EuGVVO Art. 9 Abs. 1b, Art. 11 Abs. 2; 4. Kfz-Richtlinie Art. 3; Rom II-VO Art. 4, 18; ZPO § 287

Leitsatz

Wird ein Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall, der sich nach ausländischem (hier: französischem) Sachrecht richtet, als Direktanspruch gegen den ausländischen Haftpflichtversicherer vor einem deutschen Gericht geltend gemacht, ist § 287 ZPO bei der Bemessung des Schadens anwendbar.

(Leitsatz des Einsenders)

LG Saarbrücken Urt. v. 9.3.2012 – 13 S 51/11

Sachverhalt

Der Kl. begehrt von der Bekl., einem französischen Kfz-Haftpflichtversicherer, restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich im Jahr 2010 in Frankreich ereignet hat. Bei dem Verkehrsunfall wurde das damals 11 Jahre alte Fahrzeug des Kl. von einem in Frankreich zugelassenen und bei der Bekl. versicherten Lkw beschädigt. Der Kl. veräußerte das Fahrzeug als Schrottfahrzeug für 100 EUR. Er nahm einen Mietwagen in Anspruch. Die Bekl., deren Einstandspflicht zwischen den Parteien nicht streitig ist, hat zur Abgeltung der Schäden pauschal 800 EUR gezahlt.

Der Kl. hat einen unter Berücksichtigung des Fahrzeugrestwerts und der Zahlung der Bekl. auszugleichenden restlichen Wiederbeschaffungswert errechnet, sowie die angefallenen Mietwagenkosten, die erst mehrere Wochen nach dem Unfallereignis angefallen sind, sowie den Ersatz einer Kostenpauschale, Prozesskosten und die Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten geltend gemacht. Die Bekl. ist diesen geltend gemachten Schadenspositionen mit der Begründung entgegen getreten, der Kl. habe es versäumt, Anknüpfungstatsachen vorzutragen, aus denen sich der behauptete Schaden nachvollziehbar berechnen lasse.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Da der Mietwagen nicht in direktem Anschluss an das Unfallereignis in Anspruch genommen worden sei, stehe ein Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Einsatz des Mietwagens nicht fest. Der Kl. könne auch den Ersatz der weiteren Schadenspositionen nicht beanspruchen, da er den nach französischem Recht von ihm zu erbringenden Beweis nicht geführt habe. Wegen der Verschrottung des Fahrzeugs hätte er zuvor ein Schadensgutachten einholen oder aber aussagekräftige Lichtbilder vorlegen müssen. Mit seiner Berufung hat der Kl. die abgewiesenen Ansprüche weiter verfolgt. Wegen des erlittenen Totalschadens habe er ein Ersatzfahrzeug bestellt, dass erst mehrere Monate nach der Bestellung habe geliefert werden können. Bis zur Auslieferung des Ersatzwagens habe er das seiner Ehefrau gehörende Fahrzeug zur Berufsausübung genutzt. Lediglich im Zeitraum vom 19.–26.2.2010 habe ihm dieses Fahrzeug nicht zur Verfügung gestanden, sodass er zur Miete eines Ersatzfahrzeugs gezwungen gewesen sei. Die Bekl. hat die angefochtene Entscheidung verteidigt und im Wege der Widerklage die Rückzahlung der von ihr bereits gezahlten 800 EUR verfolgt, die nach ihrer Ansicht ohne Rechtsgrund gezahlt worden sei.

Das LG hat ein Rechtsgutachten nach französischem Recht zu der Frage eingeholt, ob dem Kl. aus dem Verkehrsunfall die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche zustehen. Weiterhin hat das LG ein technisches Sachverständigengutachten zu den Fragen der Höhe des Wiederbeschaffungswerts, des Restwerts und des unbedingten Reparaturaufwands eingeholt. Die Berufung hatte überwiegend Erfolg.

2 Aus den Gründen:

“Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und überwiegend begründet. Das angefochtene Urt. beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere als die getroffene Entscheidung.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend – wenn auch unausgesprochen – hat das AG die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGHZ 153, 82, 84; Urt. v. 16.10.2008 – III ZR 253/07, NJW 2009, 148 m.w.N.), bejaht. Ist der Anwendungsbereich der EuGVVO – wie hier – eröffnet, kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, nach Art. 9 Abs. 1b i.V.m. Art. 11 Abs. 2 EuGVVO vor dem Gericht seines Wohnsitzes eine Klage unmittelbar gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers erheben, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der VR seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 – Rs. C-463/06, Slg. 2007, I-11321 = NJW 2008, 819; BGHZ 176, 276). Danach besteht für den Kl. an seinem inländischen Wohnsitz in Deutschland ein Gerichtsstand für die Direktklage gegen die Bekl. Denn ihm steht als Geschädigter eines Verkehrsunfalls nach Art. 3 der 4. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, also auch in Frankreich, ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers zu (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2010 – VI ZR 48/10, VersR 2011, 774; Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 18 Rom II Rn 3).

2. Das AG hat indes zu Unrecht die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung des AG steht dem Kl. gegen die Bekl. ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz i.H.v. 1.433 EUR z...

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