Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit von Nebentätigkeit oder Orts- und Berufswechsel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der einem unverheirateten, minderjährigen Kind unterhaltsverpflichtete Elternteil ist zur gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft insoweit verpflichtet, als er alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen muss, um soviel zu verdienen, dass der Mindestunterhalt auch unter Wahrung des eigenen Selbstbehalts geleistet werden kann.

2. Im Rahmen der Zumutbarkeit ist der Unterhaltsschuldner unter Umständen auch zur Ausübung einer Nebentätigkeit oder einem Orts- bzw. Berufswechsel verpflichtet.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Urteil vom 25.08.2007; Aktenzeichen 733 F 43/07)

 

Gründe

... Dem Kläger steht grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gemäß den §§ 1601 ff. BGB gegen die Beklagte zu, der Höhe nach ist die Beklagte jedoch nur teilweise leistungsfähig.

Zutreffend von einer unbestrittenen Unterhaltsbedürftigkeit des Klägers ausgehend hat das AG die Klage teilweise zu Unrecht wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Beklagten abgewiesen. Entgegen der Ansicht des AG sind fiktive Einkünfte auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, die aus ihrer verschärften Erwerbsobliegenheit resultieren.

Die Beklagte unterliegt einer gesteigerten Unterhaltsverpflichtung aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ein unterhaltspflichtiger Elternteil muss hiernach gegenüber seinem unverheirateten minderjährigen Kind alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um so viel zu verdienen, dass der Mindestunterhalt auch unter Wahrung des eigenen Selbstbehalts geleistet werden kann. Den unterhaltspflichtigen Elternteil trifft eine Pflicht zur gesteigerten Ausnutzung seiner Arbeitskraft. Im Rahmen der Zumutbarkeit ist der Unterhaltsschuldner unter Umständen auch dazu verpflichtet eine Nebentätigkeit auszuüben oder einen Orts- bzw. Berufswechsel vorzunehmen, um den Mindestunterhalt leisten zu können. Legt der für seine den Mindestunterhalt betreffende Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweislastpflichtige Unterhaltsschuldner nicht dar, dieser Obliegenheit im ausreichenden Maße nachgekommen zu sein, muss er sich so behandeln lassen, als ob er über ein Einkommen verfügt, welches ihm die Zahlung des Mindestunterhalts ermöglicht.

Die gesteigerte Erwerbsobliegenheit begründet für die Beklagte zwar nach Ansicht des Berufungsgerichtes keine Verpflichtung, ihren unbefristeten Arbeitsplatz als Reinigungs- und Kantinenkraft aufzugeben, auch wenn sie nur mit 35 Std. bei einem Nettoeinkommen von rund 920 EUR beschäftigt ist. Die Aussicht, dass sie bei einem Arbeitsplatzwechsel ein signifikant höheres Einkommen erzielen könnte, erscheint im vorliegenden Fall vor allem aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen nicht wahrscheinlich. Auch das berufliche Risiko welches mit der Aufgabe ihres gesicherten Beschäftigungsverhältnisses verbunden wäre, erscheint vorliegend nicht zumutbar.

Entgegen der Ansicht des AG ist der Beklagten jedoch eine Nebenerwerbstätigkeit möglich und zumutbar.

Auch unter Berücksichtigung der besonderen physischen Belastungen, welche mit der Haupterwerbstätigkeit der Beklagten einhergehen und der durch die etwas längeren Anfahrtswege entstehenden zeitlichen Belastung ist der Beklagten die Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit zuzumuten. Die Haupttätigkeit der Beklagten umfasst lediglich 35 Stunden. In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit beim Minderjährigenunterhalt eine Nebentätigkeit eine Haupttätigkeit von 40 Stunden zumutbar ist, soweit keine besonderen Umstände in der Person des Unterhaltspflichtigen vorliegen. Besondere Umstände bei der Beklagten sind allenfalls in ihrem etwas längeren Arbeitsweg zu sehen. Diese fallen jedoch nicht besonders ins Gewicht. Selbst bei Annahme der von der Beklagten vorgetragenen Wegzeit ist diese nicht signifikant höher als bei anderen Arbeitnehmern, seien es Pendler, Arbeitnehmer in Flächenländern oder auch nur Arbeitnehmer in Hamburg, die auf ihrem Arbeitsweg regelmäßig den Elbtunnel durchqueren müssen. Des Weiteren ist der Arbeitsweg nicht mit der Arbeitszeit gleichzusetzen, da er auch teilweise zur Erholung, beispielsweise durch Lesen, genutzt werden kann.

Unter Abwägung der beidseitigen Interessen des Unterhaltsberechtigten und der Unterhaltspflichtigen ist das Gericht daher der Auffassung, dass der Beklagten eine Nebenerwerbstätigkeit in einem Umfang von 7 Stunden wöchentlich abverlangt werden kann. Mit der Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit in diesem Umfang wird die Beklagte nicht unverhältnismäßig hoch belastet, zumal zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte grundsätzlich auch verpflichtet wäre, ihren Wohnort in der Nähe des Arbeitsplatzes zu nehmen. So weit Beklagte in diesem Zusammenhang vorgetragen hat, dass ein Umzug nicht möglich sei, da die Kinder ihres jetzigen Lebensgefährten in der Nähe ihrer derzeitigen Wohnung leben würden und insoweit der Umgang mit den Kindern erleichtert werde, dringt sie ...

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