Die abgedruckte Entscheidung ist lehrreich, weil ihre Begründung und ihr Ergebnis (mehr als) angreifbar sind.

1. Das gilt zunächst für ihre Annahme grober Fahrlässigkeit durch Zurücklassen eines Zweitschlüssels für einen Pkw mittleren Wertes im Handschuhfach eines verschlossenen anderen, in der Nähe abgestellten Pkw mittleren Wertes. Gewiss müssen Kfz-Schlüssel sicher aufbewahrt werden, über Nacht folglich an einem nicht ohne Weiteres zugänglichen Ort. Aber so wenig von einem VN erwartet wird, dass er die Kfz-Schlüssel über Nacht in einen Safe legt für den Fall, dass in seine Wohnung eingebrochen wird, so wenig muss er mit ihrer Entwendung durch Aufbruch eines anderen Kfz rechnen, solange er sie nicht im Wageninnern auffällig und damit einen Anreiz zum Diebstahl bietend ablegt.

2. Zutreffend ist daher lediglich, dass ein VN, der erkannt hat, dass die Schlüssel seines Pkw entwendet worden sind, und der keine Sicherungsmaßnahmen trifft, grob fahrlässig handelt. Fraglich ist jedoch, ob die Schwelle grober Fahrlässigkeit und gar ihre mittlere Schwere schon dann erreicht ist, wenn der VN meint, mit einer Lenkradkralle eine ausreichende Sicherung vorgenommen zu haben, ohne dass feststeht, dass er deren Ungeeignetheit, für deren Prüfung das LG einen Sachverständigen brauchte, erkannt hat oder erkennen musste. Jedenfalls kann die Grobheit der Fahrlässigkeit schwerlich darin gesehen werden, dass der VN seine mit dem Anbringen der Lenkradkralle beauftragte Ehefrau nicht auf den Vollzug seiner Bitte hin kontrolliert hat: Ein solches "Überwachungsverschulden" in Bezug auf grds. vertrauenswürdige Personen gibt es nicht.

3. Nicht im Ansatz gefolgt werden kann der abgedruckten Entscheidung in ihrer Annahme einer zusätzlichen grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung. Anzeigeobliegenheiten beziehen sich auf einen konkreten Versicherungsfall in einem konkreten Versicherungsvertrag: Das LG formuliert zutreffend, dass der VN ein Schadenereignis anzeigen muss, dass zu einer Leistung des VR führen kann. Der Einbruch in den Pkw R kann zwar zu einem Anspruch auf Entschädigung wegen der Schäden am Pkw R führen; der Kfz-Schlüssel des Pkw M ist aber vom Versicherungsschutz des Pkw R gar nicht erfasst. Daher fehlt es auch an einer Obliegenheit, dessen Entwendung anzuzeigen.

4. Was das LG hätte prüfen dürfen, wäre die unverzügliche Anzeige einer Gefahrerhöhung, die unzweifelhaft in der Entwendung des Kfz-Schlüssels des Pkw M aus dem in dessen Nähe abgestellten Pkw R folgt. Jedoch kam insoweit der Kl. in den Genuss des Karenzschutzes von einem Monat nach § 26 VVG. Daher war auch – selbst mit anderer Begründung – die zweite Kürzung nicht statthaft.

Prof. Dr. Rixecker, Präsident des Saarländischen OLG

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