VVG § 6 Abs. 5

Leitsatz

Lehnt der VN eine Kulanzregulierung eines nicht versicherten Schadens ab, weil sie mit einer den Schaden künftig deckenden Erweiterung des Versicherungsschutzes verbunden ist, kann von der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nicht ausgegangen werden.

(Leitsatz der Schriftleitung)

BGH, Beschl. v. 4.12.2013 – IV ZR 409/12

Sachverhalt

Die Kl., eine Wohnungseigentümergemeinschaft, hält bei der Bekl. eine Ende 1996 mit deren Rechtsvorgängerin abgeschlossene Wohngebäudeversicherung, welcher die VGB 88 zugrunde liegen. Sie verlangt Schadensersatz nach § 6 Abs. 5 VVG, weil sie meint, die Bekl. habe ihre Beratungspflicht im laufenden Versicherungsverhältnis aus § 6 Abs. 4 VVG verletzt.

Im Januar 2011 erlitt das versicherte Gebäude zwei Schäden, für die die vereinbarten Versicherungsbedingungen keinen Versicherungsschutz vorsehen. Frostbedingt platzte am 6.1.2011 ein Regenfallrohr mit der Folge, dass auslaufendes Regenwasser in Räume des versicherten Gebäudes eindrang. Am 13.1.2011 wurde nach der Behauptung der Kl. bei einem Einbruchversuch eine Eingangstür beschädigt. Im erstgenannten Fall war die Bekl. nicht eintrittspflichtig, weil nach der dem Vertrag zugrunde liegenden Fassung des § 6 Nr. 1a VGB 88 Regenabflussrohre nicht versichert sind; im zweiten Fall entfiel die Deckungspflicht, weil der Versicherungsschutz mutwillige Beschädigungen des Hauses durch Dritte nicht umfasst.

Seit Januar 2004 verwendet die Bekl. neue Klauseln, deren erweiterter Versicherungsschutz sich auch auf innen verlegte Regenabflussrohre und mutwillige Beschädigungen durch unbefugte Dritte erstreckt. Die Kl. meint, die Bekl. habe sie aus diesem Anlass über die entsprechenden Deckungslücken in ihrem Vertrag beraten müssen, was der Generalagent der Bekl. versäumt habe.

2 Aus den Gründen:

[4] "… II. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben."

[5] Nach Auffassung des BG kann die Kl. keinen Schadensersatz beanspruchen, weil die Bekl. ihre Beratungspflicht aus § 6 Abs. 4 VVG nicht verletzt hat.

[6] Für den Wasserschaden könne dahinstehen, ob die Einführung neuer Versicherungsbedingungen einen Beratungsanlass geschaffen hätte. Der VR müsse den VN nicht laufend über seine Produktentwicklung unterrichten, sondern ihn erst dann beraten, wenn der VN sein Interesse an einer Änderung des Versicherungsschutzes zum Ausdruck bringe. Dazu habe die Kl. nichts vorgetragen. Auch ein Irrtum des VN über den Umfang des Versicherungsschutzes schaffe so lange keinen Beratungsanlass, wie der VR davon nichts wisse. Es überspanne im Übrigen die mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz im Jahre 2008 eingeführte Beratungspflicht aus § 6 Abs. 4 VVG, wolle man sie rückwirkend auf einen Bedingungswechsel aus dem Jahre 2004 anwenden.

[7] Ein Schadensersatzanspruch der Kl. scheide aber selbst bei einer unterstellten Verletzung der Beratungspflicht aus, weil es an einem hierdurch kausal verursachten Schaden fehle. Von der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens könne hier schon nach dem Vortrag der Kl. nicht ausgegangen werden. Das folge daraus, dass sie eine von der Bekl. angebotene Kulanzregelung des Wasser- und Türschadens abgelehnt habe, weil das Kulanzangebot daran geknüpft gewesen sei, den Versicherungsschutz (gegen höhere Prämie) für die Zukunft auf Regenabflussrohre und von unbefugten Dritten verursachte Schäden zu erweitern.

[8] Hinsichtlich des Türschadens habe auch kein Beratungsanlass i.S.v. § 6 Abs. 4 VVG bestanden, weil die Kl. bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags die schon damals eröffnete Möglichkeit, durch unbefugte Dritte verursachte Gebäudeschäden zu versichern, nicht gewählt habe. Durch die neuen Bedingungen der Bekl., die einen solchen Schutz standardmäßig vorsähen, sei mithin keine nachträgliche Deckungslücke entstanden, vielmehr sei der Versicherungsschutz infolge der Entscheidung der Kl. von vornherein lückenhaft gewesen.

[9] Das BG hat die Revision “zur Frage der Beratungspflicht’ zugelassen.

[10] III. Es besteht kein Grund für die Zulassung der Revision, und diese hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a S. 1 ZPO).

[11] Der vom BG angenommene Revisionszulassungsgrund ist nicht entscheidungserheblich, weil es nach der Begründung des Berufungsurteils auf das Bestehen einer Beratungspflicht des VR nach § 6 Abs. 4 VVG im Ergebnis nicht ankommt.

[12] In beiden Fällen hat das BG nicht nur eine Beratungsverpflichtung der Bekl. verneint, sondern unabhängig davon die Klage auch deshalb abgewiesen, weil ein unterstellter Verstoß gegen die Beratungspflicht für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden sei. Das BG hat aus dem Umstand, dass die Kl. das vorgenannte Kulanzangebot der Bekl. abgelehnt hatte, ferner daraus, dass sie schon bei Vertragsschluss durch unbefugte Dritte verursachte Schäden trotz bestehender Versicherungsmöglichkeit nicht versichert hatte, geschlossen, dass sie auch dann keine Erweiterung ihres Versicherungsschutzes vorgenommen hätte, wenn die Bekl. sie anlässlich der Einführung ihrer neuen Bedingungen auf die beiden Lücken im bisherige...

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