Leitsatz

Ein minderjähriges Kind nahm seine Mutter auf Zahlung von Barunterhalt in Anspruch. Es wurde von seinem Vater, dem geschiedenen Ehemann der Beklagten, vertreten, bei dem es seit der Scheidung seiner Eltern lebte.

Das FamG hat die Klage unter Hinweis auf die Leistungsunfähigkeit der Beklagten abgewiesen und die Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit für nicht zumutbar gehalten.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Berufung.

Sein Rechtsmittel war teilweise erfolgreich.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, das AG habe die Klage teilweise zu Unrecht wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Beklagten abgewiesen. Entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts seien auf ihrer Seite fiktive Einkünfte zu berücksichtigen, die aus ihrer verschärften Erwerbsobliegenheit resultierten.

Die Beklagte unterliege einer gesteigerten Unterhaltsverpflichtung aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein unterhaltspflichtiger Elternteil müsse danach ggü. einem unverheirateten minderjährigen Kind alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um soviel zu verdienen, dass der Mindestunterhalt unter Wahrung des eigenen Selbstbehalts geleistet werden könne. Den unterhaltspflichtigen Elternteil treffe eine Pflicht zur gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft. Im Rahmen der Zumutbarkeit sei der Unterhaltsschuldner u.U. auch dazu verpflichtet, eine Nebentätigkeit auszuüben oder einen Orts- bzw. Berufswechsel vorzunehmen, um den Mindestunterhalt leisten zu können.

Lege der für seine den Mindestunterhalt betreffende Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Elternteil nicht dar, dieser Obliegenheit im ausreichenden Maße nachgekommen zu sein, müsse er sich so behandeln lassen, als ob er über ein Einkommen verfüge, welches ihm die Zahlung des Mindestunterhalts ermögliche.

Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit begründe für die Beklagte zwar keine Verpflichtung, ihren unbefristeten Arbeitsplatz aufzugeben, zumal die Aussicht, bei einem Arbeitsplatzwechsel signifikant höheres Einkommen erzielen zu können, vor allem aufgrund der beruflichen Qualifikationen der Beklagten unwahrscheinlich sei.

Anders als das erstinstanzliche Gericht hielt das OLG jedoch eine Nebenerwerbstätigkeit der Beklagten für möglich und zumutbar.

Die Haupttätigkeit der Beklagten umfasse lediglich 35 Stunden. In der Rechtsprechung sei allgemein anerkannt, dass im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit ggü. einem minderjährigen Kind eine Nebentätigkeit und eine Haupttätigkeit von 40 Stunden zumutbar seien, soweit keine besonderen Umstände in der Person des Unterhaltspflichtigen vorlägen. Der längere Arbeitsweg der Beklagten zu ihrer Arbeitsstelle stelle einen solchen Umstand nicht dar, da er nicht mit der Arbeitszeit gleichzusetzen sei und teilweise auch zur Erholung genutzt werden könne.

Unter Abwägung der beidseitigen Interessen kam das OLG zu dem Ergebnis, dass der Beklagten eine Nebenerwerbstätigkeit in einem Umfang von 7 Stunden wöchentlich abverlangt werden könne. Mit der Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit in diesem Umfang werde die Beklagte nicht unverhältnismäßig hoch belastet, zumal auch zu berücksichtigen sei, dass sie grundsätzlich auch verpflichtet wäre, ihren Wohnort in der Nähe ihres Arbeitsplatzes zu nehmen. Soweit sie in diesem Zusammenhang vorgetragen habe, ein Umzug sei ihr nicht möglich, da die Kinder ihres jetzigen Lebensgefährten in der Nähe ihrer derzeitigen Wohnung leben würden und insoweit der Umgang mit den Kindern erleichtert werde, könne sie mit diesem Vortrag nicht gehört werden. Die vorgebrachten Interessen bezüglich ihrer jetzigen, rechtlich nicht manifestierten Beziehung könnten nicht den Interessen ihres leiblichen Kindes vorgezogen werden.

Die von der Beklagten aufgrund ihrer biografischen Voraussetzungen geltend gemachten fehlenden Beschäftigungschancen hielt das OLG für nicht relevant. Das Fehlen jeglicher Chance auf dem Arbeitsmarkt sei jeweils im Einzelfall positiv festzustellen. Erfahrungswerte, nach denen nicht ausreichend qualifizierte Kräfte keine Beschäftigungschancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, beständen nicht.

Gehe man demzufolge davon aus, dass der Beklagten eine Nebenbeschäftigung in einem Umfang von ca. 7 Stunden in der Woche grundsätzlich zumutbar wäre, könnten ihr bei Zugrundelegung eines anzunehmenden Stundenlohnes von nur 6,00 EUR netto mindestens 180,00 EUR zugerechnet werden. Bei einem durchschnittlichen Verdienst von 920,00 EUR aus ihrer Haupttätigkeit, Fahrtkosten von 70,00 EUR sowie einem Selbstbehalt von 900,00 EUR errechne sich sodann ein monatlicher Unterhalt i.H.v. 130,00 EUR, den die Beklagte zu leisten verpflichtet wäre.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Urteil vom 02.11.2007, 2 UF 67/07

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