[10] "Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rspr. des BGH (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das LG die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rspr. des BGH eine Erörterungspflicht, die sich zugunsten des Angekl. auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das LG dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angekl. und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das LG die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte."

[11] II. 1. Nach der Rspr. des RG waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gem. § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104; 76, 174; vgl. auch RGZ 136, 60). Der III. Zivilsenat des BGH entschied dagegen mit Urt. v. 29.9.1952 – III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. m.w.N.) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschl. v. 6.7.1955 – GZ 1/55, BGHZ 18, 149), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grds. alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt: … (wird ausgeführt)

[19] 2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des BGH die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urt. v. 16.5.1961 – VI ZR 112/60, VersR 1961, 727; BGH, Urt. v. 13.1.1964 – III ZR 48/63, VersR 1964, 389; Urt. v. 25.9.1964 – VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299; Urt. v. 16.2.1993 – VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.1.2006 – VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag – VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rspr. regelmäßig, wenn auch nicht immer, im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urt. v. 28.5.2014 – 14 U 165/13, juris Rn 24; OLG München, Urt. v. 11.4.2014 – 10 U 4757/13, juris Rn 42 ff.; OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 33).

[20] Dem folgend erachten auch die Strafsenate des BGH die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschl. v. 9.6.1993 – 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4; v. 21.8.1996 – 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5; und v. 26.8.1998 – 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urt. v. 5.3.2014 – 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschl. v. 30.10.1992 – 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; v. 5.1.1999 – 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, v. 2.9.2014 – 3 StR 325/14, juris Rn 3; und v. 18.6.2014 – 4 StR 217/14, juris Rn 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschl. v. 30.10.1992 – 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschl. v. 9.6.1993 – 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urt. v. 7.2.1995 – 1 StR 668/94, BGHR 20 StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urt. v. 27.9.1995 – 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschl. v. 2.9.2014 – 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.

[21] 3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 (BGBl I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der “billigen Entschädigung‘ war damit nicht...

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