschaft als Verband, in irgendeiner Weise in das Sondereigentum einzugreifen. Auch bei wertender Betrachtungsweise ist einem Sondernutzungsberechtigten eine Störung, die von Pflanzen auf seinem Sondernutzungsrecht ausgeht, zuzurechnen, da er und nicht die übrigen Eigentümer die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit haben.
Anmerkung

Bei Störungen, die ausschließlich von einem Sondereigentum ursächlich ausgehen, erscheint mir eine Zustandsstörerhaftung auf Beseitigung bzw. Unterlassung einer nicht selbst veranlassten Störung mangels Verjährung bzw. Verwirkung und damit die Passivlegitimation auch eines Rechtsnachfolgers gegenüber Ansprüchen aus § 1004 BGB vielleicht noch vertretbar. Vorliegend wurde die Hecke allerdings vom Rechtsvorgänger auf dem gemeinschaftlichen, wenn auch sondergenutzten Grundstück gepflanzt. Damit wurde sie wesentlicher Bestandteil des Gemeinschaftseigentums.

Die Frage der anfänglichen Pflanzberechtigung stand in diesem Verfahren allerdings nicht zur Diskussion. Wenn es in der Gemeinschaft rechtswirksame Pflichten gab, die besagte Hecke nicht über eine bestimmte Höhe wachsen zu lassen, und war ein gartensondernutzungsberechtigter Eigentümer auch im Rahmen seiner Pflegeverpflichtungen gehalten, die Hecke zu pflegen und zurückzuschneiden, wären bei entsprechender Vereinbarung oder bestandskräftiger Beschlussfassung solche Pflichten auch auf einen Rechtsnachfolger übergegangen (mit unmittelbarer Anspruchsberechtigung wohl auch eines jeden Miteigentümers und nicht nur des gesamten Verbands).

Müsste man allerdings von einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums (bzw. auch gegenständlichen Eingriffen in ein Grundstückssondernutzungsrecht) sprechen, dürfte m.E. eine eigene Handlungsverpflichtung des Rechtsnachfolgers nur als Zustandsstörer begründet sein. Bei einer ggf. durch einen Rechtsvorgänger eigenmächtig gepflanzten Hecke haben sich deshalb m.E. noch nicht verjährte oder verwirkte Beseitigungs- bzw. bestimmte Pflegeansprüche aus Verletzung der wechselseitigen Verpflichtungen unter Eigentümern gem. § 14 Nr. 1 WEG nach wie vor allein gegen den unmittelbaren Stör-Veranlasser zu richten. Ohne ausdrücklich übernommene Verpflichtungen nach Vereinbarung oder Vertrag, können sie sich jedenfalls nicht gegen einen Rechtsnachfolger richten. Dieser war und ist nicht verantwortlich, solche Ansprüche auf Beseitigung oder – wie hier – Teilbeseitigung einer eigentumsrechtlich im Gemeinschaftseigentum stehenden Bepflanzung erfüllen zu müssen.

Ausgehend vom anders gelagerten Sachverhalt muss m.E. auch nicht unbedingt im vorliegenden Fall von einer Abweichung von der Ent...

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