Der Diebstahl von Baumaschinen in Rumänien[77]

Die in Deutschland ansässige Klägerin handelt mit Baumaschinen und -fahrzeugen und hält bei dem beklagten Versicherer eine "Kfz-Handel-/Handwerk-Versicherung". Diese gewährt u.a. Vollkaskoschutz für in gesonderten Listen zu benennende Fahrzeuge und Maschinen des jeweils aktuellen Bestandes der Klägerin. 2007 gründete die Klägerin eine Niederlassung in Rumänien mit einem abseitig gelegenen Betriebsgelände. Diese diente dem Handel mit gebrauchten Baumaschinen und -fahrzeugen. Zunächst war dort der "Administrator" P. angestellt, der das Gelände an allen Wochentagen aufsuchte. Das Arbeitsverhältnis wurde im Sommer 2009 beendet. Danach beschäftigte die Firma dort nur noch einen freien Mitarbeiter C., der das Betriebsgelände sporadisch besuchte.

Die Klägerin hat behauptet, der Mitarbeiter C. habe nach Kontrolle des Betriebsgeländes am Freitag, am folgenden Montag bei dessen Besuch festgestellt, dass drei Baumaschinen, darunter ein Bagger und eine schwere Walze, fünf Kraftfahrzeuge und sonstige Gegenstände fehlten, deren Wert sie auf 158.000 EUR beziffert und 139.000 EUR klageweise geltend gemacht hat. Einige der Fahrzeuge tauchten in der Folge zwar wieder auf, die Klägerin erhielt aber nur einen Pkw zurück. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nach §§ 23, 26 VVG infolge einer vorsätzlichen subjektiven Gefahrerhöhung leistungsfrei sei. Es liege eine erhebliche Gefahrerhöhung darin, dass nach Ausscheiden des Administrators P. das Betriebsgelände nicht mehr täglich, sondern in der Regel nur noch wöchentlich von einem Mitarbeiter aufgesucht worden sei. Für einen Kausalitätsgegenbeweis habe die Klägerin nichts vorgetragen. Hilfsweise sei Leistungsfreiheit wegen einer zumindest nachträglich erkannten, nicht angezeigten Gefahrerhöhung (§ 26 Abs. 2 VVG) und einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung der Zeugin R., der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin eingetreten (§ 28 Abs. 2 VVG), die Repräsentantin der Klägerin sei. Das BG hat der Frage, ob die Klägerin Einfluss auf die Entlassung des Administrators P. hatte, keine streitentscheidende Bedeutung beigemessen, weil sie eine Gefahrerhöhung jedenfalls durch adäquaten Ersatz hätte verhindern müssen. Im Ergebnis habe das LG den Kausalitätsgegenbeweis zu Recht als nicht geführt angesehen, denn es sei nicht von der Hand zu weisen, dass Diebe zu einem Diebstahl von Fahrzeugen und Baumaschinen von einem nur einmal wöchentlich kontrollierten Betriebsgelände eher verleitet würden, als dies bei täglichen Kontrollen werktags der Fall sei.

Ob man diese Argumentation für plausibel hält, erscheint in mehrfacher Hinsicht fraglich. Nicht unproblematisch ist insbesondere, ob die Instanzgerichte die Grundsätze zur Gefahrerhöhung nach §§ 23 ff. VVG a.F. richtig erfasst haben. Von einer Gefahrerhöhung kann danach nur dann gesprochen werden, wenn nachträglich eine Gefahrenlage eingetreten ist, bei welcher der Versicherer den Versicherungsvertrag nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte. Folgerichtig kommt es daher nicht auf einzelne Gefahrumstände an, sondern wie sich die Gefahrenlage insgesamt entwickelt hat.[78] Um festzustellen, ob im Verlauf eines Versicherungsvertragsverhältnisses eine Gefahrerhöhung eingetreten ist, muss die im Vertrag vorausgesetzte Risikolage mit der in der Folge eingetretenen Lage verglichen werden. Die Ausführungen des LG und OLG lassen nicht erkennen, dass dies geschehen ist. Das LG ist auch nicht darauf eingegangen, dass der Diebstahl am Wochenende erfolgt sein soll, bei dem die einst regelmäßige werktägliche Geländekontrolle keine Abhilfe hätte schaffen können.

Nicht unproblematisch ist auch der weitere Begründungsstrang des LG zur Leistungsfreiheit der Beklagten wegen Obliegenheitsverletzung der Zeugin R., weil diese als Repräsentantin der Klägerin im Rahmen des Regulierungsgesprächs mitgeteilt habe, dass der Zeuge C. fast täglich auf dem Gelände anwesend gewesen sei. Eine Erörterung ihrer Repräsentantenstellung findet sich ebenso wenig wie eine Prüfung der notwendigen Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG, der Frage eines arglistigen Handelns der Zeugin (was die Belehrungspflicht entfallen lassen könnte) und der Kausalität nach § 28 Abs. 3 VVG.

[77] OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.1.2014 – 5 U 103/13, n.v.; NZB BGH – IV ZR 58/14.

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