Hier sollen der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners unfallfremde Alt- und Vorschäden entweder im Wege der klassischen Unfallmanipulation (gestellter oder provozierter Unfall) oder aber durch bloßes Verschweigen anlässlich der Schadensregulierung untergeschoben werden.

Sind im Anstoßbereich nicht plausible bzw. nicht kompatible (Vor-)Schäden vorhanden, muss der Geschädigte im Einzelnen zu der Art der Vorschäden und deren behaupteter Reparatur vortragen, denn es ist nicht Aufgabe des Schädigers oder seiner Haftpflichtversicherung, für die Abgrenzung von alten Vorschäden und neuen Schäden zu sorgen. Die nachgewiesene – auch nur teilweise – Inkompatibilität der Unfallschäden kann zur vollständigen Klageabweisung führen, denn bei wissentlichen Falschaussagen ist für eine Schadenschätzung nach § 287 ZPO kein Raum.[15] Etwas anderes gilt nur dann, wenn auszuschließen ist, dass die kompatiblen Schäden auf einem anderen Unfallereignis beruhen.[16] Wenn das Schadensbild – wie sich erst im Prozess herausgestellt hat – nicht zu dem behaupteten Unfallgeschehen passt, ist bereits die Kausalität des Unfalls durch den Geschädigten nicht dargelegt, weil sich der Unfall "so nicht" ereignet haben kann.[17]

[15] LG Wiesbaden, Urt. v. 10.7.2014 – 9 O 264/12, VersR 2015, 185-186: "(…) steht fest, dass nicht alle der geltend gemachten Schäden dem behaupteten Ereignis zuzuordnen sind, so kann der Kläger nicht wenigstens Ersatz für diejenigen Schäden verlangen, die möglicherweise auf das behauptete Ereignis zurückzuführen sind. Bei gegenteiliger Handhabung würden Manipulationen im Bereich des Schadenumfangs Tür und Tor geöffnet. Allein dies rechtfertigt die vollumfängliche Klageabweisung, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch kompatible Schäden nicht durch das behauptete, sondern durch ein früheres Ereignis verursacht worden sind (…)“; LG Münster, Urt. v. 23.4.2014 – 2 O 462/11, NZV 2015, 340–342: "(…) der Kläger hat seine Ansprüche nach § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung verloren, wenn er die nachweislich falsche Tatsachenbehauptung aufstellt, die Vorschäden an seinem Fahrzeug seien repariert worden. (…) Der Kläger hat von Anfang an nicht gem. seiner Wahrheitspflicht nach § 138 Abs. 1 ZPO vorgetragen. Die Behauptung, Vorschäden bestünden nicht bzw. seien fachgerecht repariert worden, stellt einen versuchten Prozessbetrug dar. Darin ist ein besonders grober Treueverstoß zu sehen. Der Kläger wäre von Anfang an verpflichtet gewesen, umfassend zu den Vorschäden vorzutragen.“""
[16] OLG Frankfurt, Urt. v. 10.9.2015 – 22 U 150/14, NZV 2016, 436–438 = MDR 2016, 20–21: (…) in diesem Fall soll im Rahmen des § 287 ZPO sogar die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unfallbedingtheit ausreichen (…) mit Hinweis auf OLG Düsseldorf, v. 11.2.2008 – I-1 U 181/07, NZV 2008, 295.
[17] OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.12.2014 – 4 U 36/14, NZV 2016, 332-336 = NJW-RR 2015, 593–597; OLG Köln, Beschl. v. 23.10.2014 – 19 U 79/14, OLG Report NRW 10/2015, Anm. 4: "(…) der mit dem strengen Maßstab des § 286 ZPO zu erbringende Kausalitätsnachweis ist nicht geführt, wenn Zweifel daran bestehen, ob sich der Unfall in der vom Geschädigten nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich so zugetragen hat. (…)".

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